I. Einleitung – Alles, was Lohn ist…
Die Lohnsteuer als besondere Erhebungsform der Einkommensteuer ist die bedeutendste Säule des Staatshaushalts. Was für den Fiskus ein Segen ist, ist für diejenigen, die sie schulden bzw. einzubehalten und abzuführen haben, namentlich Arbeitnehmer und Arbeitgeber, nicht selten ein Fluch. Fehler können sich schnell als teuer erweisen. Durch den weiten Arbeitsentgeltbegriff besteht für den Fiskus die Möglichkeit, sämtliche Neuerungen in der Vergütungspraxis zu erfassen und etwaige vom Arbeitgeber gewährte Vorteile für die Arbeitnehmer (sog. „Benefits“) zu besteuern. Egal ob bei der verbilligten Überlassung von ÖPNV-Tickets, der Schaffung von Fitnessprogrammen oder der Bereitstellung von kostenlosen Mahlzeiten: Stets stellt sich die Frage nach der lohnsteuerlichen Behandlung dieser Vorteile.
II. BFH zum Lohnzufluss bei Teilnahme an Firmenfitness-Programmen
In seinem Urteil vom 07.07.2020 (Az. VI R 14/18) hat sich der BFH mit dem Zeitpunkt des Zuflusses und der Bewertung des Vorteils der verbilligten Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm befasst.
In dem Fall hatte ein Arbeitgeber mit einem Anbieter von Fitnessleistungen eine „Firmenfitness-Mitgliedschaftsvereinbarung“ über die Nutzung von besonderen Fitnessstudios durch interessierte Mitarbeiter abgeschlossen. Pro Mitarbeiter erwarb der Arbeitgeber dabei Lizenzen zu € 50,28 brutto monatlich. Gegen einen Eigenanteil von € 16 bzw. später € 20 monatlich konnten sich die interessierten Mitarbeiter bei ihrem Arbeitgeber registrieren lassen. Sobald sie monatlich registriert waren, konnten sie für den jeweiligen Monat die Fitnessangebote bundesweit in Anspruch nehmen. Der Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Fitnessanbieter erfolgte im Jahr 2010 und hatte zunächst eine Laufzeit von 12 Monaten. Er sah eine automatische Verlängerung um weitere 12 Monate für den Fall vor, dass er nicht fristgerecht gekündigt wird. Eigene Vertragsbeziehungen zwischen dem Fitnessanbieter und den Mitarbeitern bestanden hingegen nicht.
Im Zuge einer Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre 2011 bis 2014 vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, durch die Mindestvertragsdauer von 12 Monaten sei den Mitarbeitern der gesamte Vorteil der verbilligten Nutzung der Fitnessstudios auf einen Schlag zugeflossen. Daher sei auch eine etwaige monatliche Freigrenze von € 44 überschritten. Entsprechend forderte das Finanzamt die auf die verbilligte Nutzungsmöglichkeit des Fitnessangebots entfallende Lohnsteuer nach und erließ einen Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber.
Der rechtliche Hintergrund besteht hier in der Bestimmung des Zuflusses des Vorteils beim Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Freigrenze für Sachbezüge von € 44 (bzw. seit 2022 € 50) nach § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG. Dies hängt wiederum davon ab, ob es sich bei den Vorteilen um einen (einmaligen) sonstigen Bezug oder ein laufendes Arbeitsentgelt handelt, § 38a Abs. 1 und 3 EStG. Nur bei laufendem Arbeitsentgelt ist auf den jeweiligen Monat des Zuflusses abzustellen.
Der BFH entschied, dass die Teilnahme an einem Firmenfitness-Programm in der vom Arbeitgeber vorliegend gewählten Form als laufender Arbeitslohn zu bewerten und somit der Zufluss jeweils monatlich beim Arbeitnehmer zu erfassen ist.
Entsprechend sei die monatliche Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 11 EStG in Höhe von € 44 (bzw. € 50) anwendbar. Die monatliche Betrachtung hatte vorliegend zur Folge, dass den Mitarbeitern lediglich ein monatlicher Vorteil in Höhe von € 34,28 (€ 50,28 ./. € 16) bzw. später € 30,28 (€ 50,28 ./. € 20) zugeflossen ist. Die damalige monatliche Freigrenze in Höhe von € 44 war damit nicht überschritten, die Lohnsteuer entsprechend nicht einzubehalten.
III. FG Hessen zur Lohnsteuerpflicht bei Jobtickets
Das Finanzgericht Hessen hatte sich in seiner Entscheidung vom 25.11.2020 (Az. 12 K 2283/17) mit dem Lohnsteuereinbehalt für die verbilligte Überlassung eines Jobtickets zu befassen.
In dem Streitfall hatte der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern aufgrund akuten Parkplatzmangels im Rahmen eines Mobilitätskonzepts, monatlich bis maximal auf ein Jahr begrenzt, vergünstigte Nahverkehrstickets zur Verfügung gestellt. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dieser Preisvorteil sei als Sachbezug nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten. Zudem sei der Vorteil der verbilligten Überlassung bei den Jahrestickets dem jeweiligen Arbeitnehmer auf einen Schlag zugeflossen, sodass auch hier die monatliche Freigrenze von € 44 (bzw. nunmehr € 50) durch diesen geballten Zufluss überschritten sei. Auf den Wert der Vergünstigung hätte der Arbeitgeber sodann Lohnsteuer einbehalten und abführen müssen. Da dies unterblieben ist, erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber.
Der rechtliche Hintergrund dieses Streits ist, dass es sich bei der verbilligten bzw. unentgeltlichen Überlassung von ÖPNV-Tickets, sog. „Jobtickets“, grundsätzlich um lohnsteuerpflichtige Sachbezüge (§ 8 Abs. 2 EStG) handelt, die es für Zwecke der Lohnsteuer zu bewerten gilt. Allgemein richtet sich die Bewertung danach, was ein Endverbraucher am Abgabeort nach Abzug der üblichen Preisnachlässe üblicherweise zu bezahlen hätte. Das Problem der Bewertung hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich insofern aufgegriffen, als seit dem Veranlagungszeitraum 2019 unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 15 EStG für Zuschüsse zum Jobticket in das Gesetz eingefügt worden ist. Das Problem der lohnsteuerlichen Bewertung von Jobtickets stellt sich daher vorrangig nur noch für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2018.
Das FG Hessen entschied, die verbilligte Überlassung eines Jobtickets (vor Einführung des § 3 Nr. 15 EStG) zur Eindämmung des akuten Parkplatzmangels stelle vorliegend schon gar keinen lohnsteuerpflichtigen Sachbezug dar. Entsprechend stelle sich die Frage der Bewertung auch nicht. Die Finanzrichter vertraten die Ansicht, dass die verbilligte Überlassung nicht als Entgelt für die eigentlich zu erbringende Arbeit betrachtet werden kann. Hierbei handele es sich lediglich um einen Versuch, die Mitarbeiter zur Nutzung des ÖPNV zu animieren, um die angespannte Parkplatzsituation zu beseitigen, und nicht um eine konkrete Gegenleistung für die verrichtete Arbeit. Ferner seien schließlich auch die zuvor kostenlosen Parkmöglichkeiten von der Finanzbehörde nicht als lohnsteuerpflichtiger Sachbezug angesehen worden.
IV. BMF zur Behandlung unentgeltlicher oder verbilligter Mahlzeiten
Mit Schreiben vom 20.12.2021 (IV C 5 – S 2334/19/10010 :003) hat das Bundesfinanzministerium für das Kalenderjahr 2022 die lohnsteuerrechtliche Behandlung von unentgeltlichen oder verbilligten Mahlzeiten für Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber angepasst. Solche verbilligten/kostenlosen Mahlzeiten sind grundsätzlich anteilig als Arbeitsentgelt zu bewerten und entsprechend der Lohnbesteuerung zu unterziehen. Da Sachbezüge zwar zum Arbeitsentgelt gehören, aber eben gerade nicht in Geld bestehen (vgl. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG), stellt sich auch hier die Frage nach der richtigen Bewertung. Dies betrifft nicht nur das Steuerrecht, sondern auch das Sozialversicherungsrecht. Um hier möglichst Einheitlichkeit zu erreichen, wird in § 8 Abs. 2 Satz 6 EStG auf die sog. Sozialversicherungsentgeltverordnung verwiesen. In dieser Verordnung wird die genaue Bewertung von Verpflegung, Unterkunft, Wohnung und sonstigen Sachbezügen vorgegeben. Für das Kalenderjahr 2022 gilt nun, dass ein vom Arbeitgeber an die Belegschaft gestelltes Frühstück für einen vollen Monat mit € 56 bzw. für einen Tag mit € 1,87 und für ein gestelltes Mittag- oder Abendessen monatlich mit € 107 bzw. pro Tag mit € 3,57 zu bewerten ist.
V. Fazit
Arbeitgeber müssen bei allen „Benefits“ die Lohnsteuer im Blick haben. Auch kleine Beträge können sich bei einer großen Belegschaft zu stattlichen Haftungsbeträgen summieren, wenn im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung ein unterlassener Lohnsteuereinbehalt festgestellt wird. Gleichwohl bietet das Lohnsteuerrecht die Chance, Mitarbeiter durch gezielte Bezuschussung an das eigene Unternehmen zu binden und dabei steuerliche Potentiale für die Mitarbeiter auszuschöpfen: Verbilligte Jobtickets, Warengutscheine oder die Beachtung der allgemeinen Freigrenze von € 50 für Sachbezüge bieten den Arbeitnehmern Vorteile, ohne dass hierfür Lohnsteuer anfällt.