Gehört eine tarifvertraglich geregelte Corona-Prämie zum pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens? 

I. Einleitung

Im Zeitraum vom 01. März 2020 bis zum 31. März 2022 konnten Arbeitgeber einen Betrag in Höhe von € 1.500,00 zusätzlich zum Arbeitslohn steuerfrei an ihre Mitarbeiter auszahlen, sofern diese Zahlungen der Abmilderung der durch die Corona-Pandemie geschaffenen Umstände dienten. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nun in einem Urteil vom 23.02.2022 zu entscheiden, ob diese sogenannte „Corona-Prämie“ zum pfändbaren Anteil des Arbeitseinkommens eines Arbeitnehmers gehört. Der Kläger war als Busfahrer im ÖPNV tätig und befand sich zum Zeitpunkt der Auszahlung der Prämie durch seine Arbeitgeberin in Privatinsolvenz. Die Beklagte zahlte die tarifvertraglich geregelte Prämie in zwei Tranchen aus, wobei die erste Zahlung im Jahr 2020 vorgenommen wurde und die zweite Zahlung im Jahr 2021 erfolgte. Der Kläger erhielt jeweils nur einen Teil der Beträge, während der übrige Teil an den Insolvenzverwalter ausgezahlt wurde. Der Kläger vertrat im Rahmen des Verfahrens die Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf Auszahlung der vollständigen Corona-Prämie zu, weil diese nicht vom pfändbaren Arbeitseinkommen umfasst werde. 

II. Wie das Einkommen gepfändet werden kann

Im Rahmen der Privatinsolvenz sind die pfändbaren Einkünfte ebenso an den Insolvenzverwalter abzuführen, wie dies bei der Einzelvollstreckung in den Arbeitslohn der Fall ist. Da das Arbeitseinkommen bei vielen Schuldnern das einzige Vermögen darstellt, ist die Zwangsvollstreckung in Arbeitslohnforderungen ein häufig genutztes Mittel, Forderungen bezüglich derer der Gläubiger über einen sog. Titel (z.B. ein Urteil) verfügt, beizutreiben. Auf entsprechenden Antrag des Gläubigers hin wird dem Arbeitgeber durch das Vollstreckungsgericht ein sog. Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt. Dieser enthält den Ausspruch, dass die Lohnforderung eines Arbeitnehmers (Schuldner), die dieser gegen den Arbeitgeber (Drittschuldner) hat bzw. künftig haben wird, in Höhe eines bezifferten Betrages gepfändet und dem Vollstreckungsgläubiger „zur Einziehung überwiesen“ wird.

Der Arbeitgeber ist als Drittschuldner dafür verantwortlich, die Pfändung richtig und ordnungsgemäß durchzuführen. Durch den Pfändungsbeschluss wird ihm (Drittschuldner) verboten, gepfändetes Einkommen an den Schuldner (den Mitarbeiter) zu zahlen. Der Arbeitgeber muss also im Rahmen der monatlichen Lohnabrechnung das pfändbare Arbeitseinkommen feststellen und an den Gläubiger auszahlen. Entsprechendes gilt bei einer Privatinsolvenz des Arbeitnehmers im Verhältnis des Arbeitgebers zum Insolvenzverwalter. Die Risiken beschlusswidriger Auszahlung an den Arbeitnehmer und was es bei der Ermittlung und Berechnung der gepfändeten Einkommensteile im Allgemeinen zu beachten gilt, werden im Folgenden kurz überblicksartig dargestellt.

1. Lohnpfändung – Position des Arbeitgebers

Wird dem Arbeitgeber ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt, so trifft ihn zunächst gem. § 840 Zivilprozessordnung (ZPO) die Pflicht zur Abgabe der sog. Drittschuldnererklärung. Um die nachstehenden Auskünfte zu erteilen, hat der Arbeitgeber ab Zustellung zwei Wochen Zeit.

(1) Ob und inwieweit er die Forderung als begründet anerkennt und Zahlung zu leisten bereit ist.

(2) Ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderung erheben.

(3) Ob und wegen welcher Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet ist (§ 840 ZPO).

Kommt der Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach oder sind die erteilten Auskünfte nicht korrekt, steht dem Vollstreckungsgläubiger gegebenenfalls ein Schadenersatzanspruch gegen ihn zu (§ 840 Abs.2 Satz 2 ZPO). Ein solcher Anspruch kommt z.B. in Betracht, wenn der Vollstreckungsgläubiger aufgrund der vom Arbeitgeber zu erteilenden Auskünfte erkannt hätte, dass die Lohnpfändung erfolglos ist und er aufgrund der nicht erteilten Auskunft anderweitige Vollstreckungsmaßnahmen unterlassen hat. 

Der Arbeitgeber muss die Rechtmäßigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht überprüfen. Er wird auch dann von seiner Leistungspflicht gegenüber dem Arbeitnehmer frei, wenn er aufgrund eines zu Unrecht erlassenen oder ohne sein Wissen wieder aufgehobenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss den pfändbaren Betrag an den Vollstreckungsgläubiger auszahlt (§ 836 Abs. 2 ZPO). Durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verändert sich die Rechtsstellung des Arbeitgebers grundsätzlich nicht zu seinem Nachteil. Stehen ihm zum Zeitpunkt der Einwendungen gegen den Lohnanspruch des Arbeitnehmers zu, so kann der Arbeitgeber diese auch gegen den Vollstreckungsgläubiger geltend machen. Verfügt er über eine aufrechenbare Gegenforderung, darf er auch aufrechnen.

Grundsätzlich dauert die Pfändung bis zur völligen Befriedigung des Gläubigers an, sofern der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss keine zeitlichen Beschränkungen enthält.

2. Ermittlung und Berechnung des pfändbaren Arbeitseinkommens

Aufgrund des im Pfändungsbeschluss ausgesprochenen Verbots ist es dem Arbeitgeber als Drittschuldner verboten, die gepfändete Forderung an den Schuldner, seinen Arbeitnehmer, auszuzahlen. Gleiches gilt während des Insolvenzverfahrens. Das Verbot der Auszahlung an den Schuldner greift aber nur dann, wenn die Lohnforderung auch pfändbar ist. 

Welche Teile des Arbeitseinkommens gepfändet werden können, ergibt sich aus § 850 bis § 850i ZPO. Dabei ist zwischen dem vollständig pfändbaren, dem nur bedingt pfändbaren und dem unpfändbaren Einkommen des Arbeitnehmers zu unterscheiden. Vollständig pfändbar ist in jedem Fall der reguläre Arbeitslohn inklusive Abfindungen, Lohnersatzleistungen, Altersrenten, Arbeitslosengeld I und Arbeitslosengeld II. 

Gemäß § 850a ZPO zählen das Urlaubsgeld, Gefahren-, Schmutz oder Erschwerniszulagen, etwaige Aufwandsentschädigungen, die Hälfte der Mehrarbeitsvergütungen oder Nachtzuschläge und die Hälfte des Weihnachtsgeldes zum unpfändbaren Einkommen. Aber auch Erziehungs-, Studien-, Heirats- und Geburtsbeihilfen, Kindergeld, Sterbebezüge und Blindenzulagen unterliegen dem Pfändungsschutz. Das bedingt pfändbare Einkommen ist schließlich in § 850b ZPO geregelt. Von dieser Regelung umfasst werden beispielsweise Unterhaltsrenten oder Bezüge aus Witwen-und Krankenkassen etc. Diese Einkünfte sind unter der Bedingung pfändbar, dass das Vermögen des Schuldners (voraussichtlich) nicht zur Deckung der Forderungen des Gläubigers ausreicht und der Schuldner dadurch nicht in eine existenzielle Notlage gerät.

Zur Sicherung des Existenzminimums muss dem Arbeitnehmer zudem ein Mindestbetrag verbleiben. Innerhalb dieser sog. Pfändungsfreigrenzen, die sich nach dem jeweiligen Einkommen sowie der Anzahl der Unterhaltsberechtigten richten und regelmäßig angepasst werden, darf und muss der Arbeitgeber den Lohn weiterhin an den Arbeitnehmer auszahlen.

Die Pfändungsfreigrenzen ergeben sich aus § 850 ZPO. Der Arbeitgeber muss anhand dieser Vorschrift die für den betreffenden Fall geltende Pfändungsfreigrenze selbst ermitteln. Dabei ist die sog. Netto-Methode anzuwenden. 

Übersteigt das Arbeitseinkommen die Pfändungsfreigrenze, muss der Arbeitgeber das Verbot, an den Arbeitnehmer zu zahlen, unbedingt beachten. Hält er sich nämlich nicht an das Zahlungsverbot, so wird er durch die Zahlung an den Arbeitnehmer nicht von seiner Leistungspflicht frei, sondern ist verpflichtet, den die Pfändungsgrenze übersteigenden Betrag nochmals an den Vollstreckungsgläubiger bzw. den Insolvenzverwalter zu zahlen.

III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied mit Urteil vom 23.02.2022 (Az.: 23 Sa 1254/21), dass es sich bei der einer tariflichen Corona-Prämie um pfändbares Einkommen im Sinne des § 850a ZPO handle, solange die Auszahlung unabhängig von der tatsächlichen und durch die Corona-Pandemie geschaffenen Belastung erfolge. Die Beklagte habe daher zurecht den pfändbaren Anteil der Prämie an die Insolvenzverwalterin des Klägers anstatt an diesen selber ausgezahlt. Zur Begründung gab das LAG an, dass es sich entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung bei der Corona-Prämie nicht um eine vom Pfändungsschutz umfasste Gefahren- oder Erschwerniszulage oder Aufwandsentschädigung im Sinne des § 850a ZPO handle. Grund dafür sei, dass die durch die Beklagte ausgezahlte Corona-Prämie auf einer tariflichen Regelung basiere. Im entschiedenen Fall sei nicht danach unterschieden worden, in welchem Maße die Beschäftigten den besonderen Belastungen durch die Corona-Pandemie ausgesetzt gewesen seien. Stattdessen hätten alle Beschäftigten gleichermaßen von der Prämie profitieren sollen – unabhängig von der jeweiligen Arbeitsleistung. Darin unterscheide sich die streitgegenständliche tarifliche Prämie von den nach § 150a SGB XI gezahlten Prämien im Pflegebereich, bei denen die Zahlungsansprüche vom Maß der direkten Betreuung von Pflegebedürftigen durch die Pflegekräfte abhängig seien.

IV. Fazit und Praxishinweis

Bei einer Lohnpfändung bzw. während der Privatinsolvenz verbleibt dem Schuldner (Arbeitnehmer) lediglich der unpfändbare Teil seines Arbeitseinkommens. Welche Gehaltsbestandteile der Pfändung (bedingt) entzogen sind, bestimmen § 850a f. ZPO. Dass auch diese Regelungen immer wieder der Auslegung bedürfen, zeigt das besprochene Urteil des LAG Berlin-Brandenburg. Das LAG hat die Revision zugelassen, sodass abzuwarten ist, wie das Bundesarbeitsgericht sich in dieser praxisrelevanten Frage positionieren wird. 
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von Nils Pinzke 10 Apr., 2024
Das Steuerstrafrecht hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. So haben insbesondere in jüngerer Zeit verschiedene prominente Fälle wieder den Fokus auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung gelenkt. Steuerstraftaten stellen nach dem Verständnis des Gesetzgebers schon lange keine Kavaliersdelikte mehr dar. Mit der Selbstanzeige hat der Gesetzgeber jedoch ein Instrument geschaffen, um die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu belohnen. Bei einer wirksamen Selbstanzeige wird der Täter bzw. dessen Gehilfe, typischerweise der Steuerpflichtige oder seine Vertreter, wegen der offenbarten Steuerstraftat(en) grundsätzlich nicht bestraft. Allerdings gibt es Fälle, in denen eine Selbstanzeige allein nicht ausreicht, um etwaige strafrechtliche Konsequenzen einer Steuerstraftat zu vermeiden. In solchen Fällen muss für die Straffreiheit zusätzlich zu einer wirksamen Selbstanzeige noch eine Geldzahlung geleistet werden. I. Besondere Sperrgründe für die Selbstanzeige Die in § 371 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vorgesehene Straffreiheit infolge einer Selbstanzeige tritt nur dann ein, wenn die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. in ihr in vollem Umfang unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt worden sind, und keiner der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt. Wenn etwa die vorsätzlich verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag in Höhe von € 25.000 je Tat übersteigt, ist nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige gesperrt. Diese Betragsschwelle gilt unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Daher kann bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Grenze von € 25.000 die Selbstanzeige für sich allein nicht täter- oder teilnehmerbegünstigend berücksichtigt werden. Ein weiterer Sperrgrund ist in § 370 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO normiert. Die Selbstanzeige ist danach auch dann ausgeschlossen, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO vorliegt. Dazu zählen der Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung eines Amtsträgers, die Mithilfe eines Amtsträgers, die fortgesetzte Begehung der Steuerhinterziehung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege, die bandenmäßige Umsatz- oder Verbrauchsteuerhinterziehung sowie die Steuerhinterziehung unter Verwendung von Drittstaatengesellschaften. Die Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO beziehen sich dagegen vornehmlich auf solche Fallkonstellationen, in denen der Täter davon ausgehen muss, dass seine Tat durch eine baldige Prüfung entdeckt wird oder bereits entdeckt ist und der Täter hiervon Kenntnis hat oder bei verständiger Würdigung der Sachlage von der Entdeckung ausgehen muss. II. Zusätzliche Anforderungen für Straffreiheit nach Selbstanzeige Das Gesetz sieht vor, dass in den genannten Fällen die Straffreiheit auch bei Abgabe einer korrekten Selbstanzeige nicht eintreten soll. Trotzdem kann bei Vorliegen bestimmter Fallkonstellationen im Ergebnis Straffreiheit erreicht werden. Denn unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen kann nach § 398a AO von der Strafverfolgung auch bei einem Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 AO abgesehen werden. 1. Kernaussagen des § 398a AO – Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen Kann eine Selbstanzeige nur deshalb keine strafbefreiende Wirkung entfalten, weil der verkürzte Steuerbetrag € 25.000 je Tat übersteigt (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz Nr. 3 AO) oder weil ein Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO) vorliegt, so wird von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, wenn der an der Tat Beteiligte erstens innerhalb einer ihm angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen, die übrigen Zinsen, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, sowie etwaige Verzugszinsen nach dem Zollkodex der Europäischen Union entrichtet (§ 398a Abs. 1 Nr. 1 AO) und zweitens einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zahlt (§ 398a Abs. 1 Nr. 2 AO). Die Vermeidung eines Strafverfahrens kann also durch Zahlung eines „Zuschlags“ neben den hinterzogenen Steuern und Zinsen vermieden werden, sofern eine vollständige Selbstanzeige eingereicht wurde, deren strafbefreiende Wirkung aber wegen des Vorliegens einer der genannten Sperrgründe gesetzlich ausgeschlossen ist. Dieser „Zuschlag“ richtet sich nicht nach der individuell vorwerfbaren Schuld oder der etwaigen kriminellen Energie, die der Steuerhinterziehung zugrunde liegt, sondern allein nach der Höhe des verkürzten Steuerbetrags. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag € 100.000 nicht, so wird ein zusätzlicher Geldbetrag von 10% der hinterzogenen Steuer fällig. Liegt der Hinterziehungsbetrag zwischen € 100.001 und € 1.000.000, so gilt es einen Geldbetrag in Höhe von 15% des Hinterziehungsbetrags zu zahlen. Sobald der Hinterziehungsbetrag € 1.000.000 übersteigt, muss ein Geldbetrag in Höhe von 20% der verkürzten Steuer entrichtet werden. Bei dem Zuschlag handelt es sich als „freiwillige Zahlung“ lediglich um eine nichtstrafrechtliche Sanktion und damit gerade nicht um eine Strafe im eigentlichen Sinne: So kommt es grundsätzlich nach Erfüllung der in § 398a AO genannten Zahlungen nicht zu einer Eintragung im Bundeszentralregister. 2. Die Zahlung allein garantiert keine Straffreiheit Dennoch gibt § 398a AO keine endgültige Sicherheit: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung der Steuerhinterziehung wegen § 398a AO abzusehen, löst keinen Strafklageverbrauch aus. Sollte die Finanzbehörde im Nachhinein feststellen, dass die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren oder ein anderer Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 AO vorliegt, kann ein aufgrund der Selbstanzeige und der gezahlten Geldauflage eingestelltes Strafverfahren wiederaufgenommen werden. Dies ist typischerweise der Fall, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass die hinterzogenen Steuern deutlich höher ausfallen als in der Selbstanzeige angegeben oder die Tat bereits entdeckt war. In diesem Fall wird der gezahlte Geldbetrag nicht erstattet, wenn es in der Folge zur Verurteilung wegen Steuerhinterziehung kommt. Der Betrag kann allenfalls nach § 398a Abs. 4 Satz 2 AO durch das Gericht auf eine zu verhängende Geldstrafe angerechnet werden. III. Fazit Wenn der Betrag der hinterzogenen Steuer ein so hohes Ausmaß annimmt, dass die Selbstanzeige zunächst gesperrt ist, kann durch die zusätzliche Zahlung eines Geldbetrags zugunsten der Staatskasse gleichwohl Straffreiheit erreicht werden. Dass auch die hinterzogene Steuer sowie die Zinsen gezahlt werden müssen, versteht sich von selbst. Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass zuerst die strengen Voraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt sein müssen. Scheitert es schon an einer korrekten Selbstanzeige, ist eine etwaige Geldzahlung vergeblich und wird im schlimmsten Fall nicht erstattet. Daher ist bei der Korrektur von steuerlichen Fehlern und einer im Raum stehenden Steuerhinterziehung sorgsam zu prüfen, ob die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. vollständig alle steuerlichen Sachverhalte aufführt bzw. Angaben nachholt, und die Liquidität für verkürzte Steuern und Zinsen sowie die zusätzliche Geldzahlung zeitnah beschafft werden kann. Hauptaugenmerk sollten dabei die genaue Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts und die korrekte steuerrechtliche Würdigung der einzelnen Sachverhalte haben. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Barbara Anzellotti 02 Apr., 2024
Wer einen Anspruch hat – etwa den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises bei einem Kaufvertrag – muss diesen innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen. Ist diese Frist abgelaufen und somit Verjährung eingetreten, gibt es keine Möglichkeit mehr, den Anspruch gegen den Vertragspartner durchzusetzen. Dies kann verheerende Auswirkungen haben, insbesondere im Immobilienkaufrecht, wenn es um hohe Beträge und nicht selten auch um die persönliche Zukunft und Lebensumstände geht. Die im Einzelfall anzuwendende Verjährungsfrist ist jedoch häufig schwer zu ermitteln und beschäftigt regelmäßig die Gerichte. So hatte etwa der BGH im Dezember 2023 zu entscheiden, welcher Verjährungsfrist die Gegenleistung beim Bauträgervertrag unterliegt – hierzu mehr unter II. In diesem Beitrag wollen wir daher kurz in die komplexen Verjährungsregeln des Immobilienkaufrechts einführen, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung und der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche. I. Grundlagen der Verjährungseinrede Die Verjährung ist ihrer Natur nach das Recht des Schuldners, die eigentlich geschuldete Leistung an den Gläubiger zu verweigern. Sie vernichtet somit nicht den ursprünglichen Anspruch als solchen, sondern verhindert nur seine Durchsetzbarkeit. Daher kann die Rechtsfolge der verhinderten Durchsetzbarkeit nur dann eintreten, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung auch erhebt, etwa in einem gerichtlichen Verfahren. Tut er dies nicht, verliert er den Prozess, auch wenn der Anspruch eigentlich verjährt ist. Ihrem Zweck nach ist die Verjährungseinrede ein Instrument, welches dem Rechtsfrieden und der Sicherheit im Rechtsverkehr dient. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, dass man sich nach einigen Jahren grundsätzlich darauf verlassen können sollte, nicht plötzlich mit alten Forderungen konfrontiert zu werden. Die regelmäßige Verjährungsfrist im deutschen Zivilrecht beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie findet immer dann Anwendung, wenn nicht die Voraussetzungen einer spezielleren Verjährungsnorm erfüllt sind. Nennenswert sind hier im Kontext des Immobilienkaufrechts die zehnjährige Verjährungsfrist bei Rechten an Grundstücken gemäß § 196 BGB sowie die dreißig-, fünf- und zweijährigen Fristen gemäß § 438 BGB aus dem Kaufrecht. Neben der Dauer der Verjährungsfrist, bereitet auch ihr Beginn häufig Probleme. Zwar beginnt die Frist gem. § 199 Abs. 1 BGB regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den notwendigen Informationen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen, doch besonders im Immobilienkaufrecht wird hiervon häufig durch spezialgesetzliche Regelungen abgewichen, sodass eine Generalisierung kaum möglich ist. II. Kaufpreis Die Zahlung des Kaufpreises stellt einen zentralen Bestandteil des Immobilienkaufvertrags dar: Während sich der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, verpflichtet sich der Verkäufer im Gegenzug dazu, das Eigentum an dem Grundstück an den Käufer zu übertragen. Gemäß § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Dabei ist zu beachten, dass es sich nur dann um eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB handelt, wenn diese wechselbezüglich ist, sich also auf die dingliche Leistung des Vertragspartners bezieht. Die Zahlung eines Kaufpreises stellt somit die wechselbezügliche Gegenleistung des Käufers dar und unterliegt der Regelung des § 196 BGB: Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung verjährt nach zehn Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB zu laufen, wenn der Anspruch entsteht. Der BGH tendiert zu einer eher weitreichenden Anwendung des § 196 BGB. So entschied er am 07.12.2023 (Az.: VII ZR 231/22) zum Vergütungsanspruch des Bauträgers beim Bauträgervertrag, dass auch dieser Anspruch der zehnjährigen Verjährung des § 196 BGB unterliegt, obwohl er sich neben dem Eigentumserwerb auch auf die Bauleistung bezieht. Die geforderte Wechselbezüglichkeit ist zudem nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern kann nach der Rechtsprechung des BGH auch bei gesetzlichen Ansprüchen vorliegen, etwa bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gescheiterter Grundstücksverträge (BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22). III. Gewährleistung Wie auch für andere Kaufverträge gelten für Immobilienkaufverträge die Vorschriften der §§ 433 ff. BGB. Ansprüche aufgrund von Mängeln der Kaufsache richten sich somit nach § 438 BGB: Besteht der Mangel in einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen dieser Herausgabe der Kaufsache verlangen kann, so verjähren entsprechende Gewährleistungsrechte gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB in 30 Jahren. Liegen dagegen Mängel an einem Bauwerk vor, insbesondere an der Bausubstanz, so verjähren diese gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach fünf Jahren. Unter einem Bauwerk im Sinne dieser Vorschrift ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehen, etwa ein Haus, aber auch eine Freiland-Photovoltaikanlage oder Golfanlage. Ebenso von § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB umfasst sind Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben. Entsprechend verjähren daher auch Ansprüche wegen mangelhaften Baumaterials nach fünf Jahren. Liegt keiner dieser Sonderfälle vor, so verjähren Gewährleistungsansprüche gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach zwei Jahren. Dies gilt für den Immobilienkauf also dann, wenn kein Mangel am Bauwerk oder den Baumaterialien vorliegt, also insbesondere beim Kauf eines unbebauten Grundstücks oder wenn bei Verkauf eines bebauten Grundstücks der Mangel am Grundstück und nicht am Bauwerk auftritt (OLG Hamm, Urteil vom 14.1.2016 – I-22 U 136/11). Auch der Verjährungsbeginn ergibt sich aus § 438 BGB: Bei Grundstückskäufen beginnt die Frist gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe, d.h. mit der einverständlichen Einräumung des unmittelbaren Besitzes. Ausschlaggebend ist, dass der Käufer Grundstück und Gebäude effektiv untersuchen kann, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses kommt es somit nicht an. Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend, es steht den Parteien offen einen anderen Zeitpunkt zu vereinbaren. Ein Sonderfall liegt dagegen vor, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. In diesem Fall gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, deren Beginn nach § 199 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Anspruch entstanden ist und der Käufer von dem Mangel Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. Allerdings kann die so zu ermittelnde Verjährung nicht vor Ablauf von fünf Jahren eintreten, wenn es sich um ein Bauwerk oder Baumaterial im Sinne des § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt. IV. Was Sie jetzt tun sollten - Unser Tipp Die Verjährung von Ansprüchen ist ein komplexes Thema mit nicht zu unterschätzenden praktischen Auswirkungen, insbesondere im Immobilienkaufrecht. Umso wichtiger ist es daher die maßgeblichen Verjährungsfristen im Blick zu haben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Verjährung eigener Ansprüche als auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen anderer, wenn möglicherweise die Verjährungsreinrede erhoben werden kann. Selbstverständlich sind wir Ihnen bei der Abwicklung von Immobilienkaufverträgen gerne behilflich und stehen Ihnen jederzeit für eine individuelle Beratung und Einschätzung möglicherweise abgelaufener Verjährungsfristen zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie hierzu unser Kontaktformular aus.
von Anika Brunk und Katja Wamper 27 März, 2024
Mit der Zustimmung des Bundesrates am 22.03.2024 steht dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) nichts mehr im Weg. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland und dessen Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken sowie das Steuerrecht zu vereinfachen. Im Vermittlungsausschuss haben sich jedoch weitere Änderungen des Gesetzes im Vergleich zu der am 17.11.2023 vom Bundestag beschlossenen Fassung ergeben. Zudem sind einige ursprünglich geplante Maßnahmen ersatzlos entfallen. Zuvor waren allerdings einige Regelungen des Wachstumschancengesetzes schon durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz in Kraft getreten. Dieser Beitrag stellt eine Auswahl der nun finalen Maßnahmen überblicksartig dar. I. Bilanzsteuerrechtliche Maßnahmen 1. Degressive Afa für bewegliche Wirtschaftsgüter Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter wird für einen befristeten Zeitraum abermals eingeführt. Hierbei sollen Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden. Der Abschreibungssatz darf höchstens das 2-fache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes ergeben, allenfalls aber 20 %. Dieser Abschreibungssatz ist unveränderlich. 2. Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG Unternehmen, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen abnutzbaren Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, sollen für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter eine Sonderabschreibung von bis zu 40 % der Investitionskosten im Jahr der Anschaffung/Herstellung und in den vier folgenden Jahren geltend machen können. 3. Degressive Afa für Wohngebäude Für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird oder deren Anschaffung mittels geschlossenem Vertrag in diesem Zeitraum erfolgt ist, kann eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Der degressive Abschreibungssatz beträgt 5 % vom jeweiligen Buchwert. 4. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau Die Inanspruchnahme dieser Sonderabschreibung soll für solche Baumaßnahmen gelten, mit denen aufgrund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags/Bauanzeige bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten dürfen in diesen Fällen 5.200 Euro/qm Wohnfläche nicht übersteigen. Bemessungsgrundlage sind max. 4.000 Euro/qm Wohnfläche. Diese Regelung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gelten. II. Unternehmenssteuerrechtliche Maßnahmen 1. Verlustvortrag Grundsätzlich ist der Verlustvortrag bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR (bei Ehegatten) für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den darüberhinausgehenden Teil ist der Verlustvortrag grundsätzlich auf 60% des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Dieser wird nun für die VZ 2024 bis 2027 auf 70% erhöht. 2. Option zur Körperschaftsteuer Bisher konnten nur Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren. Mit dem neuen Gesetz sollen nunmehr alle Personengesellschaften die Option haben. Die Anträge hierfür sollen bei einer Neugründung einer Personengesellschaft bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gestellt werden können. 3. Zinsschranke Bereits mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz wurden die Vorgaben der Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) in die Zinsabzugsbeschränkung mit aufgenommen. Die bisherige Konzernbezogenheit der Zinsschranke bei der Stand-alone-Klausel und bei dem Eigenkapital-Escape wurde aufgegeben. Die neuen Regelungen gelten bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2024. 4. Thesaurierungsbegünstigung Nach § 34a EStG kann auf Antrag eine Besteuerung für nicht entnommene Gewinne einer Personengesellschaft aus Gewerbetrieb, Landwirtschaft oder selbständiger Tätigkeit vorgenommen werden. Der Steuersatz beläuft sich auf 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Der begünstigungsfähige Gewinn soll nunmehr um die gezahlte Gewerbesteuer, die zur Zahlung der Einkommensteuer auf thesaurierte Gewinne entnommen wird, erhöht werden. Die Regelung soll erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 gelten. 5. Obligatorische eRechnung Ab 2028 soll die Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich an ein bundeseinheitliches Meldesystem bestehen. Die Meldung soll über eine sogenannte e-Rechnung erfolgen, die der Richtlinie 2014/55/EU entspricht und in einem strukturierten elektronischen Format verarbeitet werden kann. Ab 2025 soll mit der Einführung dieser eRechnung durch folgende Übergangsvorschriften begonnen werden: Zwischen dem 01.01.2025 und dem 31.12.2026 können bei nach dem 31.12.2023 ausgeführten Umsätzen neben den eRechnungen auch noch sonstige Rechnungen (Papierrechnungen oder Rechnungen in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden. Bis zum 31.12.2027 für einen nach dem 31.12.2026 und vor dem 01.01.2028 ausgeführten Umsatz ist die eRechnung auch obligatorisch für Rechnungsaussteller, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr (2026) der Gesamtumsatz nicht mehr als 800.000 Euro betrug. Ausgenommen von eRechnungen sind Kleinbetragsrechnungen sowie Fahrausweise. Hierzu finden Sie bereits einen Beitrag von Herrn Wu bei den Pelka Insights . III. Steuervereinfachende Maßnahmen 1. Befreiung von Kleinunternehmern von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten Bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung soll künftig die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung entfallen. Ausnahmen gelten für innergemeinschaftliche Erwerbe, Fahrzeuglieferer oder in den Fällen, wo der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Die Regelung soll erstmals für den Besteuerungszeitraum 2024 gelten. 2. Erhöhung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen Die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen soll zukünftig entfallen, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) beträgt. Diese Regelung soll ab dem Besteuerungszeitraum 2025 gelten. 3. Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht nach § 141 AO Gewerbliche Unternehmer und Land- und Forstwirte sind künftig ab einem Gesamtumsatz von 800.000 Euro (bisher 600.000 Euro) oder einem Gewinn von 80.000 Euro (bisher 60.000 Euro) im Kalenderjahr zur Buchführung verpflichtet. IV. Gestrichene Regelungen Im Vermittlungsausschuss sind jedoch einige ursprünglich geplante Maßnahmen weggefallen: Zunächst ist hier die sogenannte Klimaschutz-Investitionsprämie zu nennen, welche eine gewinnunabhängige steuerliche Förderung bestimmter klimafreundlicher Investitionen ermöglichen und so die Wirtschaft zu einem Umdenken bewegen sollte. Diese fällt nun ersatzlos weg. Ebenfalls wurde die Anhebung der Betragsgrenze von 800 EUR auf 1000 EUR bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) sowie die Erhöhung der Betragsgrenze und die Verkürzung der Auflösungsdauer von Sammelposten gestrichen. Zudem war die Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung vorgesehen, welche Mieteinnahmen steuerfrei stellte, wenn diese im Veranlagungszeitraum weniger als 1000 EUR betragen. Auch diese Maßnahme ist im Vermittlungsausschuss weggefallen. Schließlich wurde im Vermittlungsausschuss auch die Beibehaltung des Höchstbetrags für 2024 und 2025 sowie die zeitliche Erweiterung des Verlustrücktrages auf drei Jahre entfernt. Es gelten hier weiterhin die ursprünglichen Betragsgrenzen von 1 Mio. bzw. 2 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung. V. Fazit Aufgrund der umfangreichen steuerrechtlichen Änderungen kann das Wachstumschancengesetz mit einem Jahressteuergesetz verglichen werden. Mit der Zustimmung des Bundesrates steht das Wachstumschancengesetz nun unmittelbar vor Verkündung und Inkrafttreten. Es bleibt abzuwarten, ob die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen ausreichen, um die damit verbundenen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Das Entlastungsvolumen reduzierte sich von geplanten 7 Milliarden EUR auf etwa 3,2 Milliarden EUR. Dies ist insbesondere auf den Wegfall der Klimaschutz-Investitionsprämie zurückzuführen. Dennoch stellt das Wachstumschancengesetz einen ersten Schritt zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen dar. Sollten Sie zu den geplanten Maßnahmen weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie unser Kontaktformular aus.
von Di Wu 20 März, 2024
In Deutschland wird zukünftig im B2B-Bereich die Verwendung sogenannter elektronischer Rechnungen (im Folgenden auch „E-Rechnung“ genannt) obligatorisch sein. Ein im Inland ansässiger Unternehmer wird verpflichtet, für im Inland steuerbare Leistungen (die nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreit sind) eine E-Rechnung auszustellen, wenn auch der Rechnungsempfänger im Inland ansässig ist (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die geplanten Änderungen. I. Hintergrund und aktueller Stand Im Rahmen der ViDA-Initiative der EU-Kommission (ViDA steht für „VAT in the Digital Age“) ist die Einführung eines elektronischen Meldesystems geplant, das unter anderem die bisherigen Zusammenfassenden Meldungen (ZM) ersetzen soll. Ursprünglich sollten die Änderungen bereits in 2028 in Kraft treten, jedoch wird nun über eine Verschiebung auf 2030 bzw. 2032 diskutiert. Es gibt bereits eine geänderte Definition des Begriffs "Elektronische Rechnung" (Art. 217 MwStSystRL) in Vorbereitung auf diese Neuerungen. Unabhängig von der ViDA-Initiative auf europäischer Ebene hat Deutschland bereits im Sommer 2023 mit Durchführungsbeschluss des EU-Rates die Erlaubnis erhalten, abweichende Regelungen von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Bezug auf E-Rechnungen einzuführen. Diese neuen nationalen Regelungen zur E-Rechnung sind im Wachstumschancengesetz enthalten, das vom Bundestag am 17.11.2023 verabschiedet wurde. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens lief ein Vermittlungsverfahren, welches keine inhaltlichen Änderungen hinsichtlich der elektronischen Rechnungsregelungen zur Folge hatte und dessen Ergebnis seit dem 21.2.2024 vorliegt. Das geänderte Wachstumschancengesetz muss jedoch erneut vom Bundestag und (voraussichtlich am 22.3.2024) vom Bundesrat verabschiedet werden (dessen Zustimmung noch nicht gesichert ist), um in Kraft treten zu können. Dass aber die E-Rechnungspflicht in Deutschland eingeführt wird, ist nur eine Frage der Zeit. II. Was wird sich ändern? Ab dem 1. Januar 2025 müssen sich Unternehmen auf neue Begriffsdefinitionen einstellen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ff. UStG-E). Es wird zwischen elektronischen Rechnungen und sonstigen Rechnungen unterschieden. Eine elektronische Rechnung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG-E) ist demnach eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Dieses strukturierte elektronische Format muss den europäischen Normen für die elektronische Rechnungsstellung und den entsprechenden Syntaxen gemäß RL 2014/55/EU entsprechen (und somit auch der CEN-Norm EN 16931). Es ist zu beachten, dass das strukturierte elektronische Format der E-Rechnung auch zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger vereinbart werden kann (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStG-E). Jedoch müssen aus der E-Rechnung im vereinbarten Format die gesetzlich erforderlichen Rechnungsangaben richtig und vollständig extrahiert werden können, in ein Format, das der genannten europäischen Norm entspricht oder damit interoperabel ist. So sind beispielsweise auch über EDI-Verfahren ausgestellte Rechnungen unter Umständen weiterhin zulässig. Formate wie die XRechnung, die bereits im öffentlichen Auftragswesen verwendet wird, oder das hybride ZUGFeRD-Format (eine Kombination aus PDF-Dokument und XML-Datei), erfüllen diese Formatanforderungen (für ZUGFeRD ab Version 2.0.1). Auch andere Rechnungsformate, die nicht ausdrücklich genannt wurden, können grundsätzlich die Anforderungen erfüllen. Mit sonstigen Rechnungen sind dann bspw. Papierrechnung oder auch eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gemeint. III. Wer wird davon betroffen sein? Auch schon heute ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet eine Rechnung auszustellen, wenn er eine Lieferung oder eine sonstige Leistung an einen anderen Unternehmer erbringt (es sei denn, der Umsatz ist nach § 4 Nr. 8 – 29 UStG steuerbefreit). Diese Verpflichtung bleibt durch die Gesetzesänderung unverändert. Neu ist die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Die E-Rechnungspflicht betrifft zunächst nur Umsätze zwischen Unternehmen (B2B). Außerdem müssen sowohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger im Inland ansässig sein. Eine umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland ohne gleichzeitige Ansässigkeit löst per se noch keine Verpflichtung zur E-Rechnungsstellung aus. Ausnahmen von der Verpflichtung gibt es z.B. für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV), die weiterhin als "sonstige Rechnungen" übermittelt werden dürfen, also z.B. in Papierform. IV. Ab wann gilt die E-Rechnungspflicht? Grundsätzlich gilt ab dem 1. Januar 2025 die E-Rechnungspflicht. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Umsetzungsaufwands hat der Gesetzgeber mehrere gestaffelte Übergangsregelungen (§ 27 Abs. 38 UStG-E) eingeführt. Bis zum Ende des Jahres 2026 dürfen für B2B-Umsätze, die in den Jahren 2025 und 2026 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen verwendet werden. Auch sonstige Rechnungen, die nicht dem neuen Format entsprechen (also z.B. eine PDF Rechnung per Email), sind in diesem Zeitraum zulässig, jedoch ist wie bisher die Zustimmung des Rechnungsempfängers erforderlich (§ 27 Abs. 38 Nr. 1 UStG-E). Bis zum Ende des Jahres 2027 dürfen für B2B-Umsätze, die in 2027 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen oder sonstige Rechnungen verwendet werden (ggf. mit Zustimmung des Rechnungsempfängers; vgl. auch oben). Eine zusätzliche Voraussetzung ist jedoch, dass der Rechnungsaussteller einen Vorjahresumsatz (Gesamtumsatz im Sinnes des § 19 Abs. 3 UStG) von maximal 800.000 EUR hat (§ 27 Abs. 38 Nr. 2 UStG-E). Im Ergebnis müssen ab dem Jahr 2028 die neuen Anforderungen an E-Rechnungen und ihre Übermittlung dann zwingend eingehalten werden. V. Welche Auswirkungen hat das für Rechnungsempfänger? Wie bereits oben beschrieben gilt die neue E-Rechnungspflicht ab dem 1. Januar 2025. Ab diesem Zeitpunkt wird der inländische Unternehmer zwar zunächst aufgrund der Übergangsregelungen nicht zwingend zur E-Rechnungstellung verpflichtet. Dieser ist aber auch ohne Zustimmung des Rechnungsempfängers zur E-Rechnungstellung berechtigt. Insofern müssen inländische Unternehmer als Rechnungsempfänger ggf. schon ab dem 1. Januar 2025 in der Lage sein, E-Rechnungen nach den neuen Vorgaben zu empfangen und zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmer, die zwar selbst nur steuerfreie Leistungen erbringen (z.B. Wohnungsvermieter, Ärzte), mittelbar von der E-Rechnung betroffen. Denn auch diese müssen künftig in der Lage sein, elektronische Rechnungen im strukturierten Format zu empfangen und zu archivieren. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abrechnung per Gutschrift (also im umsatzsteuerlichen Sinne eine Rechnung, die vom Leistungsempfänger erstellt wird) durchzuführen, bleibt von der Gesetzesänderung unberührt. Allerdings werden zukünftig die E-Rechnungsregelungen im Hinblick auf das Gutschriftsverfahren wohl entsprechend Anwendung finden. VI. Zusammenfassung und Ausblick Die Einführung einer E-Rechnungspflicht in Deutschland wird mit Sicherheit kommen. Auch in einigen anderen EU-Ländern gibt es unabhängig von der ViDA-Initiative Bestrebungen, eigene nationale Regelungen und E-Rechnungssysteme einzuführen (Italien hat bspw. schon seit Längerem ein eigenes E-Rechnungssystem eingeführt). Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen, vor allem für solche, die grenzüberschreitend Warenlieferungen oder Dienstleistungen erbringen, mitunter herausfordernd, die Übersicht über die verschiedenen Regelungssysteme zu behalten. Mit der beabsichtigten Einführung der E-Rechnungsregelungen ergeben sich aber gleichzeitig neue Fragen, die noch zu klären sind. Offen ist unter anderem, welche Sanktionen dem Unternehmer drohen, wenn eine E-Rechnung nicht empfangen werden kann, oder welche rechtliche Folge es hat, wenn trotz Pflicht zur Erteilung einer E-Rechnung dies nicht erfolgt, etc. Insofern ist das Ergehen eines BMF-Schreibens zu den Detailfragen vor Inkrafttreten wünschenswert. Unabhängig von den gesetzlichen Entwicklungen erwarten immer mehr Unternehmen von ihren Geschäftspartnern, dass sie in der Lage sind, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu versenden. Zudem müssen Unternehmer ab dem 1. Januar 2025 ohnehin die technischen Voraussetzungen zur Entgegennahme einer E-Rechnung im Grundsatz sicherstellen. Daher wächst der Druck zur Umstellung, unabhängig von den Zeitplänen der nationalen oder EU-Gesetzgebung. Da Zeit- und Kostenaufwand für die Umstellung je nach Unternehmensgröße erheblich sein können, ist es ratsam, entsprechende Projektstrukturen zeitnah zu implementieren, sofern dies noch nicht geschehen ist. Gerne sind wir Ihnen behilflich bei der rechtlichen und technischen Umsetzung. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
20 März, 2024
Pelka berät einen Unternehmer nach dem erfolgreichem Verkauf seines ersten Start-Ups bei dem Aufbau eines international agierenden Franchise-Unternehmens der Gastronomie-Branche. In einem ersten Schritt wurde ein branchenerfahrener Geschäftsführer mit einer Minderheit am Unternehmen beteiligt. Pelka hat diesen Einstieg sowohl rechtlich als auch steuerlich begleitet, indem u.a. die notwendigen Verträge rechtlich sicher und steuerlich optimiert gestaltet wurden. Außerdem wurden bereits jetzt Optionsvereinbarungen für einen möglichen späteren Exit ausgearbeitet. Daran anschließend führte ein Investor dem Unternehmen weiteres Kapital zu. Pelka begleitet das Unternehmen auch bei diesem Schritt. Bei der Aufnahme von Investoren sind die Interessenlagen der Gründer sowie der Investoren zu berücksichtigen. Dabei gilt es, einerseits die aktuelle Situation des Unternehmens in den Blick zu nehmen und andererseits schon im Zeitpunkt des Einstiegs die prognostizierte Unternehmenssituation im Zeitpunkt des Exits bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Unsere Beratung ist darauf gerichtet, faire und praktikable Vereinbarungen zu gestalten, damit sich die handelnden Personen nach Vertragsschluss ganz auf das operative Geschäft und den Aufbau des Unternehmens konzentrieren können. Zeit- und energieraubender Unfriede zwischen den Gesellschaftern wird so vermieden. Das Mandat wurde betreut von Dr. Marc von Kopp (M&A, Corporate), Susanne Küsters (Labour Law) sowie von Dr. Eric Hoeveler (Tax und Commercial).
von Nils Pinzke 28 Feb., 2024
Bei der Vielzahl von steuerlichen Pflichten kann nur mit erheblichen Aufwand der Überblick bewahrt und diesen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen werden. Hat man dann noch ein Sonderamt inne, etwa Vereinsvorstand oder Geschäftsführer einer kleinen vermögensverwaltenden GbR, ist das steuerliche Pflichtenchaos schnell komplett. Oftmals fallen Fehler oder Versäumnisse erst im Nachhinein, wenn die Abgabefrist schon abgelaufen oder die Erklärung im Eiltempo erstellt und abgegeben worden ist, auf. Nicht immer reagieren die Finanzbehörden bei Fehlern nachsichtig. Um die Einleitung eines Strafverfahrens zu vermeiden, kann in manchem Fall eine Selbstanzeige geboten sein. I. Wichtige Straftatbestände im Steuerstrafrecht Das Steuerstrafrecht kennt eine Reihe von möglichen Delikten. Zu denken ist etwa an die Steuerhehlerei oder an den bandenmäßigen Schmuggel. Für die Steuerpflichtigen dürften allerdings die Steuerhinterziehung und die leichtfertige Steuerverkürzung die größte praktische Gefahr darstellen, wenn bei der Steuererklärung ein Fehler oder ein Versäumnis unterlaufen ist. 1. Steuerhinterziehung Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist in § 370 Abgabenordnung (AO) geregelt. Danach kann sich der Steuerpflichtige oder sein Vertreter strafbar machen, wenn er vorsätzlich den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt und hierdurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Als verkürzt im Sinne des Gesetzes gelten Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden können. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden, § 370 Abs. 4 Satz 2 AO. Die genauen steuerlichen Pflichten ergeben sich wiederum aus den einzelnen steuerlichen Spezialgesetzen. Das Gesetz sieht einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Das Strafmaß der Steuerhinterziehung erhöht sich bei einem sog. „besonders schweren Fall“ auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn die hinterzogene Steuer den Betrag von € 50.000 erreicht bzw. überschreitet. Eine Geldstrafe ist in einem besonders schweren Fall nicht möglich. 2. Leichtfertigte Steuerverkürzung Bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung handelt es sich nicht um eine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige oder sein Vertreter eine Steuerhinterziehung leichtfertig, d.h. ohne Vorsatz aber mit einem besonders großen Sorgfältigkeitsverstoß, begeht. Bei Zweifeln des Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner steuerlichen Pflichten oder seiner steuerlichen Bewertung eines Sachverhalts kann dieser angehalten sein, sich Rat bei einer fachlich qualifizierten Person einzuholen. II. Die Selbstanzeige: Schutz vor strafrechtlichen Konsequenzen Wer eine wirksame Selbstanzeige zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart abgibt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft. Sollte allenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung im Raum stehen, wird im Fall einer wirksamen Selbstanzeige kein Bußgeld festgesetzt. Sowohl bei der Steuerhinterziehung als auch bei der leichtfertigen Steuerverkürzung müssen allerdings für die Straffreiheit die hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern sowie etwaige (Hinterziehungs-)Zinsen innerhalb einer angemessen Frist entrichtet werden. Die strafbefreiende Wirkung bezieht sich dabei allein auf die Steuerstraftat und nicht auf etwaig mitverübte Straftaten wie etwa Urkundenfälschung oder Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Die Straffreiheit ist indes nicht mit der Steuerfreiheit zu verwechseln. Zwar kommt es nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen, das Steuerverfahren und mithin auch die Steuerforderungen werden nicht beseitigt, wenn die Selbstanzeige erfolgreich ist. III. Sperrgründe für eine Selbstanzeige Sollte der Weg einer Selbstanzeige beschritten werden, sollte vorab geprüft werden, ob dieser Weg noch gangbar ist. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur straf- bzw. bußgeldbefreienden Selbstanzeige in einigen Konstellationen gesperrt. Eine Selbstanzeige kann daher in den nachfolgenden Situationen zu spät sein, sie entfaltet dann keine strafbefreiende Wirkung mehr. 1. Sperrgründe bei der Steuerhinterziehung Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftat dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Dies betrifft Fälle der sog. Außenprüfung bzw. Betriebsprüfung. Die Sperrung der Selbstanzeige erstreckt sich in diesen Fällen auf den zeitlichen und sachlichen Umfang der Außenprüfung. Dies gilt auch, wenn dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (wirksam) bekannt gegeben worden ist. Entsprechend greift die Wirkung der Selbstanzeige ebenfalls nicht ein, wenn ein Amtsträger (der Finanzbehörde) zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit persönlich vorstellig wird bzw. im Sprachstil des Gesetzgebers „erschienen“ ist. Für den Sonderfall einer Umsatzsteuer-Nachschau, einer Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften gilt das zuvor ausgeführte entsprechend, wobei der Amtsträger sich bei Erscheinen auch ausweisen können muss. Einen weiteren Sperrgrund stellt es dar, wenn eine Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Steuerpflichtige dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Wann eine Tat als entdeckt gilt, ist anhand des Einzelfalls zu prüfen. Mitunter kann auch schon die Entdeckung einer Tat im Ausland durch ausländische Behörden ausreichen. Zudem entfaltet die Selbstanzeige grundsätzlich auch dann keine strafbefreiende Wirkung, wenn die hinterzogene Steuer oder der erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil je Tat einen Betrag von € 25.000 übersteigt. Dasselbe gilt, unabhängig vom jeweils hinterzogenen Betrag, sofern ein in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO genannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt. Dies ist etwa der Fall, wenn bei der Steuerhinterziehung nachgemachte oder verfälschte Belege verwendet worden und fortgesetzt Steuern verkürzt worden sind. In diesen Fällen kann jedoch von der Strafverfolgung abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige oder ein sonstiger an der Tat Beteiligter die verkürzten Steuern (inkl. Zinsen) entrichtet und zusätzlich einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse in Höhe von 10% bis 20% des Hinterziehungsbetrags zahlt. 2. Sperrgrund bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung Da es bei der leichtfertigen Steuerverkürzung kein „Wissen“ um eine etwaige Steuerverkürzung gibt, gibt es hier nur einen Sperrgrund, der die Wirksamkeit der Selbstanzeige hindert: Dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter darf die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der gegenständlichen Tat nicht bekannt gegeben worden sein. Die Bekanntgabe richtet sich dabei nach den allgemeinen Vorschriften. IV. Fazit Sollte sich im Nachhinein zeigen, dass bei der Abgabe einer Erklärung ein Fehler unterlaufen oder eine Abgabefrist versäumt worden ist, ist eine Korrektur durch den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter vorzunehmen. Frei nach dem Motto „better safe than sorry“ sollte dann auch immer daran gedacht werden, ob die Nacherklärung im Zweifel auch den Anforderungen einer Selbstanzeige genügt. Die Reaktionen der verschiedenen Finanzämter unterscheiden sich stark und lassen sich im Vorfeld nicht immer abschätzen. Sollte die Korrektur letztlich auf eine Selbstanzeige hinauslaufen, sollte der Steuerpflichtige oder sein Vertreter stets bedenken, dass die Selbstanzeige ihre Wirkung nur entfalten kann, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen gänzlich entspricht. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
21 Feb., 2024
Pelka führte für eine Mandantin ein erfolgreiches finanzgerichtliches Klageverfahren mit dem Ziel der Auszahlung des Kindergeldes während der gesamten Ausbildungszeit. Im Kern wurde um die Frage gestritten, ob die Familienkasse eine sog. mehraktige Ausbildung zwischen Ausbildungsabschluss und Studium beim Berufsziel Steuerberater anerkennen muss. Das Kind der Mandantin hatte zunächst die Ausbildung zur Steuerfachangestellten absolviert und danach in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Nach dem Ende der Ausbildung strebte das Kind ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Steuern an. Zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Studienbeginn lagen einige Monate, währenddessen das Kind im Ausbildungsbetrieb zur Überbrückung arbeitete. Die Familienkasse stellte die Kindergeldzahlungen ein und blieb bis zur Klageerhebung der Ansicht, dass jede Ausübung einer Berufstätigkeit für den Kindergeldanspruch schädlich sei und jede folgende Ausbildungsmaßnahme eine nebenberufliche Weiterbildung des Kindes darstelle. Nach Klageerhebung beschied die Familienkasse innerhalb kurzer Zeit, dass vorliegend Kindergeld für den gesamten Ausbildungszeitraum auszuzahlen sei. Durch die Klage konnte die Familienkasse dazu bewegt werden, eine mehraktige Berufsausbildung zwischen der Absolvierung der Ausbildung des Steuerfachangestellten und dem nachfolgenden Studium anzuerkennen. Vorliegend war auch entscheidend, dass eine etwaig ausgeübte Nebentätigkeit neben der Ausbildung und dem Studium in den Hintergrund tritt, anderenfalls hätte dies den Kindergeldanspruch gefährden können. Das Verfahren führten die Rechtsanwälte Nils Pinzke und Julia Weber (beide Asscociate). Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Edgar Hommelsheim 21 Feb., 2024
I. Sachverhalt Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einem Grundsatzurteil geklärt, welche baulichen Veränderungen Wohnungseigentümer verlangen können, um einen barrierefreien Zugang zu ihren Wohnungen zu erhalten. Im Streitfall geht es um ein in den Jahren 1911 und 1912 errichtetes mehrgeschossiges Wohngebäude, bestehend aus einem Vorderhaus und einem Hinterhaus. Letzteres war früher ein sog. Gesindehaus, in dem ursprünglich die Bediensteten wohnten, mit einem sehr engen, weniger als einem Meter breiten Treppenhaus, das den Einbau eines Treppenlifts nicht zulässt. Zwei ältere Wohnungseigentümer, deren Wohnungen sich im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses befinden, wollen dort auf eigene Kosten einen Außenaufzug anbringen lassen, um einen einfacheren Zugang zu ihren Wohnungen zu erhalten. Auf einer Eigentümerversammlung lehnte die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Errichtung eines Außenaufzugs jedoch u. a. mit der Begründung ab, ein Außenaufzug stelle eine große bauliche Maßnahme dar, in deren Folge der Innenhof noch enger und der Platz für Fahrräder und Mülltonnen unnötig eingeschränkt würde. Die beiden Wohnungseigentümer haben ihre Ansprüche gerichtlich geltend gemacht und mit ihrer Klage beantragt, einen zustimmenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Errichtung des Außenaufzugs für das Hinterhaus gerichtlich zu ersetzen. Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht (LG) München I entschieden, dass auf Verlangen der Kläger durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen ist, dass am Hinterhaus ein Personenaufzug zu errichten ist. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hat der BGH mit Urteil vom 09.02.2024 – V ZR 244/22 – zurückgewiesen und die Entscheidung des LG München I bestätigt. II. Rechtslage Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Neufassung der Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) kann jeder Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen. III. Entscheidung des BGH Mit seiner Entscheidung hat der BGH insbesondere geklärt, dass bauliche Veränderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 WEG auch dann zulässig sind, wenn sie eine Sondernutzungsbefugnis zur Folge haben (siehe unten 1.), und was unter „angemessenen baulichen Veränderungen“ im Sinne des § 20 Abs. 2 WEG zu verstehen ist (siehe unten 2.). 1. Nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Gesetzeslage hätten die Kläger keinen Anspruch auf die Errichtung des Außenaufzugs gehabt, weil dieser nur ihnen im Wege eines Sondernutzungsrechts zur Verfügung steht und die übrigen Wohnungseigentümer entgegen § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG aF (jetzt § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG) vom Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen werden. Eine solche bauliche Veränderung hätte daher nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Gesetzeslage einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedurft und nicht Gegenstand einer den Beschluss ersetzenden gerichtlichen Entscheidung sein können. Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Gesetzeslage können Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung grundsätzlich auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum zur Folge hat; einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedarf es hierfür nicht mehr. Dies ergibt sich aus § 21 WEG und den in dieser Vorschrift enthaltenen Regelungen über die Kosten und Nutzen bei baulichen Veränderungen: Wird auf Verlangen eines Wohnungseigentümers eine bauliche Veränderung durchgeführt, so hat er gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG die Kosten allein zu tragen und nur ihm gebühren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG die Nutzungen, sofern ein ausschließlicher Gebrauch des baulich veränderten Gemeinschaftseigentums möglich ist. Nach Auffassung des BGH kommt in diesen Regelungen zum Ausdruck, dass mit der Reform des Wohnungseigentumsrechts eine Beschlussfassung über bauliche Veränderungen gerade auch dann ermöglicht werden sollte, wenn dies eine ausschließliche Nutzungsbefugnis zur Folge hat; hierin bestand ein erklärtes Ziel der Reform des Wohnungseigentumsrechts. 2. Die Errichtung eines Außenaufzugs stellt auch eine angemessene bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG dar, weil sie dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient. Das Kriterium der Angemessenheit einer baulichen Veränderung im Sinne dieser Vorschrift dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, im konkreten Einzelfall unangemessene Forderungen eines Wohnungseigentümers zurückweisen zu können. Eine bauliche Veränderung, die einem der in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Zwecke dient, ist nach Auffassung des BGH regelmäßig angemessen und die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise, z. B. aufgrund außergewöhnlicher baulicher Gegebenheiten, zu verneinen, wenn die bauliche Veränderung bei der Gesamtheit der davon betroffenen Wohnungseigentümer zu Nachteilen führt, die bei wertender Betrachtung außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Nachteile, die typischerweise aufgrund einer privilegierten baulichen Veränderung eintreten, begründen regelmäßig nicht deren Unangemessenheit. a) Typischerweise eintretende Nachteile, wie etwa erforderliche Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungsbeschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen des Gebäudes aufgrund von Anbauten, können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen. Insoweit hat bereits das LG München I nach Auffassung des BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass Nutzungseinschränkungen im Bereich des Innenhofs aus Rechtsgründen nicht als ausreichend angesehen werden können, um die verlangte Errichtung eines Außenaufzugs als unangemessen anzusehen. b) Bei der Abwägung, ob eine bauliche Veränderung angemessen ist, sind regelmäßig nur solche Folgen relevant, die sich für die Gesamtheit der Wohnungseigentümer negativ auswirken. Dies beruht darauf, dass das Gesetz Beeinträchtigungen einzelner Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 4, Halbsatz 1, Alt. 2 WEG (unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers) berücksichtigt; solche individuellen Nachteile können daher nicht zugleich die Angemessenheit einer privilegierten baulichen Veränderung per se beseitigen. Es muss sich zudem um Nachteile handeln, die unabhängig von der Art und Weise der Bauausführung, einschließlich der konkreten baulichen Details, eintreten und nicht durch bestimmte Bedingungen und Auflagen gemäß § 20 Abs. 2 WEG beseitigt bzw. abgemildert werden können. c) Die Kosten der baulichen Veränderung sind grundsätzlich ohne Bedeutung für das Bestehen eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG; sie sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG von dem die bauliche Veränderung verlangenden Wohnungseigentümer zu tragen. Der Begriff der Kosten in § 21 WEG ist weit auszulegen und umfasst auch Folgekosten des Gebrauchs und der Erhaltung des baulich veränderten Gemeinschaftseigentums, die etwa durch erhöhte Versicherungsprämien, die Wahrnehmung von Kontroll- und Überwachungspflichten oder durch Wartung und Reparatur entstehen. IV. Bedeutung der Entscheidung des Landgerichts München Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber ein gesamtgesellschaftliches Interesse an den gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WEG privilegierten baulichen Veränderungen zugrunde gelegt, deren ggf. negative Folgen dem objektiven Nutzen der Maßnahmen für die Erreichung der gesetzlich verfolgten Zwecke gegenüberzustellen sind, was nur ausnahmsweise zu einer Unangemessenheit einer baulichen Veränderung führen kann. V. Fazit Wie schon im Mietrecht, wo der Mieter gemäß § 554 Abs. 1 BGB vom Vermieter die Vornahme baulicher Veränderungen verlangen kann, die u. a. den barrierefreien Gebrauch der Mietsache durch Menschen mit Behinderungen ermöglichen, hat der Gesetzgeber mit der Novellierung des Wohnungseigentumsrechts in § 20 Abs. 2 WEG auch entsprechende Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer normiert. Wenn Sie als Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 WEG Ansprüche auf Gestattung baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums geltend machen wollen, dann beraten wir Sie gerne. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Susanne Küsters 31 Jan., 2024
Die Arbeit im Home-Office ist aus der heutigen Arbeitswelt nicht mehr wegzudenken. Nach Angabe des Statistischen Bundesamts waren in Deutschland im Jahr 2022 24,2% aller Erwerbstätigen zumindest gelegentlich im Home-Office tätig (sog. Hybrid Working). Die Anzahl der Beschäftigten, die ausschließlich im Home-Office arbeiten, beziffert das Statistische Bundesamt für dasselbe Jahr auf rund 2,285 Millionen. Dies entspricht einer Vervierfachung im Verhältnis zum entsprechenden Wert vor der Corona-Pandemie. Doch was passiert, wenn eine einmal getroffene Home-Office-Vereinbarung gekündigt werden soll – etwa, weil nach dem Abklingen der pandemiebedingten Einschränkungen aus Sicht des Arbeitgebers kein Bedarf mehr besteht – der Arbeitnehmer die Beendigung der Vereinbarung aber ablehnt? Wann und wie können Arbeitgeber Home-Office-Vereinbarungen kündigen? I. Worum geht es? Mit der Kündigung einer Home-Office-Vereinbarung wird der Inhalt des Arbeitsverhältnisses hinsichtlich des Arbeitsortes einseitig geändert. Eine solche einseitige Änderung der arbeitsvertraglichen Bedingungen bezeichnet man als „Teilkündigung“. Im Gegensatz zur „regulären“ Kündigung wird hierbei nicht das gesamte Arbeitsverhältnis beendet, sondern lediglich ein selbständiger, abtrennbarer Teil, in der Regel eine Zusatzvereinbarung. Grundsätzlich gilt im Arbeitsrecht, dass Teilkündigungen unzulässig sind und daher nicht wirksam ausgesprochen werden können. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird nämlich durch die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen gegen den Willen einer Partei das Äquivalenz- und Ordnungsgefüge des Arbeitsvertrags gestört. Die kündigende Vertragspartei entziehe sich der Vertragsbindung, ohne gleichzeitig auf ihre Rechte aus der Bindung der anderen Partei zu verzichten (BAG, Urteil vom 07.10.1982 - 2 AZR 455/80). Der Grundsatz der Unzulässigkeit einer Teilkündigung muss daher bei der Kündigung von Home-Office-Vereinbarungen berücksichtigt werden. Zwar können Teilkündigungsrechte vereinbart werden, diese unterliegen aber strengen Voraussetzungen. Insbesondere müssen sie einer AGB-Kontrolle standhalten und dürfen den Arbeitnehmer somit nicht unangemessen benachteiligen und nicht missverständlich formuliert sein. Mit Urteil vom 16.03.2023 hat das Landesarbeitsgericht Hamm (Az.: 18 Sa 832/22) über die Wirksamkeit einer solchen Teilkündigungsvereinbarung entschieden, die Voraussetzungen für eine solche anschaulich dargestellt und so einen Ausblick auf die mögliche Gestaltung von Home-Office-Vereinbarungen gewährt. II. Zum Urteil In dem vom Landesarbeitsgericht Hamm zu beurteilenden Sachverhalt stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Zusatzvereinbarung, nach welcher der Kläger seine Arbeitsleistung grundsätzlich im Home-Office verrichtete und nur bei Bedarf in den Unternehmensräumen arbeiten musste. Die im Zentrum der Entscheidung stehende Regelung der Zusatzvereinbarung bestimmte, dass die Zusatzvereinbarung mit dem Ende des zugrundeliegenden Arbeitsverhältnisses ende, wenn sie nicht vorher durch eine der beiden Parteien gekündigt werde. Nach einer länger andauernden Erkrankung des Klägers kündigte die Beklagte die Zusatzvereinbarung, um den Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers in den Innendienst zu verlagern. Daraufhin machte der Kläger gerichtlich die Unwirksamkeit der Teilkündigung geltend. Die vorstehend geschilderte Regelung sei unwirksam, weil sie gegen das Transparenzgebot verstoße und arbeitsrechtliche Vorschriften umgehe. Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, die anschließende Berufung war erfolgreich. Das Landesarbeitsgericht Hamm verwies zunächst auf die Rechtsprechung des BAG zum Grundsatz der Unwirksamkeit von Teilkündigungen. Deren Unzulässigkeit beruhe darauf, dass gegen den Willen des Vertragspartners keine einseitige Änderung von Vertragsbedingungen möglich sei. Im zu entscheidenden Fall liege jedoch gerade keine Änderung der Vertragsbedingungen gegen den Willen des Vertragspartners vor, da die Vereinbarung explizit die Möglichkeit der Kündigung der betroffenen Vertragsbedingung vorsehe. Die Vertragsparteien mussten sich also darüber im Klaren sein, dass die Regelung zum Home-Office von der jeweils anderen Partei gegen ihren Willen beendet werden konnte. Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Regelung sei allerdings, dass die Kündigungsmöglichkeit gleichermaßen für beide Parteien gelte und eine Weisung zum neuen Arbeitsort vorliege. Auch sei die Vereinbarung selbst nicht unwirksam. So verletze sie keine zwingenden Kündigungsschutzvorschriften, da sie nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sondern lediglich den Ort der Tätigkeit betreffe, welcher kündigungsrechtlich nicht besonders geschützt sei. Eine Unwirksamkeit ergebe sich auch nicht aus einem Verstoß gegen AGB-Recht. Das Gericht führte hierzu aus, die Tätigkeit im Home-Office sei keine wechselseitige Vertragspflicht, sondern betreffe nur den Ort der Arbeitsleistung, der vom Direktionsrecht des Arbeitgebers umfasst sei. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass die Kündbarkeit der Zusatzvereinbarung nur eine eingeschränkte Rechtsposition des Klägers betreffe und ihm diese auch nicht vollständig genommen werde, da er durch die Zusatzvereinbarung keinen Anspruch auf eine ausschließliche Tätigkeit im Home-Office erlangt habe und auch nach dem nunmehr wieder geltenden Arbeitsvertrag grundsätzlich im Home-Office arbeiten könne. Schließlich sei das spezifische Anpassungs- und Flexibilisierungsbedürfnis des Arbeitsrechts zu berücksichtigen. Die Vereinbarung sei daher nicht unangemessen benachteiligend. Die Teilkündigung der Home-Office-Regelungen des Klägers sei daher insgesamt wirksam. III. Sonstige Rechtslage Mit seiner Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Hamm die Weichen für die Wirksamkeitsprüfung individualvertraglich vereinbarter Teilkündigungsrechte gestellt. Wenn die Parteien einer Home-Office-Vereinbarung für diese ein Teilkündigungsrecht vereinbaren, so muss die Kündigungsmöglichkeit beiden Parteien gleichermaßen zustehen. Anderenfalls droht die Unwirksamkeit der Teilkündigung wegen des entgegenstehenden Willens der nicht teilkündigungsberechtigten Partei. Es ist ferner zu berücksichtigen, dass die Teilkündigungsrechte nicht unklar formuliert und auch nicht unangemessen benachteiligend sein dürfen, wobei die Interessen beider Parteien zu beachten sind. Schließlich muss entweder bereits im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Teilkündigungsrechtes selbst oder jedenfalls im Rahmen der Ausübung ein neuer Arbeitsort festgelegt werden. Soweit Home-Office-Vereinbarungen dagegen nicht individualvertraglich, sondern mittels Betriebsvereinbarung getroffen werden, ist auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 11.05.2021 (Az.: 7 Sa 289/20) hinzuweisen. Hier argumentierte das Gericht, ebenfalls unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Unzulässigkeit von Teilkündigungen, dass es sich bei der Home-Office-Vereinbarung um eine nach dem Gesamtbild des Vertrags selbständig lösbare Vereinbarung handle und das Teilkündigungsrecht daher keine Umgehung des Kündigungsschutzes darstelle, weil der Arbeitsvertrag selbst bestehen bleibe. Auch im Hinblick auf die AGB-Kontrolle und die Bedeutung des Weisungsrechts des Arbeitgebers zum Arbeitsort, decken sich die Ausführungen der beiden Landesarbeitsgerichte. Schließlich kann es – gerade bei Pandemie-Sachverhalten – vorkommen, dass das Home-Office nicht zwischen den Parteien vereinbart, sondern vom Arbeitgeber einseitig angeordnet wurde. In einem solchen Fall vertrat das Landesarbeitsgericht München am 26.08.2021 (Az.: 3 SaGa 13/21) die Auffassung, dass es bei einem Vorliegen betrieblicher Gründe auch vom Weisungsrecht des Arbeitgebers umfasst sei, die Rückkehr aus dem Home-Office anzuordnen. Trotz dieser recht aussagekräftigen Urteile verschiedener Landesarbeitsgerichte darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es bisher an höchstrichterlicher Rechtsprechung fehlt und die verschiedene Gerichte und Instanzen entsprechende Sachverhalte möglicherweise unterschiedlich bewerten werden. IV. Was Sie jetzt tun sollten – unser Tipp Wie soeben dargestellt, ist die Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn ein Teilkündigungsrecht individualvertraglich oder im Rahmen einer Betriebsvereinbarung vereinbart worden ist. Der Grundsatz der Unzulässigkeit von Teilkündigungen ist insofern kein unüberwindbares Hindernis. Im besten Fall wird eine schriftliche Vereinbarung darüber getroffen, ob und wie die Tätigkeit im Home-Office beendet werden kann. In Betracht kommt etwa eine befristete Vereinbarung, eventuell auch mit sachlichem Grund, oder eben ein beidseitiges, klar definiertes Widerrufs- bzw. Kündigungsrecht. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung, bleibt dem Arbeitgeber in der Regel nur der Weg über eine Änderungskündigung, über die ggfs. das Arbeitsgericht entscheiden wird. Es ist davon auszugehen, dass in der nächsten Zeit noch weitere Urteile zum Thema der Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen gefällt werden. Außerdem bleibt abzuwarten, wie sich das Bundesarbeitsgericht zu dieser Frage positionieren wird. Selbstverständlich sind wir Ihnen bei der Beendigung von Home-Office-Vereinbarungen gerne behilflich und stehen Ihnen jederzeit für eine individuelle Beurteilung einer Vereinbarung oder die Umsetzung eines Beendigungsvorhabens ebenso zur Verfügung wie für den Entwurf einer solchen Vereinbarung. Wir danken unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin Alexa Gablenz für die tatkräftige Unterstützung zu diesem Beitrag. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Barbara Anzellotti 17 Jan., 2024
I. Einleitung Das häufigste Instrument der Mietanpassung ist die Indexmiete. Zudem ist auch die Staffelmiete in der Praxis vorzufinden, die nach der letzten Mietrechtsnovelle nun auch zeitlich unbegrenzt möglich ist. Beide Gestaltungsmöglichkeiten beschäftigen die Rechtsprechung regelmäßig und können als „Dauerbrenner“ bezeichnet werden. So entschied etwa der BGH, Urteil vom 26.05.2021, VIII ZR 42/20, dass formularvertragliche Indexmietvereinbarungen zur Wahrung des Transparenzgebots (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) keiner Angabe des Basisjahrs oder der gesetzlichen Wartefrist bedürfen. Mit Urteil vom 12.7.2023, VIII ZR 60/22, äußerte sich der BGH zum Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Erteilung von Auskunft gemäß § 556g Abs. 3 BGB im Fall einer Staffelmiete. Bei langfristigen Mietverträgen besteht auf beiden Seiten ein Interesse an einer planbaren und marktgerechten Miete. Mit diesem Beitrag geben wir Ihnen einen Einblick in die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der Mietanpassung und die damit verbundenen Risiken. Der Fokus des Beitrags liegt auf der Index- und der Staffelmiete. II. Was ist die Indexmiete? 1. Begriff und Rahmenbedingungen Im Rahmen einer Indexmiete werden künftige Mietanpassungen an die Entwicklung des vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex (VPI) gekoppelt. Mieten können sich daher in der Zukunft nach oben oder - zumindest theoretisch - nach unten entwickeln. Faktisch gibt es seit Einführung des VPI jedoch nur Indexsteigerungen. Nicht so häufig, aber doch immer wieder findet sich die Formulierung „Mieterhöhung“ anstelle von „Mietanpassung“ in Indexierungsvereinbarungen. Dies kann als unangemessene Benachteiligung im Rahmen der AGB-Verwendung zur Unwirksamkeit der gesamten Mietindexregelung führen und somit die Miete für die Dauer der Restlaufzeit des Mietvertrages „einfrieren“. Leicht verwechselt bei der Vereinbarung einer Indexmiete werden weiterhin Prozent und Prozentpunkte. Einfacher im Umgang sind die Prozentpunkte als Referenz. Die Indexmiete kann nur schriftlich vereinbart werden. Im Gewerbemietrecht ist zusätzlich eine Mindestlaufzeit von 10 Jahren zu beachten. Auch darf die Miete nicht willkürlich oder unbegrenzt oft erhöht werden. Eine Erhöhung darf grundsätzlich nur einmal im Jahr stattfinden und die letzte Anpassung muss mindestens 12 Monate zurückliegen. Jede Mietanpassung ist – jedenfalls im Wohnmietrecht – von der jeweiligen Partei durch Erklärung in Textform geltend zu machen. Die geänderte Miete gilt dann mit Beginn des übernächsten Monats, nach dem Zugang der Erklärung. Im Gewerbemietrecht kann demgegenüber alles frei vereinbart werden, wie bspw. eine automatische Mietanpassung oder eine Mietanpassung erst mit Geltendmachung für die Zukunft. Im Wohnraummietrecht gilt bei der Indexmiete die Besonderheit, dass die Mietpreisbremse nicht im Laufe der Mietzeit gilt, sondern nur für die Anfangsmiete bei Anmietung. Während der Mietzeit greift im Hinblick auf die Wohnmiethöhe als einziger legitimer Einwand der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 2 WiStG (Wirtschaftsstrafgesetz). Danach ist Voraussetzung, dass infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die Miete die üblichen Entgelte um mehr als 20 % übersteigt. Es mag durchaus heute vorkommen, dass tatsächlich indexierte Wohnmieten 20 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Die zweite Voraussetzung des Ausnutzens der Zwangslage dürfte aber in der Regel nicht erfüllt sein. Denn dann müsste ein Mietwucher bereits zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses angelegt sein. Die Mietpreisüberhöhung und das Ausnutzen des geringen Wohnangebots müssen nach dem Gesetzestext beide gleichzeitig vorliegen und das knappe Wohnraumangebot kausal für die Mietpreisüberhöhung sein. Der Nachweis wird selten gelingen. Bei einer wirksam vereinbarten Indexmiete sind z.B. Mieterhöhungen nach einer Modernisierungsmaßnahme (mit Ausnahme von Maßnahmen, die gesetzlich oder behördlich angeordnet worden sind und der Vermieter nicht zu vertreten hat) ausgeschlossen. Außerdem bleibt die Miete bei Änderungen der ortsüblichen Vergleichsmiete, insbesondere bei der Veröffentlichung eines neuen Mietspiegels, unberührt. Die Indexierung führt in der Praxis zu einem für den Eigentümer vorteilhaften Inflationsausgleich der Miete und sichert somit den Werterhalt der Immobilie. Eine Indexmiete ist besonders attraktiv, wenn der VPI schneller steigt als die ortsübliche Vergleichsmiete, wie wir es derzeit erleben. 2. Spielarten bei der Indexmiete Die Indexmiete kann sowohl im Wohn- als auch Gewerbemietrecht weitgehend frei vereinbart werden. Es steht den Parteien frei, ob die Indexierung bereits ab Mietbeginn oder erst ab einem späteren Zeitpunkt gilt. Ebenso können die Parteien vereinbaren, auf welcher Basis der jeweilige Vergleich erfolgen soll, ob immer auf Basis der bei Mietbeginn vereinbarten Miete oder, wie es am meisten anzutreffen ist, auf Basis der letzten Anpassung der Miete. Schließlich bleibt auch – je nach Verhandlungsposition – die Anpassung um nur einen Prozentsatz der Veränderung des VPI möglich, wie beispielweise 80/100. Bei Ankermietern sind durchaus auch 50/100 anzutreffen. III. Was ist die Staffelmiete? 1. Begriff und Rahmenbedingungen Die Staffelmiete ist eine vertraglich vorgesehene, gestaffelte Mieterhöhung. Im Gegensatz zur Indexmiete steigt die Miete in der Regel um einen fixen Betrag. Gem. § 557a BGB muss eine Mietstaffel jedoch mindestens ein Jahr lang unverändert bleiben. Wenn das Mietverhältnis also z.B. am 01.01.2023 begonnen hat, kann sich die Miete i.H.v. 2.000 € mit Wirkung zum 01.01.2024 um 100 € und somit auf 2.100 € erhöhen. Im Wohnmietrecht sind auch bei Staffelmieten allerdings Gebiete mit angespannter Wohnungslage zu beachten: Erhöhungen müssen mit der Mietpreisbremse vereinbar sein und die einzelnen Staffeln dürfen nach §§ 556d, 557a Abs. 4 BGB nicht über 10 % der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Ein klarer Vorteil der Staffelmiete im Rechtsverkehr ist, dass die Miete sowohl für Mieter als auch Vermieter für die Zukunft vorhersehbar und kalkulierbar bleibt. Mit der Vereinbarung einer Staffelmiete geht ein nur geringer bürokratischer Aufwand einher, da die Anpassung automatisch in bereits bekannter Höhe erfolgt. Dabei ist es besonders vorteilhaft für den Mieter, dass während der Staffelmietlaufzeit keine Mieterhöhungen aufgrund von Modernisierungsarbeiten zulässig sind. Ein Aspekt, der für den Eigentümer womöglich von Vorteil ist, könnte aber auch für den Mieter von Nachteil sein: Bei einer Staffelmiete gibt es keine Pflicht zur Einhaltung der allgemeinen Mieterhöhungsgrenze, nach der innerhalb von drei Jahren maximal 15–20 % Erhöhung zulässig sind. Im Wohnmietrecht ist dieser Aspekt allerdings zu vernachlässigen, da hier ohnehin die Mietpreisbremse greift. 2. Spielarten bei der Staffelmiete Eine Besonderheit der Staffelmiete – jedoch nur im Wohnmietrecht – ist die Möglichkeit der Vereinbarung eines Ausschlusses der ordentlichen Kündigung, wodurch die Dauer des Mietvertrages abgesichert werden kann. Das Kündigungsrecht kann allerdings nur für höchstens vier Jahre seit Abschluss der Staffelmietvereinbarung ausgeschlossen werden. Eine vorherige Kündigung ist dann unzulässig. Um für den Mieter eine Kündigung ausnahmsweise trotzdem zuzulassen, ohne dass die Einnahmen durch die Vermietung der Wohnung nennenswert gefährdet sind, eignen sich Nachmieterklauseln. Im Gewerbemietrecht gelten keine Begrenzungen dieser Art. Eine weitere Gestaltungsmöglichkeit ist die Kombination von S taffel- und Indexmiete. Rechtssicher ist dabei jedoch nur die zeitlich gestufte Kombination. Der Vermieter kann dem Mieter mit der Staffelmiete zu Mietbeginn entgegenkommen. In dem Zeitraum nach Erreichen der letzten Staffel kann anschließend die Indexmiete vereinbart werden. Wer dies nicht schon von Beginn an vereinbaren möchte, kann zumindest im Gewerbemietrecht den Mietvertrag zunächst zeitlich beschränken, um zukünftig neu in die Verhandlungen einzusteigen. Eine Vermengung der beiden Anpassungsmöglichkeiten ist dagegen jedenfalls angreifbar. So entschied das OLG Brandenburg, Urteil vom 19.08.2009, 3 U 135/08, dass eine Vereinbarung, wonach die Staffelmiete nur das Mindestmaß der Steigerung festlegt, bei höherer Indexsteigerung aber die Indexierung gilt, eine unangemessene Benachteiligung darstellt und folglich insgesamt unwirksam war. IV. Tipp In der Praxis bieten sich sowohl die Index- als auch die Staffelmiete an, um die Miethöhe an die konkreten Bedürfnisse und Umstände anzupassen. Gerade in Zeiten außergewöhnlich hoher Indexveränderungen, wie wir sie aktuell erleben, ist die Bedeutung der Indexmiete nicht zu unterschätzen. Obwohl sie sich grundsätzlich in beide Richtungen entwickeln kann, ist sie für die unmittelbare Zukunft faktisch als Mieterhöhungsinstrument einzuordnen. Demgegenüber ermöglicht es die Staffelmiete, die Miete für die Zukunft vorhersehbar und kalkulierbar zu erhöhen. Sie ist daher bei einem besonderen Sicherheitsbedürfnis der Parteien zu bevorzugen, da ihre Entwicklung bei Abschluss des Mietvertrags fixiert wird. Bei der rechtssicheren Gestaltung Ihres Mietvertrages unterstützen wir Sie gerne. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
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