Reform des Stiftungsrechts – Die zentralen Punkte der gesetzlichen Neuregelungen und ihre Bedeutung für Stiftungen 

Mit Verabschiedung des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch den Bundestag und Bundesrat am 24. und 25.6.2021 und dessen Verkündung am 22.7.2021 (BGBl. I S. 2947), schafft der Gesetzgeber im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nun bundeseinheitliche Rechtsvorschriften für rechtsfähige Stiftungen. Bisher wurde das Stiftungsrecht im Vergleich dazu partiell im BGB, weitestgehend aber in teilweise sehr unterschiedlichen Landesstiftungsgesetzen geregelt. Die Stiftungsrechtsreform führt nun einerseits zu einer Rechtsvereinheitlichung und wird andererseits Unterschiede zwischen den Bundesländern im Hinblick auf die Ausübung der Stiftungsaufsicht abbauen. Die neuen Vorschriften sind zwar erstmalig am 1.7.2023 anwendbar, entfalten aber gleichwohl bereits jetzt eine Art Vorwirkung und können die Anpassung von Satzungen bereits bestehender Stiftungen erforderlich machen. Betroffen von der Reform sind ca. 23.000 Stiftungen, wovon mehr als 90% gemeinnützige Zwecke verfolgen. Der nachfolgende Beitrag fasst die wesentlichen Eckpunkte der Reform zusammen.

I. Hintergrund

Das Stiftungszivilrecht, welches die Entstehung und die Verfassung einer rechtsfähigen Stiftung regelt, wird bisher einerseits noch in den §§ 80 ff. BGB a.F. und anderseits in den Stiftungsgesetzen der Bundesländer geregelt. Aufgrund dieser Aufspaltung traten bisweilen unterschiedliche Streitfragen und Rechtsunsicherheiten auf. So war bspw. in Teilen unklar, welche Vorgaben in den Landesstiftungsgesetzen durch eine bereits vorhandene bundesgesetzliche Regelung im BGB suspendiert werden. Zudem wichen die Vorschiften zwischen den Landesstiftungsgesetzen selbst voneinander ab. Darüber hinaus waren auch Unterschiede hinsichtlich der Praxis der jeweiligen Aufsichtsbehörden in der Rechtsauslegung und -anwendung erkennbar. 

Mit der Neufassung der §§ 80 ff. BGB soll jedenfalls den bisher bestehenden Unterschieden entgegengewirkt werden, indem das Stiftungszivilrecht künftig auf Bundesebene im BGB vereinheitlicht wird. Aus bislang neun Paragraphen des BGB werden nunmehr 36. Darunter fallen sowohl die Neufassung bereits bestehender als auch die Einführung gänzlich neuer Bestimmungen. Die neuen Vorschriften geben dabei der bereits gelebten Praxis ein gesetzliches Fundament und werden das Stiftungsrecht konkretisieren oder erweitern. Der Gesetzgeber geht ausweislich der Gesetzesmaterialien selbst davon aus, dass die neuen Regelungen das größtenteils schon heute geltende Stiftungszivilrecht wiedergeben und bekunden.

Zwar tritt das neue Gesetz erst mit Wirkung ab dem 1.7.2023 in Kraft. Die neuen Vorschriften enthalten aber in Teilen Vorgaben, die es zum einen notwendig werden lassen, Satzungen bereits bestehender Stiftungen auf Anpassungsbedarf hin zu überprüfen. Ein Augenmerk sollte insbesondere darauf gelegt werden, inwieweit Satzungen Regelungen zu
  • Satzungsänderungen, 
  • Vorgaben zum Erhalt und zur Verwaltung des Stiftungsvermögens,
  • neben dem Vorstand bestehenden Organen sowie
  • der Fassung von Beschlüssen 
enthalten. Hierzu ergeben sich ab 01.07.2023 erhebliche Änderungen, auf die sich nicht früh genug eingestellt werden kann und sollte. 

Zum anderen spiegeln die neuen Regelungen in Teilen bereits geltendes oder jedenfalls praktiziertes Recht wider, weshalb deren Sinn und Zweck, wie sie in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt, bereits heute für die Auslegung der zurzeit noch geltenden Vorschriften herangezogen werden können.
  
II. Inkrafttreten des neuen Rechts

Um den bestehenden Stiftungen ausreichend Zeit zu geben, etwaige erforderliche Angleichungen ihrer Satzungen vorzunehmen, und den Bundesländern eine Überarbeitung ihrer Landesstiftungsgesetze vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung im BGB zu gewähren, tritt das neue Stiftungsrecht erst zum 1.7.2023 in Kraft. Bereits bestehende Stiftungen sollten dennoch zeitnah eine Prüfung des Änderungsbedarfes vornehmen, da Satzungsanpassungen grundsätzlich die Genehmigung der zuständigen Stiftungsbehörde erfordern und unter den gegebenen Umständen mit einer längeren Bearbeitungsdauer zu rechnen ist. 

Das Reformgesetz sieht für bereits bestehende Stiftungen keine Übergangsregelungen vor. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Satzungen, die von den ab dem 1.7.2023 geltenden Regelungen abweichen, nicht nichtig werden, sondern Bestandsschutz genießen. Stiftungsbehörden sollten Stiftungsorganen in diesen Fällen die Möglichkeit zu Satzungsänderungen – unter den dann geltenden Bestimmungen – einräumen. Zu empfehlen ist allerdings, Satzungen jetzt zu überprüfen und in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden eine Überarbeitung zeitnah, ggf. noch vor dem 1.7.2023, anzustreben. Denn Anpassungen sind einerseits nach dem 1.7.2023 nur noch unter den Voraussetzungen der §§ 85, 85a BGB n.F. möglich. Andererseits enthalten die neuen Bestimmungen in Teilen die Möglichkeit, durch anderslautende Satzungsregelungen von gesetzlichen Vorgaben zulässigerweise abzuweichen (sog. Öffnungsklauseln). Die Inanspruchnahme einer Öffnungsklausel ist aber z.B. bezogen auf die Ausgestaltung einer Hybridstiftung (siehe IV. 1.) nur im Rahmen des sog. Stiftungsgeschäfts, demnach bei Errichtung der Stiftung, möglich. Möchten Bestandsstiftungen von jenen Öffnungsklauseln Gebrauch machen, hätten sie hierzu theoretisch nicht mehr die Möglichkeit, da ihr Stiftungsgeschäft längst vollzogen wurde. Aber auch hier wird die Auffassung vertreten, auf Basis der noch geltenden Landesstiftungsgesetze und in Abstimmung mit den Behörden auch diesbezüglich Satzungsanpassungen durchführen zu können, nolens volens aber nur noch bis zum Inkrafttreten des neuen Rechts. 

Bestandsstiftungen sollten daher 
  1. die bisherigen den neuen Regelungen gegenüberstellen und Abweichungen ermitteln sowie
  2. prüfen, ob daraus zwingende oder (empfehlenswerte) freiwillige Änderungen der Stiftungssatzung erforderlich werden oder geboten erscheinen.
Eine notwendige Ergänzung der Satzung könnte bspw. daraus folgen, dass ausgewählte Geschäftsführungsaufgaben einem anderen Gremium als dem Vorstand übertragen wurden, dies aber bisher in der Satzung nicht verankert worden ist, künftig aber einer Aufnahme in die Satzung nach § 84 Abs. 3 BGB n.F. bedarf (hierzu V.1.). Daneben könnte es empfehlenswert sein, für den Vorstand oder einen Stiftungsrat in der Satzung eine Ermächtigungsgrundlage für künftige Satzungsänderungen aufzunehmen, die von den engen Vorgaben des § 85 Abs. 1 bis 3 BGB n.F. abweichen (hierzu VI.1.), oder die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern, die ehrenamtlich tätig sind und unter § 31a BGB fallen, auszudehnen (hierzu V.2.).

III. Änderungen in der Stiftungsorganisation

1. Begriff der Stiftung
§ 80 Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. nimmt eine Legaldefinition des Begriffs „Stiftung“ vor. Eine solche gab es bislang nicht. Diese Definition hat den Zweck, den Begriff der Stiftung sowohl für den Stifter selbst als auch für die Stiftungen als juristische Personen verständlicher zu machen. Danach ist eine Stiftung eine mit einem Vermögen zur dauernden und nachhaltigen Erfüllung eines vom Stifter vorgegebenen Zwecks ausgestattete, mitgliederlose juristische Person. 

Eine Stiftung gehört somit nur sich selbst. Sie hat – im Vergleich zu einer Personen- oder Kapitalgesellschaft – weder Gesellschafter bzw. Anteilseigner noch – wie ein Verein – Mitglieder. Die Möglichkeit, Gewinne zu entnehmen oder auszuschütten, besteht nicht. Gleichwohl können Stiftungen Personen oder Personengruppen im Rahmen ihrer Zweckverfolgung Zuwendungen zukommen lassen. Der Kreis der begünstigten Personen wird Destinatäre genannt.

2. Stiftungsgeschäft
§ 81 Abs. 1 BGB n.F. enthält die Pflichtangaben zum sog. Stiftungsgeschäft. Bei dem Stiftungsgeschäft handelt es sich um die Willenserklärung des Stifters, eine Stiftung zu errichten und diese mit einem für die Erfüllung des Stiftungszwecks erforderlichen Vermögen auszustatten. Ausgestaltet werden kann eine Stiftung als sog. Ewigkeitsstiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wird und den gesetzlichen Grundfall bildet, wie auch als sog. Verbrauchsstiftung, die auf bestimmte Zeit errichtet wird, innerhalb derer das Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist.

Das Stiftungsgeschäft fordert die Errichtung einer Stiftungssatzung. Die Satzung muss mindestens Angaben über den Zweck, den Namen, den Sitz und die Bildung des Vorstands enthalten. Weitergehende Regelungen, die über den gesetzlich geforderten Mindestinhalt hinausgehen, sind möglich. Hierdurch soll dem Stifter ausreichend Freiraum eingeräumt werden, seine Vorstellungen und Ideen über die Tätigkeit der Stiftung einfließen lassen zu können und seinen Stifterwillen in der gebotenen Ausführlichkeit zu bekunden (sog. Satzungsautonomie). 

Neben der Errichtung der Satzung muss der Stifter im Stiftungsgeschäft der Stiftung Vermögen zur Erfüllung des Stiftungszwecks widmen (gewidmetes Vermögen). Dieses Vermögen hat der Stifter nach Anerkennung der Stiftung durch die zuständige Stiftungsbehörde gemäß § 82a BGB n.F. auf die Stiftung zu übertragen. Es steht dem Stifter anschließend endgültig nicht mehr zur freien Verfügung und geht ins Eigentum der Stiftung über. 

Durch § 81 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BGB n.F. werden die gesetzlichen Anforderungen an eine Verbrauchsstiftung konkretisiert. Eine Verbrauchsstiftung ist im Vergleich zu einer Ewigkeitsstiftung nicht auf einen zeitlich unbegrenzten Fortbestand ausgerichtet. Für eine Verbrauchsstiftung ist die Zeit festzulegen, für die eine solche Stiftung errichtet werden soll (§ 81 Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F.). Als Mindestdauer gelten nach § 82 Satz 2 BGB n.F. zehn Jahre. Die Satzung muss ferner Bestimmungen zur Verwendung des Stiftungsvermögens enthalten, die die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks und den vollständigen Verbrauch des Stiftungsvermögens innerhalb der Zeit, für welche die Stiftung errichtet wird, gesichert erscheinen lassen (§ 81 Abs. 2 Nr. 2 BGB n.F.). Es soll vermieden werden, dass der Zweck schon nach kurzer Zeit des Bestehens der Stiftung nicht mehr wirksam verfolgt werden kann, weil das Vermögen bereits kurze Zeit nach der Errichtung aufgebraucht wurde. Nach der Gesetzesbegründung erscheint eine nachhaltige Zweckerfüllung regelmäßig auch dann nicht gesichert, wenn der Großteil des Stiftungsvermögens erst kurz vor Ablauf der für die Stiftung vorgesehenen Lebensdauer für die Zweckerfüllung verbraucht wird.

Hinweis: Bei der Satzungsgestaltung einer Verbrauchsstiftung ist insbesondere ein Augenmerk auf die Darstellung des Zwecks und der hierfür im Zeitablauf benötigten und zu verbrauchenden Mittel zu legen. Der Prognose, ob das Vermögen zu Erfüllung des Stiftungszwecks während des gesamten Zeitraums ausreicht und verbraucht wird, kommt hier eine wesentliche Bedeutung zu. Eine positive Prognose ist Voraussetzung für die Anerkennung einer Stiftung durch die zuständige Stiftungsbehörde. 

§ 81 Abs. 3 BGB n.F. dient der Klarstellung hinsichtlich der formellen Anforderungen an das Stiftungsgeschäft. Dieses bedarf lediglich der schriftlichen Form. Strengere Anforderungen, z.B. die Formerfordernisse für Verträge über Grundstücke (§ 311b Abs. 1 BGB) oder die Übertragung von GmbH-Anteilen (§ 15 GmbHG), sollen grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine notarielle Beurkundung ist somit – auch bei gewidmetem Vermögen in Gestalt von Grundbesitz oder GmbH-Anteilen – nicht zwingend erforderlich. Soll die Errichtung der Stiftung dagegen von Todes wegen – bspw. auf Basis eines öffentlichen Testaments – erfolgen oder ist die Übertragung eines Grundstücks auf die Stiftung im Stiftungsgeschäft vorgesehen, ist die Beteiligung eines Notars hingegen unerlässlich.

Hinweis: Auch künftig wird es nicht möglich sein, Stiftungen auf Zeit zu gründen, bei denen das Stiftungsvermögen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes wieder an den Stifter zurück- oder einen Dritten fällt. Aus Sicht des Gesetzgebers fehlt es bei diesen Stiftungen an der für die Stiftung typischen dauerhaften Verbindung zwischen Zweck und Vermögen, die die Schaffung des selbständigen Rechtssubjekts Stiftung und die Kosten für die staatliche Aufsicht zum Schutz der Stiftung rechtfertigen. Demgegenüber wird gleichwohl im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass die Errichtung einer Stiftung für einen überschaubaren Zeitraum, bei dem die Zeitdauer von der Erreichung eines (zeitlich nicht im Vorfeld definierten) Zwecks abhängt, zulässig sei. Als Praxisbeispiel kommt die Errichtung einer Stiftung zur Sanierung eines Denkmals in Betracht, die mit Zweckerreichung aufzulösen ist.

3. Stifterwille
Mit § 83 Abs. 2 BGB n.F. wird die Maßgeblichkeit des ursprünglichen Stifterwillens statuiert und dessen Bedeutung deutlich hervorgehoben. Demnach haben sowohl die Stiftungsorgane als auch die Stiftungsaufsichtsbehörden den Willen des Stifters, oder hilfsweise den mutmaßlichen Stifterwillen, der bei der Errichtung der Stiftung zum Ausdruck gekommen ist, stets zu beachten. Der ursprüngliche und im Stiftungsgeschäft manifestierte Wille des Stifters als Maß aller Dinge wird somit nochmals klarstellend im Gesetz hervorgehoben und entspricht der bisherigen Rechtslage. Überlegungen, wonach einer Stifterin oder einem Stifter zu Lebzeiten noch eine autonome Einflussmöglichkeit auf die Stiftung und deren Zweck eingeräumt werden sollte, konnten sich im Gesetzgebungsverfahren nicht durchsetzen. Die Satzung bildet den Handlungsrahmen der Tätigkeit von Vorstand und daneben bestehenden Organen, in Form eines Stifterrats oder eines Kuratoriums o.ä. 

Hinweis: Die ausreichende Dokumentation des Stifterwillens bei der Errichtung einer Stiftung ist geboten, um späteren Unklarheiten vorzubeugen. Hierbei ist nicht zwingend erforderlich, ihn in der Satzung zu manifestieren. Eine Verankerung in neben der Satzung stehenden Dokumenten ist gleichfalls möglich. 

Die Maßgeblichkeit des ursprünglichen Stifterwillens bedeutet hingegen nicht, dass durch den Zeitlauf notwendig gewordene Anpassungen nicht vorgenommen werden können. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass der Stifter zwar an seinem historischen Ausgangswillen festhalten will, notwendig gewordene Anpassungen zur Sicherstellung der Stiftungsexistenz auf Dauer aber im Regelfall von ihm gewünscht und erforderliche Korrekturen möglich sein sollen (hierzu näher unter V. 1.). 

IV. Änderungen beim Stiftungsvermögen

1. Unterscheidung von Grundstockvermögen und sonstigem Vermögen
Das Stiftungsvermögen wird von den §§ 80 ff. BGB a.F. bisher nur sehr knapp behandelt. Die jeweiligen Landesstiftungsgesetze formulieren zudem ebenfalls nur den stiftungsrechtlichen Grundsatz, nach dem das Stiftungsvermögen dauerhaft zu erhalten ist, ohne diesen jedoch weiter zu konkretisieren. Hilfreich und von Bedeutung wird daher künftig die grundlegende gesetzliche Ordnung des Stiftungsvermögens und dessen Verwaltung in § 83b und § 83c BGB n.F. sein. 

Unter dem Begriff des Stiftungsvermögens wird zunächst das gesamte Vermögen einer Stiftung verstanden. Es setzt sich aus verschiedenen Vermögensmassen zusammen. Begrifflich wird gem. § 83b Abs. 1 BGB n.F. zwischen den beiden Vermögensmassen „Grundstockvermögen“ und „sonstigem Vermögen“ unterschieden. Das Grundstockvermögen besteht aus denjenigen Vermögenswerten, die von der Stiftung nicht verbraucht werden dürfen. Es bildet somit das materielle Fundament der Stiftung und generiert Erträge, aus denen die Stiftungstätigkeit finanziert wird. Das Grundstockvermögen setzt sich nach § 83b Abs. 2 BGB n.F. aus dem der Stiftung bei Errichtung gewidmeten Vermögen, nachträglichen Zustiftungen (Übertragung von Vermögenswerten auf die Stiftung, zum Verbleib als Aufstockung des Grundstockvermögens) und von der Stiftung selbst dazu bestimmtem Vermögen zusammen. Im Vergleich dazu besteht das sonstige Vermögen hauptsächlich aus den laufenden Erträgen. Nach der Gesetzesbegründung ist bspw. für die Prognose, ob die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks gesichert erscheint, nur das Grundstockvermögen der Stiftung maßgeblich.

Damit eine Stiftung ihren Zweck dauerhaft und nachhaltig erfüllen kann, ist das Grundstockvermögen dauerhaft und ungeschmälert zu erhalten. In welcher Form dies geschehen soll bzw. woran ein dauerhafter und ungeschmälerter Erhalt gemessen wird, wurde vom Gesetzgeber nicht weiter ausgeführt. In Betracht kommen ein gegenständlicher (bspw. bei Errichtung einer Stiftung unter Zuführung eines Grundstücks), ein nominaler oder ein realer Werterhalt. Der Gesetzgeber hat hier bewusst keine Vorgaben geschaffen. Maßgeblich ist vielmehr der Wille des Stifters, wie er zur Zeit der Stiftungserrichtung bestand und idealerweise in der Satzung der Stiftung oder einem Konzept zur Kapitalerhaltung niedergelegt ist. 

Hinweis: Das Verfassen eines Kapitalerhaltungskonzeptes ist einerseits sinnvoll, um späteren Schwierigkeiten beim Erforschen des Stifterwillens und daraus erwachsenden Diskussionen mit der Stiftungsaufsicht vorzubeugen. Andererseits wird hierdurch auch ein Rahmen für die Organe einer Stiftung geschaffen, die mit der Verwaltung des Grundstockvermögens befasst sind. Das Treffen von Anlageentscheidungen auf der Basis einer Grundlage ist in der aktuell noch immer andauernden Niedrigzinsphase umso bedeutender.

Ewigkeitsstiftungen können über Grundstockvermögen und sonstiges Vermögen verfügen. Demgegenüber besteht das Stiftungsvermögen einer Verbrauchsstiftung nur aus sonstigem Vermögen, welches nicht dazu verpflichtet, dauerhaft und ungeschmälert erhalten zu werden.

Erstmals räumt § 83b Abs. 3 BGB n.F. dem Stifter die Möglichkeit ein, im Stiftungsgeschäft einer Ewigkeitsstiftung einen Teil des Vermögens als (verbrauchbares) sonstiges Vermögen auszuweisen. Geschaffen wird hierdurch eine sog. Hybridstiftung, welche die Merkmale einer Ewigkeitsstiftung einerseits mit denen einer Verbrauchsstiftung andererseits kombiniert.

Hinweis: Für Stiftungen, die ihren Zweck nicht mehr nachhaltig verfolgen können, besteht die Möglichkeit, sich durch Satzungsänderung von einer Ewigkeits- zu einer Verbrauchsstiftung zu wandeln. Das dauerhaft und ungeschmälert zu erhaltende Grundstockvermögen wird in diesem Fall zu sonstigem (verbrauchbaren) Vermögen.

2. Umschichtungsgewinne
Gesetzlich verankert wird künftig die Behandlung von Umschichtungsgewinnen. Unter Umschichtungsgewinnen werden alle Gewinne verstanden, die aus der Veräußerung von Stiftungsvermögen stammen. Veräußert bspw. eine Stiftung Aktien des Grundstockvermögens zu einem höheren Preis als sie für deren Anschaffung ausgegeben hat, erzielt sie hiernach einen Umschichtungsgewinn. 

§ 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. stellt in diesem Zusammenhang nun klar, dass Gewinne aus der Umschichtung des Grundstockvermögens zur Erfüllung des Stiftungszwecks verwendet werden dürfen, aber nicht müssen. Etwas anderes gilt hingegen im Falle einer anderslautenden Satzungsregelung. Es ist somit möglich, den Umgang mit Umschichtungsgewinnen durch eine Vorschrift in der Satzung vorzugeben. So könnte bspw. eine Formulierung derart ausgestaltet werden, dass nur ein positiver Saldo aus den Umschichtungsergebnissen für die Verwirklichung des Stiftungszwecks verwendet werden kann und eine Verwendung von Umschichtungsergebnissen für Satzungszwecke überhaupt nur zulässig ist, wenn Verluste früherer Jahre im Vorfeld ausgeglichen wurden. 

Hinweis: § 83c Abs. 1 Satz 3 BGB n.F. ist insbesondere im Lichte der steuerlichen Anforderungen gemeinnützig tätiger Stiftungen zu sehen. Nach den Vorgaben der Abgabenordnung (AO) unterliegen die erwirtschafteten Mittel einer steuerbegünstigten Stiftung dem sog. Gebot der zeitnahen Mittelverwendung (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Von diesem Gebot wurden unter steuerlichen Gesichtspunkten Umschichtungsgewinne ausgenommen (AEAO Nr. 32 zu § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). § 83c Abs. 1 BGB entspricht somit der bereits gängigen steuerlichen Praxis, nach der ein Wahlrecht bestand, die Umschichtungsgewinne bspw. dem zu erhaltenden Grundstockvermögen zu widmen oder sie für (steuer-begünstigte) Zwecke zeitnah zu verausgaben. 

Weiter besteht nach § 83c Abs. 2 BGB n.F. die Möglichkeit, qua Satzung einen vorübergehenden und teilweisen Verbrauch des Grundstockvermögens zuzulassen und somit das Gebot des ungeschmälerten Erhalts des Grundstockvermögens partiell zu durchbrechen. Vorausgesetzt wird aber, dass der verbrauchte Teil zeitnah wieder dem Grundstockvermögen zugeführt wird. Eine solche Satzungsbestimmung soll es den Stiftungsorganen erlauben, zur Finanzierung größerer Projekte Grundstockvermögen zu verbrauchen, wenn es in den Folgejahren wieder aufgefüllt wird, was die Flexibilität der Stiftung bei derartigen Förderprojekten erheblich vergrößert.

Hinweis: Vorgaben in der Satzung für den Umgang mit Umschichtungsgewinnen oder die Eröffnung der Möglichkeit, einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen zu können, haben unbedingt unter Beachtung und Einbezug eines Kapitalerhaltungskonzeptes zu erfolgen. Andernfalls besteht das Risiko, inkongruente und nicht aufeinander abgestimmte Regelungen zu schaffen.

V. Änderungen auf Ebene der Stiftungsorgane

1. Weitere Organe neben dem Vorstand
Nach § 84 Abs. 1 BGB n.F. muss eine Stiftung zwingend einen Vorstand als obligatorisches Organ haben. Er führt die Geschäfte und vertritt die Stiftung im Rechtsverkehr (§ 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 BGB n.F.). Das Gesetz eröffnet aber ausdrücklich die Möglichkeit, weitere Organe neben dem Vorstand zu installieren (§ 84 Abs. 4 BGB n.F.). Dies stellt ebenfalls eine bislang nicht dagewesene Neuerung des Stiftungszivilrechts dar, obgleich die Schaffung weiterer Organe durch die Satzung in der Praxis auch bisher schon üblich und zulässig war. In Betracht kommt bspw. die Einrichtung eines Stiftungsrats. Die Bildung eines zusätzlichen Organs wie auch die Beschreibung seiner Aufgaben und Befugnisse müssen aber in der Stiftungssatzung niedergelegt sein. Als Aufgaben und Befugnisse kommen bspw. die Überwachung des Vorstands, die Bestellung und Abberufung von Mitgliedern des Vorstands, die Feststellung einer Jahresrechnung oder die Erteilung der Zustimmung zu bestimmten Geschäften in Betracht. Einem weiteren Organ könnten bspw. auch partielle Geschäftsführungsaufgaben übertragen und die Vertretungsmacht des Vorstands beschränkt werden (§ 84 Abs. 3 BGB n.F.)

Hinweis: Stiftungen, die neben dem Vorstand über weitere Organe verfügen, sollten ihre Satzungen auf Anpassungsbedarf hin überprüfen. Sofern entweder die über den Vorstand hinausgehenden Organe oder deren Aufgaben und Befugnisse in der Satzung nicht benannt oder nicht ausreichend sind, sind Ergänzungen vorzunehmen.

2. Haftung
Haftungsfragen sind vielschichtig. Nach § 31 BGB (einer Bestimmung aus dem Vereinsrecht) i.V.m. § 86 Satz 1 BGB a.F. bzw. § 84 Abs. 5 BGB n.F. haftet eine Stiftung für Schäden, die ihre Organe bzw. ein Mitglied ihres Organs einem Dritten zufügen. Daneben haften Mitglieder eines Organs, z.B. des Vorstands, im Weiteren gegenüber der Stiftung (sog. Binnenhaftung) sowie gegenüber Dritten (sog. Außenhaftung). 

Gegenüber der Stiftung haften Mitglieder eines Organs wegen Pflichtverletzungen grundsätzlich unbeschränkt. Gem. § 84a Abs. 1 BGB n.F. kann die Haftung in der Satzung – z.B. bereits bei Errichtung der Stiftung oder durch eine nachträgliche Satzungsänderung – aber beschränkt werden. Ein Haftungsausschluss kommt z.B. bei einfacher Fahrlässigkeit in Betracht.

Sind Organmitglieder unentgeltlich tätig oder liegt deren Vergütung nicht oberhalb von EUR 840 p.a., stellt § 84a Abs. 3 BGB n.F. im Weiteren eine gesetzliche Haftungserleichterung auf. Unter entsprechender Anwendung von § 31a BGB kommt in diesen Fällen grundsätzlich nur eine persönliche Haftung bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit in Betracht. Es besteht allerdings künftig die Möglichkeit, diese Haftungserleichterung in der Satzung durch eine abweichende Regelung zu beschränken oder auszuschließen (§ 84a Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese Möglichkeit zur Abbedingung von § 31a BGB war bislang umstritten. Aus Sicht des Gesetzgebers kann der Ausschluss der Haftungserleichterung in den Fällen sinnvoll sein, in denen für Schäden, die durch Organe verursacht wurden, ein Versicherungsschutz (z.B. in Form einer D&O-Versicherung o.ä.) besteht. Die Stiftung kann sich dann durch Inanspruchnahme der Versicherung schadlos halten. Die Einschränkung oder der Ausschluss des Haftungsfreistellungsanspruchs kann entweder in der Errichtungssatzung oder durch eine spätere Satzungsänderung bei bereits bestehenden Stiftungen vorgenommen werden.

Hinweis: Sind bspw. Vorstandsmitglieder ehrenamtlich tätig, ist zu prüfen, ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, eine Einschränkung oder einen Ausschluss der Haftungserleichterung in der Satzung zu regeln.

Dritten gegenüber können z.B. Stiftungsvorstände in den Fällen der Insolvenzverschleppung oder für Steuerschulden nach § 69 AO haften. Bei unentgeltlicher oder gering vergüteter Tätigkeit besteht aber für die Mitglieder eines Organs ein Freistellungsanspruch gegenüber der Stiftung nach § 31a Abs. 2 BGB i.V.m. § 84 Abs. 5 BGB n.F bzw. § 86 Satz 1 BGB a.F. 

3. Verankerung der Business Judgement Rule
§ 84a Abs. 2 BGB n.F. verankert die aus dem Aktienrecht bekannte sog. Business Judgement Rule fortan auch im Stiftungsrecht. Für Aktiengesellschaften ist eine entsprechende Regelung in § 93 AktG normiert und eröffnet den Organen einer Aktiengesellschaft bei unternehmerischen Entscheidungen einen Ermessensspielraum. Insbesondere kommt in der Business Judgement Rule zum Ausdruck, dass keine Pflichtverletzung (und damit kein Haftungsgrund) vorliegt, wenn das Organ bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft gehandelt zu haben. 

Übertragen auf eine Stiftung und deren Organe bedeutet dies, dass Stiftungsorgane unter bestimmten Umständen von der Haftung gänzlich ausgenommen sind, obgleich sie der Stiftung einen Schaden zugefügt haben. So ist beispielsweise der Irrtum eines Organmitglieds über zukünftige Entwicklungen an den Kapitalmärkten im Rahmen der Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht haftungsrelevant. Allgemein gilt: Stiftungsorgane können nicht für den Erfolg oder Misserfolg ihrer Tätigkeit haftbar gemacht werden, sofern die Abwägung der Informationen und Argumente, die zu dieser Entscheidung geführt haben, nachvollziehbar und ausreichend dokumentiert worden sind. Demgegenüber kann sich ein Stiftungsvorstand nicht auf die Business Judgement Rule berufen, wenn er die Stiftung in ein Unternehmen investieren lässt, ohne von der angebotenen Möglichkeit einer Due Diligence Gebrauch zu machen, da er seine Entscheidung dann gerade nicht auf angemessene Informationen gestützt hat.

4. Beschlussfassung
Nach § 84b BGB n.F. erfolgt die Beschlussfassung bei einem aus mehreren Personen bestehenden Vorstand entsprechend der für Vereine geltenden Vorschriften (§ 32 BGB). Hier gilt das sog. Mehrheitsprinzip wie auch der Umstand, dass Beschlüsse im Rahmen einer Versammlung zu fassen sind. In der Satzung können davon abweichende Regelungen getroffen werden.

Hinweis: Die Satzung kann bspw. die Durchführung virtueller oder hybrider Vorstandssitzungen zulassen. In der Satzung kann auch eine Grundlage geschaffen werden, Beschlüsse im Wege eines Umlaufverfahrens – bspw. via E-Mail – fassen zu können. Die Arbeit der Organe wird hierdurch flexibler.

VI. Änderungen der Stiftungsstruktur

1. Satzung
Auch im Hinblick auf die Stiftungsstrukturen hält die Stiftungsrechtsreform umfassende und weitreichende Änderungen bereit, die nun in einem bundeseinheitlichen und übersichtlichen Regelwerk aufgeführt wer-den. Insbesondere die Festlegung des Verfahrens zur Änderung der Stiftungssatzung stellt eine bislang nicht dagewesene Ergänzung des Stiftungsrechts dar. Denn die Landesstiftungsgesetze weisen in diesem Punkt durchaus gravierende Unterschiede auf.

In den §§ 85, 85a BGB n.F. werden künftig abschließend das Verfahren und die Voraussetzungen für Satzungsänderung geregelt sein. Dazu werden die Anforderungen an eine Satzungsänderung über ein aus drei Stufen bestehendes System ausdifferenziert. Die Anforderungen sind dabei umso höher, je stärker der Eingriff in die Satzung ist.

Stufe 1: 
Austausch des Stiftungszwecks, Beschränkung des Stiftungszwecks der zu einer veränderten Stiftungsidentität führt, Umwandlung einer Ewigkeitsstiftung zu einer Verbrauchsstiftung.

Änderungen der Stufe 1 sind gem. § 85 Abs. 1 BGB n.F. nur zulässig, wenn die Erfüllung des bisherigen Stiftungszwecks unmöglich geworden ist und es sicher scheint, dass der beabsichtigte neue bzw. beschränkte Zweck erreicht werden kann.

Stufe 2: 
Änderung des Stiftungszwecks ohne Veränderung der Stiftungsidentität, Änderung prägender Satzungsbestimmungen (Name, Sitz, Art und Weise der Zweckerfüllung, Erhaltung und Verwaltung des Grundstockvermögens, etc.). 

Änderungen der Stufe 2 sind gem. § 85 Abs. 2 BGB n.F. dann zulässig, wenn die Verhältnisse nach Stiftungserrichtung sich so wesentlich verändert haben, dass die Anpassungen der Stiftung erforderlich sind.

Stufe 3:
Änderungen die den Stiftungszweck nicht berühren, Änderung einfacher Satzungsbestimmungen.

Änderungen der Stufe 3 sind gem. § 85 Abs. 3 BGB n.F. dann zulässig, wenn sie der Erfüllung der Stiftungszwecke dienen.

Dem Stifter wird in § 85 Abs. 4 BGB n.F. allerdings die Möglichkeit eingeräumt, im Stiftungsgeschäft Satzungsänderungen abweichend von den vorgenannten (gesetzlich festgelegten) Stufen zu regeln. Solche (satzungsmäßigen) Änderungsbefugnisse müssen allerdings bereits in der Errichtungssatzung selbst verankert und niedergeschrieben sein. Spätere Ergänzungen der Satzung sind dahingehend wohl ausgeschlossen, im neuen Stiftungsrecht jedenfalls nicht ausdrücklich vorgesehen. 

Die Möglichkeit satzungsmäßig eigene Vorgaben zu schaffen, ist jedoch nicht in der Weise zu verstehen, als könnten allumfassende und grenzenlose Änderungsbefugnisse, etwa durch entsprechende Sonderrechte für den Stifter zu dessen Lebzeiten, implementiert werden. Besonders die Ermächtigung zu einer gegenüber dem Gesetz erleichterten Änderbarkeit der Satzung muss durch den Stifter bezogen auf den Inhalt und den Umfang hinreichend bestimmt festgelegt sein. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist eine Blanko- und Pauschalermächtigung nicht möglich. Vielmehr muss der Stifter den Stiftungsorganen Leitlinien und Orientierungspunkte für eine Satzungsänderung an die Hand geben. Wie in § 85 Abs. 1 bis 3 BGB n.F. gilt auch hier: Je bedeutsamer die Änderungen sind, desto höher sind die Anforderungen, die an die Bestimmtheit der Ermächtigung gestellt werden. 

Hinweis: Insbesondere bereits bestehende Stiftungen sollten überprüfen, ob und inwieweit die Satzung um Ermächtigungsgrundlagen für spätere Satzungsänderungen ergänzt werden sollen. Dies wird nur mit Zustimmung und in Abstimmung mit der Stiftungsbehörde und nur bis zum 30.06.2023 nach Maßgabe der bis dahin noch geltenden Landesstiftungsgesetze und des historischen Stifterwillens möglich sein, da § 85 Abs. 4 BGB n.F. ausdrücklich einen entsprechenden Vorbehalt im Stiftungsgeschäft voraussetzt.

2. Zulegung und Zusammenlegung
In den §§ 86–86h BGB n.F. wird künftig die Abwicklung von Zulegungen und Zusammenlegungen von Stiftungen geregelt, gewissermaßen also eine Verschmelzung von Stiftungen zur Aufnahme bzw. zur Neugründung vorgesehen. Erreicht werden soll hier eine einheitliche Gesetzesanwendung und der Abbau von Rechtsunsicherheit. 

Unter einer Zulegung wird die Übertragung des Stiftungsvermögens als Ganzes auf eine andere, das Vermögen übernehmende, bereits bestehende Stiftung verstanden. Im Gegensatz dazu ist eine Zusammenlegung die Übertragung des Vermögens mehrerer Stiftungen auf eine neue, dadurch zu errichtende Stiftung. Die Zulegung und Zusammenlegung erfolgt nach § 86f Abs. 1 und 2 BGB n.F. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge. Die aufwändige Liquidation einer Stiftung ist somit künftig nicht mehr erforderlich, wenn der Weg eines solchen Vermögenstransfers gewählt wird. 

Stiftungen sollen aber nicht frei zugelegt und zusammengelegt werden können. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Für eine Zulegung reicht es aber bereits aus, dass der Zweck der übernehmenden Stiftung in weiten Teilen mit dem Zweck der übertragenden Stiftung übereinstimmt. Demgegenüber setzt eine Zusammenlegung grundsätzlich voraus, dass sich die Verhältnisse nach der Errichtung der übertragenden Stiftungen wesentlich verändert haben und eine Anpassung der Stiftungen durch eine Satzungsänderung nicht möglich ist. Die Änderung der Stiftungszwecke um das Fortbestehen der Stiftungen zu sichern, sind demnach immer im Vorfeld vor einer Zusammenlegung zu prüfen und in der Praxis natürlich mit der Stiftungsbehörde abzustimmen.

Es soll dem Stifter aber unbenommen bleiben, die Zulegung bzw. Zusammenlegung durch entsprechende Vorkehrungen in der Satzung zu erschweren oder gänzlich auszuschließen. Erleichterungen für den Vermögensübergang dürfen dagegen nicht verankert werden. Insoweit sind die gesetzlichen Vorgaben zwingend. Eine erhebliche Erleichterung folgt allerdings aus der Formvorschrift von § 86d BGB n.F., wonach es für Zulegungsverträge und Zusammenlegungsverträge nur der schriftlichen Form bedarf und insbesondere § 311b Abs. 1 bis 3 BGB nicht anzuwenden ist. Selbst wenn also ein Grundstück im Vermögen einer übertragenden Stiftung enthalten ist und obwohl diese ihr gesamtes gegenwärtiges Vermögen überträgt, bedarf es keiner notariellen Beurkundung.

3. Beendigung durch Auflösung oder Aufhebung
Die §§ 87–87d BGB n.F. enthalten abschließende Regelungen zur Beendigung von Stiftungen. Diese Regelungen sind vor allem in der Hinsicht als zwingend anzusehen, als dass eine Erleichterung oder Erschwerung der Vorschriften auch nicht durch abweichende Satzungsregelungen möglich sein soll. Systematisch unterschieden wird künftig zwischen der Selbstauflösung der Stiftung durch das zuständige Stiftungsorgan (§ 87 BGB n.F.) und der behördlichen Aufhebung der Stiftung durch die Stiftungsaufsicht (§ 87a BGB n.F.). 

An die Auflösung bzw. Aufhebung werden aber bestimmte Voraussetzungen geknüpft. So kommt die Beendigung einer auf Ewigkeit angelegten Stiftung nur in Betracht, wenn sie ihren Zweck endgültig nicht mehr erfüllen kann. Endgültigkeit ist anzunehmen, wenn der Zustand der zur Unerfüllbarkeit des Zwecks führte, nicht in absehbarer Zeit beseitigt werden kann. Insbesondere liegt keine Endgültigkeit vor, wenn die Stiftung so umgestaltet werden kann, dass die Zweckerreichung durch eine Satzungsänderung wieder gewährleistet werden könnte. Aus diesem Umstand ergibt sich, dass die Auflösung stets das letzte Mittel („ultima ratio“) sein muss und hinter eine Satzungsänderung zurücktritt. 

Die Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde ist gegenüber der organschaftlichen Auflösung subsidiär. Sie soll gem. § 87a Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BGB n.F. nur dann möglich sein, wenn die zuständigen Organe nicht rechtzeitig handeln. Weiter muss nach § 87a Abs. 2 Nr. 2 und 3 BGB n.F. eine behördliche Aufhebung erfolgen, wenn durch die Stiftung eine Gefährdung des Gemeinwohls besteht oder wenn die Stiftung ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt hat und diese Verlegung nicht in angemessener Zeit wieder rückgängig zu machen ist. 

Das Vermögen selbst fällt bei erfolgreicher Liquidation der Stiftung an einen Anfallberechtigten, der grundsätzlich in der Satzung benannt werden sollte (§ 87c Abs. 1 Satz 1 BGB n.F.). Ist dagegen kein Anfallberechtigter bestimmt, fällt das Vermögen an den Fiskus (§ 87c Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.). 

Hinweis: Praktische Auswirkungen wird § 87c BGB n.F. für gemeinnützige Stiftungen nicht entfalten. Sie sind bereits aufgrund der steuerlichen Vorgaben verpflichtet, in ihren Satzungen eine Einrichtung zu benennen, der das Vermögen im Falle einer Liquidation oder Aufhebung der Stiftung zugutekommt. 

Für Verbrauchsstiftungen besteht im Vergleich zu Ewigkeitsstiftungen eine Pflicht zur Auflösung bzw. Aufhebung nach Ablauf des Zeitraums, für den sie errichtet wurde (§ 87 Abs. 2 BGB n.F.). Sie werden nicht automatisch aufgelöst, wenn ihr Vermögen verbraucht ist.

VII. Stiftungsregister

Ab dem 01.01.2026 wird ein zentrales und elektronisches Stiftungsregister eingeführt werden. Zur Umsetzung und Regelung dessen hat der Gesetzgeber im Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes ein eigenes Stiftungsregistergesetz („StiftRG“) beschlossen. Diese Neuerung ist längst überfällig, denn Stiftungen sind bislang die einzigen juristischen Personen privaten Rechts, die ohne ein öffentlich zugängliches Register auskommen müssen. Aus diesem Grund ist es aktuell für Stiftungsvorstände noch nötig, sich ihre Legitimität durch eine schriftliche Auskunft der Stiftungsaufsichtsbehörde bestätigen zu lassen, deren Anerkennung speziell im Ausland häufig schwierig ist. Durch das Stiftungsregister wird die Ausstellung dieser sog. Vertretungsbescheinigung zukünftig überflüssig werden. 

Weiter ist es derzeit gängige Praxis, dass Stiftungen sich sowohl im Stiftungsverzeichnis des Landes, in dem sie ihren Sitz haben, eintragen, als auch eine Meldung an das Transparenzregister gem. §§ 18 ff. GwG (Geldwäschegesetz) vornehmen müssen. Zurecht besteht in der Literatur die Sorge, dass zusätzlich nun bald auch noch die Kommunikation mit dem Stiftungsregister hinzukommt. Wünschenswert wäre also, dass der Gesetzgeber die Zeit bis zum Inkrafttreten des StiftRG nutzt und den Prozess genau normiert und bestenfalls so weit vereinfacht, dass eine einzige Meldung ausreichend ist, um allen Anforderungen bzgl. der Eintragung als Stiftung zu genügen. Als Stichtag für die Anmeldung bereits bestehender Stiftungen in das Stiftungsregister ist der 31.12.2026 festgelegt worden.

Die Eintragung in das Stiftungsregister soll mit sog. negativer Publizitätswirkung erfolgen. Die negative Publizitätswirkung beschreibt grundsätzlich das Vertrauen in die Nichtexistenz von nicht eingetragenen Tatsachen. Einzutragende Tatsachen können für gewöhnlich einem Dritten danach nur entgegengehalten werden, wenn sie auch eingetragen sind. 

Alle ins Stiftungsregister eingetragenen Stiftungen haben in ihrem Namen künftig einen Rechtsformzusatz zu führen. Für die Ewigkeitsstiftungen gilt gem. § 82c BGB n.F. der Zusatz „eingetragene Stiftung“ oder „e.S.“ und für die Verbrauchsstiftungen der Zusatz „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e.VS.“. Dadurch wird für den Rechtsverkehr erkennbar, ob es sich tatsächlich um eine rechtsfähige Stiftung handelt. 

Die Einsichtnahme in das Stiftungsregister soll gem. § 15 StiftRG jedermann gestattet sein. Dies soll auch für die Einsicht in beim Register eingereichte Dokumente, insbesondere die Stiftungssatzung, gelten. Allerdings soll die Möglichkeit bestehen, den Zugang zu bestimmten Dokumenten aufgrund berechtigtem Interesse der Stiftung zu beschränken oder sogar ganz ausschließen zu können. Dies kann ausweislich der Gesetzesbegründung dann der Fall sein, wenn z.B. personenbezogene Daten von Destinatären oder Stiftern oder Regelungen zur Vermögensverwaltung einsehbar wären. Besteht jenes Risiko würden die Dokumente nicht oder nur so in den Registerordner eingestellt, dass bestimmte Inhalte unkenntlich gemacht sind. Herausfordernd kann der künftige öffentliche Zugriff auf die Dokumente bspw. für Familienstiftungen werden, die für gewöhnlich eine Vielzahl an besonderen, familienbezogenen Regelungen enthalten.

VIII. Fazit

Ziel der Stiftungsrechtsreform soll es sein, das Stiftungsrecht für alle Beteiligten zugänglicher und übersichtlicher zu gestalten und die Rechtssicherheit bei der Anwendung dieses Teilrechtsgebietes zu erhöhen. Die Entscheidung hin zu einer bundeseinheitlich geltenden und abschließenden Regelung des Stiftungszivilrechts stellt vor diesem Hintergrund fraglos einen wichtigen Schritt in Richtung der Erreichung dieses großen und notwendigen Ziels dar. In Anbetracht der Tatsache, dass die Zahl an bereits bestehenden Stiftungen die Marke von 20.000 übersteigt, ist allerdings fraglich, ob bis zum Inkrafttreten der neuen und angepassten Normen den Stiftungen genug Zeit zur Umsetzung und Anpassung gegeben wurde. Insbesondere betrifft dies nötig gewordene Anpassungen der Stiftungssatzungen an die neuen rechtlichen Gegebenheiten. 

Den bereits bestehenden Stiftungen ist tunlichst anzuraten im Vorgriff auf das neue Recht ihre Stiftungssatzung zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, ob es im Interesse der Stifter bzw. des weiteren Bestehens der Stiftung angezeigt ist, die Stiftungsatzung auf das neue Recht anzupassen und etwa Regelung zur Satzungsänderung abweichend von den künftig strengen Bestimmungen von §§ 85 und 85a BGB n.F. vorzusehen.

Handlungsbedarf besteht ganz besonders für inländische Stiftungen, die ihre Verwaltung aus dem Ausland führen, da das neue Recht zwingend verlangt, dass die Verwaltung der Stiftung im Inland zu führen ist (§ 83a BGB n.F.). Wird dem dahingehenden Verlangen der Stiftungsaufsichtsbehörde nicht entsprochen, so droht die Aufhebung der Stiftung durch die zuständige Behörde (§ 87a Abs. 2 Nr. 3 BGB n.F.).

Weiter stellt die Einführung eines bundeseinheitlichen Stiftungsregisters fraglos eine Verbesserung der momentanen Situation dar. In Anbetracht dessen, dass der Prozess der Anmeldung und Eintragung in so viele unterschiedliche Register aber mit erheblichem Aufwand verbunden zu sein scheint, bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber bis zur Einführung des Registers eine Aussage über den genauen und korrekten Hergang einer zukünftigen Eintragung trifft.
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von Stephan Hettler 24 Apr., 2024
Seit der Vorlage des Bundesfinanzhofs im Jahr 2013 befasste sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und dessen Verfassungsmäßigkeit. Fraglich war insbesondere der Ausschluss der steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften. Mit Beschluss vom 28.11.2023 hat das BVerfG nunmehr entschieden, dass dieser Ausschluss gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitssatz verstößt. I. Ausgangslage Überträgt eine Personengesellschaft eines ihrer Wirtschaftsgüter auf eine andere Personengesellschaft, führt dies grundsätzlich zu einem einkommensteuerpflichtigen Veräußerungsvorgang. Die übertragende Gesellschaft hat in diesem Fall den Gewinn (oder Verlust), der aus der Veräußerung resultiert, zu versteuern. Wird das Wirtschaftsgut gegen Zahlung eines Entgelts (Kaufpreis) übertragen, ermittelt sich der zu besteuernde Veräußerungsgewinn anhand des Kaufpreises für das Wirtschaftsgut abzüglich der für dieses einst angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Erwirbt die übertragende Gesellschaft also beispielsweise eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 € und veräußert diese ein Jahr später für einen Preis von 300.000 €, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 100.000 €. Wird ein Wirtschaftsgut hingegen unentgeltlich übertragen, existiert kein Kaufpreis, sodass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf einen anderen Wert ausgewichen werden muss. Dies ist im Grundsatz der sogenannte Teilwert. Hierunter ist derjenige Wert zu verstehen, den ein Dritter für den Erwerb des Wirtschaftsguts aufwenden würde (Verkehrswert). Erwirbt die übertragende Gesellschaft somit eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, die aufgrund von Wertsteigerungen ein Jahr später einen objektiven Verkehrswert von 250.000 € aufweist, und überträgt diese dann unentgeltlich auf eine andere Gesellschaft, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 50.000 €. Die unentgeltliche Übertragung führt damit grundsätzlich auch zur Aufdeckung der in dem Wirtschaftsgut befindlichen stillen Reserven. II. Ausnahme: Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG trägt dem Gedanken Rechnung, dass gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen grundsätzlich keine steuerwürdigen Tatbestände darstellen sollen. Die Regelung eröffnet deshalb verschiedene Möglichkeiten, die es bei einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern erlauben, anstelle des Teilwerts den Buchwert anzusetzen, der sich regelmäßig auf die Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts beläuft. Erwirbt die übertragende Gesellschaft daher eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, beträgt der Buchwert ebenfalls 200.000 €. Durch die Buchwertfortführung wird somit erreicht, dass sich der Veräußerungsgewinn aus der Übertragung immer auf 0 beläuft; die Aufdeckung stiller Reserven sowie die Belastung mit Einkommensteuer wird vermieden. Eine Personengesellschaft verfügt neben ihrem eigenen Vermögen (Gesellschaftsvermögen) über sogenanntes Sonderbetriebsvermögen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um solche Wirtschaftsgüter, die einem der Gesellschafter gehören und die dieser zur Führung des Betriebs der Gesellschaft zur Nutzung überlässt (beispielsweise überlassene Maschinen oder Grundstücke). Das Gesellschaftsvermögen sowie das Sonderbetriebsvermögen stellen gemeinsam das Betriebsvermögen der Personengesellschaft dar. Die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens werden damit für einkommensteuerliche Zwecke der Personengesellschaft zugeordnet, verbleiben zivilrechtlich jedoch individuelles Eigentum des Gesellschafters. Wird ein Wirtschaftsgut zwischen den verschiedenen Betriebsvermögenssphären des Gesellschafters verschoben, ermöglicht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – sofern die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt – grundsätzlich den Ansatz des Buchwerts und damit die Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven. So erfolgt beispielsweise die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (das Gesetz spricht trotz dessen Wegfalls durch das „MoPeG“ von Gesamthandsvermögen) derselben Personengesellschaft (und umgekehrt) unter Fortführung des Buchwerts. Nicht vom Wortlaut der Norm umfasst ist hingegen die direkte Übertragung aus dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer Personengesellschaft in das Gesellschafts-vermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen, beteiligungsidentischen Personengesellschaft. Die Praxis behalf sich in diesen Fällen oftmals mit Ausweichgestaltungen, wie beispielsweise einer zweistufigen, zeitraubenden und aufwändigen Gestaltung über die vorherige Übertragung des Wirtschaftsguts in das Sonderbetriebsvermögen und von dort aus in das Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) der anderen Personengesellschaft. III. BVerfG zu Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften 1. Die Entscheidung des Gerichts Mit Beschluss vom 28.11.2023 (Az. 2 BvL 8/13) entschied nunmehr das BVerfG nach über 10 Jahren Verfahrensdauer[!], dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in seiner aktuellen Fassung – aufgrund der Nichtberücksichtigung der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften – gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des BVerfG werden Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften im Vergleich zu Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen ungleich behandelt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund existiert. 2. Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis Das BVerfG hat den deutschen Gesetzgeber mit seinem Beschluss verpflichtet, eine Neuregelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu treffen, die rückwirkend für alle betroffenen Übertragungen nach dem 31.12.2000 gelten soll. Bis dahin bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsgutstransfers nach dem 31.12.2000 gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird. Die Entscheidung des BVerfG ermöglicht es Steuerpflichtigen damit, künftig Wirtschaftsgüter – ohne den Umweg über das Sonderbetriebsvermögen – direkt auf eine beteiligungsidentische (Schwester-)Personengesellschaft zu Buchwerten zu übertragen. Dies führt zu einer großen Erleichterung bei der Umstrukturierung von Gesellschaftsgruppen. IV. Offene Fragen 1. Übertragungen zwischen nicht beteiligungsidentischen Personengesellschaften Notwendigerweise stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die durch das BVerfG hinsichtlich des Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften getroffene Entscheidung auch auf nur teilweise beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften übertragen lässt. So kann beispielsweise an den folgenden Fall gedacht werden: An der KG 1 sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt, an der KG 2 sind die Gesellschafter A und C zu jeweils 50 % beteiligt. Wird nun ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen der KG 1 in das Gesamthandsvermögen der KG 2 übertragen, dürfte dieser Fall bei strenger Auslegung des BVerfG-Beschlusses nicht zu Buchwerten möglich sein, weil keine Beteiligungsidentität zwischen den Gesellschaften besteht. Durch die Erstellung von Ergänzungsbilanzen wäre in diesem Fall allerdings auch eine teilweise Übertragung zu Buchwerten – nämlich in Höhe der identischen Gesellschaftsbeteiligung des A von 50 % – möglich. Hier könnte dem Gedanken der leistungsgerechten Besteuerung folgend eine gesellschafterbezogene Betrachtung vorzunehmen sein, sodass (nur) eine anteilsmäßige Aufdeckung stiller Reserven verfassungsgemäß wäre. Bei einem weniger strengen Verständnis des BVerfG-Beschlusses läge in Höhe gleicher Beteiligung gerade keine Erhöhung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen vor. 2. Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten Offen ist zudem, ob die Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften lediglich bei unentgeltlichen Übertragungen zu Buchwerten möglich ist oder ob die Beurteilung des BVerfG auch bei der Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten Anwendung findet. Der dem Beschluss des BVerfG zugrundeliegende Sachverhalt umfasste lediglich eine unentgeltliche Übertragung, eine Aussage zur Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten enthält die Entscheidung allerdings nicht. Wie letztere Fälle zu behandeln sein werden, wird voraussichtlich erst geklärt werden, wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung zu § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vornimmt. Gefordert wird in diesem Zusammenhang auch, die Sperrfristenregelung von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG insoweit für unanwendbar zu erklären, da es nicht zum einem Übergang von stillen Reserven auf anderen Personen kommt. V. Fazit Der Beschluss des BVerfG ist für die Praxis erfreulich, weil er nunmehr auch die direkte Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Vermögen einer Personengesellschaft in das Vermögen einer anderen Personengesellschaft bei Beteiligungsidentität zu Buchwerten ermöglicht. Umstrukturierungsvorgänge innerhalb von Gesellschaftsgruppen werden damit massiv vereinfacht. Dennoch wirft die Entscheidung auch eine Reihe von Folgefragen auf, die in naher Zukunft wohl keine Klärung erfahren werden. Es darf daher mit Spannung abgewartet werden, in welcher Weise der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG in einer neuen Fassung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG umsetzen wird. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
23 Apr., 2024
Pelka vertrat die BUND NRW Naturschutzstiftung in einem Finanzgerichtsverfahren und konnte dabei eine unrechtmäßig hohe Festsetzung von Grunderwerbsteuer abwehren. In dem Verfahren ging es um den Erwerb eines Grundstückes durch die BUND NRW Naturschutzstiftung zu Zwecken des Naturschutzes. Der Zweck des Naturschutzes wurde dabei durch grundbuchrechtliche Maßnahmen abgesichert. Bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer ging das beklagte Finanzamt davon aus, dass diese grundbuchrechtlichen Maßnahmen für die Bestimmung der maßgeblichen Gegenleistung nach § 9 GrEStG als weitere sonstige Leistungen und Teil des Kaufpreises zu berücksichtigen seien. Entsprechend setzte es die Grunderwerbsteuer deutlich höher fest, als dies bei der Bemessung nach dem Kaufpreis der Fall gewesen wäre. Auch im Einspruchsverfahren ließ sich das Finanzamt von dieser Auffassung nicht abbringen. Erst im Klageverfahren lenkte das Finanzamt ein und setzte die Grunderwerbsteuer richtigerweise nach dem reinen Kaufpreis fest. Das Verfahren führten Dr. Fabian Riegler (Partner) und Nils Pinzke (Associate).
von Nils Pinzke 10 Apr., 2024
Das Steuerstrafrecht hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. So haben insbesondere in jüngerer Zeit verschiedene prominente Fälle wieder den Fokus auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung gelenkt. Steuerstraftaten stellen nach dem Verständnis des Gesetzgebers schon lange keine Kavaliersdelikte mehr dar. Mit der Selbstanzeige hat der Gesetzgeber jedoch ein Instrument geschaffen, um die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu belohnen. Bei einer wirksamen Selbstanzeige wird der Täter bzw. dessen Gehilfe, typischerweise der Steuerpflichtige oder seine Vertreter, wegen der offenbarten Steuerstraftat(en) grundsätzlich nicht bestraft. Allerdings gibt es Fälle, in denen eine Selbstanzeige allein nicht ausreicht, um etwaige strafrechtliche Konsequenzen einer Steuerstraftat zu vermeiden. In solchen Fällen muss für die Straffreiheit zusätzlich zu einer wirksamen Selbstanzeige noch eine Geldzahlung geleistet werden. I. Besondere Sperrgründe für die Selbstanzeige Die in § 371 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vorgesehene Straffreiheit infolge einer Selbstanzeige tritt nur dann ein, wenn die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. in ihr in vollem Umfang unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt worden sind, und keiner der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt. Wenn etwa die vorsätzlich verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag in Höhe von € 25.000 je Tat übersteigt, ist nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige gesperrt. Diese Betragsschwelle gilt unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Daher kann bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Grenze von € 25.000 die Selbstanzeige für sich allein nicht täter- oder teilnehmerbegünstigend berücksichtigt werden. Ein weiterer Sperrgrund ist in § 370 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO normiert. Die Selbstanzeige ist danach auch dann ausgeschlossen, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO vorliegt. Dazu zählen der Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung eines Amtsträgers, die Mithilfe eines Amtsträgers, die fortgesetzte Begehung der Steuerhinterziehung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege, die bandenmäßige Umsatz- oder Verbrauchsteuerhinterziehung sowie die Steuerhinterziehung unter Verwendung von Drittstaatengesellschaften. Die Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO beziehen sich dagegen vornehmlich auf solche Fallkonstellationen, in denen der Täter davon ausgehen muss, dass seine Tat durch eine baldige Prüfung entdeckt wird oder bereits entdeckt ist und der Täter hiervon Kenntnis hat oder bei verständiger Würdigung der Sachlage von der Entdeckung ausgehen muss. II. Zusätzliche Anforderungen für Straffreiheit nach Selbstanzeige Das Gesetz sieht vor, dass in den genannten Fällen die Straffreiheit auch bei Abgabe einer korrekten Selbstanzeige nicht eintreten soll. Trotzdem kann bei Vorliegen bestimmter Fallkonstellationen im Ergebnis Straffreiheit erreicht werden. Denn unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen kann nach § 398a AO von der Strafverfolgung auch bei einem Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 AO abgesehen werden. 1. Kernaussagen des § 398a AO – Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen Kann eine Selbstanzeige nur deshalb keine strafbefreiende Wirkung entfalten, weil der verkürzte Steuerbetrag € 25.000 je Tat übersteigt (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz Nr. 3 AO) oder weil ein Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO) vorliegt, so wird von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, wenn der an der Tat Beteiligte erstens innerhalb einer ihm angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen, die übrigen Zinsen, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, sowie etwaige Verzugszinsen nach dem Zollkodex der Europäischen Union entrichtet (§ 398a Abs. 1 Nr. 1 AO) und zweitens einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zahlt (§ 398a Abs. 1 Nr. 2 AO). Die Vermeidung eines Strafverfahrens kann also durch Zahlung eines „Zuschlags“ neben den hinterzogenen Steuern und Zinsen vermieden werden, sofern eine vollständige Selbstanzeige eingereicht wurde, deren strafbefreiende Wirkung aber wegen des Vorliegens einer der genannten Sperrgründe gesetzlich ausgeschlossen ist. Dieser „Zuschlag“ richtet sich nicht nach der individuell vorwerfbaren Schuld oder der etwaigen kriminellen Energie, die der Steuerhinterziehung zugrunde liegt, sondern allein nach der Höhe des verkürzten Steuerbetrags. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag € 100.000 nicht, so wird ein zusätzlicher Geldbetrag von 10% der hinterzogenen Steuer fällig. Liegt der Hinterziehungsbetrag zwischen € 100.001 und € 1.000.000, so gilt es einen Geldbetrag in Höhe von 15% des Hinterziehungsbetrags zu zahlen. Sobald der Hinterziehungsbetrag € 1.000.000 übersteigt, muss ein Geldbetrag in Höhe von 20% der verkürzten Steuer entrichtet werden. Bei dem Zuschlag handelt es sich als „freiwillige Zahlung“ lediglich um eine nichtstrafrechtliche Sanktion und damit gerade nicht um eine Strafe im eigentlichen Sinne: So kommt es grundsätzlich nach Erfüllung der in § 398a AO genannten Zahlungen nicht zu einer Eintragung im Bundeszentralregister. 2. Die Zahlung allein garantiert keine Straffreiheit Dennoch gibt § 398a AO keine endgültige Sicherheit: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung der Steuerhinterziehung wegen § 398a AO abzusehen, löst keinen Strafklageverbrauch aus. Sollte die Finanzbehörde im Nachhinein feststellen, dass die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren oder ein anderer Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 AO vorliegt, kann ein aufgrund der Selbstanzeige und der gezahlten Geldauflage eingestelltes Strafverfahren wiederaufgenommen werden. Dies ist typischerweise der Fall, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass die hinterzogenen Steuern deutlich höher ausfallen als in der Selbstanzeige angegeben oder die Tat bereits entdeckt war. In diesem Fall wird der gezahlte Geldbetrag nicht erstattet, wenn es in der Folge zur Verurteilung wegen Steuerhinterziehung kommt. Der Betrag kann allenfalls nach § 398a Abs. 4 Satz 2 AO durch das Gericht auf eine zu verhängende Geldstrafe angerechnet werden. III. Fazit Wenn der Betrag der hinterzogenen Steuer ein so hohes Ausmaß annimmt, dass die Selbstanzeige zunächst gesperrt ist, kann durch die zusätzliche Zahlung eines Geldbetrags zugunsten der Staatskasse gleichwohl Straffreiheit erreicht werden. Dass auch die hinterzogene Steuer sowie die Zinsen gezahlt werden müssen, versteht sich von selbst. Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass zuerst die strengen Voraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt sein müssen. Scheitert es schon an einer korrekten Selbstanzeige, ist eine etwaige Geldzahlung vergeblich und wird im schlimmsten Fall nicht erstattet. Daher ist bei der Korrektur von steuerlichen Fehlern und einer im Raum stehenden Steuerhinterziehung sorgsam zu prüfen, ob die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. vollständig alle steuerlichen Sachverhalte aufführt bzw. Angaben nachholt, und die Liquidität für verkürzte Steuern und Zinsen sowie die zusätzliche Geldzahlung zeitnah beschafft werden kann. Hauptaugenmerk sollten dabei die genaue Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts und die korrekte steuerrechtliche Würdigung der einzelnen Sachverhalte haben. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Barbara Anzellotti 02 Apr., 2024
Wer einen Anspruch hat – etwa den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises bei einem Kaufvertrag – muss diesen innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen. Ist diese Frist abgelaufen und somit Verjährung eingetreten, gibt es keine Möglichkeit mehr, den Anspruch gegen den Vertragspartner durchzusetzen. Dies kann verheerende Auswirkungen haben, insbesondere im Immobilienkaufrecht, wenn es um hohe Beträge und nicht selten auch um die persönliche Zukunft und Lebensumstände geht. Die im Einzelfall anzuwendende Verjährungsfrist ist jedoch häufig schwer zu ermitteln und beschäftigt regelmäßig die Gerichte. So hatte etwa der BGH im Dezember 2023 zu entscheiden, welcher Verjährungsfrist die Gegenleistung beim Bauträgervertrag unterliegt – hierzu mehr unter II. In diesem Beitrag wollen wir daher kurz in die komplexen Verjährungsregeln des Immobilienkaufrechts einführen, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung und der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche. I. Grundlagen der Verjährungseinrede Die Verjährung ist ihrer Natur nach das Recht des Schuldners, die eigentlich geschuldete Leistung an den Gläubiger zu verweigern. Sie vernichtet somit nicht den ursprünglichen Anspruch als solchen, sondern verhindert nur seine Durchsetzbarkeit. Daher kann die Rechtsfolge der verhinderten Durchsetzbarkeit nur dann eintreten, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung auch erhebt, etwa in einem gerichtlichen Verfahren. Tut er dies nicht, verliert er den Prozess, auch wenn der Anspruch eigentlich verjährt ist. Ihrem Zweck nach ist die Verjährungseinrede ein Instrument, welches dem Rechtsfrieden und der Sicherheit im Rechtsverkehr dient. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, dass man sich nach einigen Jahren grundsätzlich darauf verlassen können sollte, nicht plötzlich mit alten Forderungen konfrontiert zu werden. Die regelmäßige Verjährungsfrist im deutschen Zivilrecht beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie findet immer dann Anwendung, wenn nicht die Voraussetzungen einer spezielleren Verjährungsnorm erfüllt sind. Nennenswert sind hier im Kontext des Immobilienkaufrechts die zehnjährige Verjährungsfrist bei Rechten an Grundstücken gemäß § 196 BGB sowie die dreißig-, fünf- und zweijährigen Fristen gemäß § 438 BGB aus dem Kaufrecht. Neben der Dauer der Verjährungsfrist, bereitet auch ihr Beginn häufig Probleme. Zwar beginnt die Frist gem. § 199 Abs. 1 BGB regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den notwendigen Informationen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen, doch besonders im Immobilienkaufrecht wird hiervon häufig durch spezialgesetzliche Regelungen abgewichen, sodass eine Generalisierung kaum möglich ist. II. Kaufpreis Die Zahlung des Kaufpreises stellt einen zentralen Bestandteil des Immobilienkaufvertrags dar: Während sich der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, verpflichtet sich der Verkäufer im Gegenzug dazu, das Eigentum an dem Grundstück an den Käufer zu übertragen. Gemäß § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Dabei ist zu beachten, dass es sich nur dann um eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB handelt, wenn diese wechselbezüglich ist, sich also auf die dingliche Leistung des Vertragspartners bezieht. Die Zahlung eines Kaufpreises stellt somit die wechselbezügliche Gegenleistung des Käufers dar und unterliegt der Regelung des § 196 BGB: Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung verjährt nach zehn Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB zu laufen, wenn der Anspruch entsteht. Der BGH tendiert zu einer eher weitreichenden Anwendung des § 196 BGB. So entschied er am 07.12.2023 (Az.: VII ZR 231/22) zum Vergütungsanspruch des Bauträgers beim Bauträgervertrag, dass auch dieser Anspruch der zehnjährigen Verjährung des § 196 BGB unterliegt, obwohl er sich neben dem Eigentumserwerb auch auf die Bauleistung bezieht. Die geforderte Wechselbezüglichkeit ist zudem nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern kann nach der Rechtsprechung des BGH auch bei gesetzlichen Ansprüchen vorliegen, etwa bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gescheiterter Grundstücksverträge (BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22). III. Gewährleistung Wie auch für andere Kaufverträge gelten für Immobilienkaufverträge die Vorschriften der §§ 433 ff. BGB. Ansprüche aufgrund von Mängeln der Kaufsache richten sich somit nach § 438 BGB: Besteht der Mangel in einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen dieser Herausgabe der Kaufsache verlangen kann, so verjähren entsprechende Gewährleistungsrechte gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB in 30 Jahren. Liegen dagegen Mängel an einem Bauwerk vor, insbesondere an der Bausubstanz, so verjähren diese gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach fünf Jahren. Unter einem Bauwerk im Sinne dieser Vorschrift ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehen, etwa ein Haus, aber auch eine Freiland-Photovoltaikanlage oder Golfanlage. Ebenso von § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB umfasst sind Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben. Entsprechend verjähren daher auch Ansprüche wegen mangelhaften Baumaterials nach fünf Jahren. Liegt keiner dieser Sonderfälle vor, so verjähren Gewährleistungsansprüche gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach zwei Jahren. Dies gilt für den Immobilienkauf also dann, wenn kein Mangel am Bauwerk oder den Baumaterialien vorliegt, also insbesondere beim Kauf eines unbebauten Grundstücks oder wenn bei Verkauf eines bebauten Grundstücks der Mangel am Grundstück und nicht am Bauwerk auftritt (OLG Hamm, Urteil vom 14.1.2016 – I-22 U 136/11). Auch der Verjährungsbeginn ergibt sich aus § 438 BGB: Bei Grundstückskäufen beginnt die Frist gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe, d.h. mit der einverständlichen Einräumung des unmittelbaren Besitzes. Ausschlaggebend ist, dass der Käufer Grundstück und Gebäude effektiv untersuchen kann, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses kommt es somit nicht an. Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend, es steht den Parteien offen einen anderen Zeitpunkt zu vereinbaren. Ein Sonderfall liegt dagegen vor, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. In diesem Fall gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, deren Beginn nach § 199 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Anspruch entstanden ist und der Käufer von dem Mangel Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. Allerdings kann die so zu ermittelnde Verjährung nicht vor Ablauf von fünf Jahren eintreten, wenn es sich um ein Bauwerk oder Baumaterial im Sinne des § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt. IV. Was Sie jetzt tun sollten - Unser Tipp Die Verjährung von Ansprüchen ist ein komplexes Thema mit nicht zu unterschätzenden praktischen Auswirkungen, insbesondere im Immobilienkaufrecht. Umso wichtiger ist es daher die maßgeblichen Verjährungsfristen im Blick zu haben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Verjährung eigener Ansprüche als auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen anderer, wenn möglicherweise die Verjährungsreinrede erhoben werden kann. Selbstverständlich sind wir Ihnen bei der Abwicklung von Immobilienkaufverträgen gerne behilflich und stehen Ihnen jederzeit für eine individuelle Beratung und Einschätzung möglicherweise abgelaufener Verjährungsfristen zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie hierzu unser Kontaktformular aus.
von Anika Brunk und Katja Wamper 27 März, 2024
Mit der Zustimmung des Bundesrates am 22.03.2024 steht dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) nichts mehr im Weg. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland und dessen Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken sowie das Steuerrecht zu vereinfachen. Im Vermittlungsausschuss haben sich jedoch weitere Änderungen des Gesetzes im Vergleich zu der am 17.11.2023 vom Bundestag beschlossenen Fassung ergeben. Zudem sind einige ursprünglich geplante Maßnahmen ersatzlos entfallen. Zuvor waren allerdings einige Regelungen des Wachstumschancengesetzes schon durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz in Kraft getreten. Dieser Beitrag stellt eine Auswahl der nun finalen Maßnahmen überblicksartig dar. I. Bilanzsteuerrechtliche Maßnahmen 1. Degressive Afa für bewegliche Wirtschaftsgüter Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter wird für einen befristeten Zeitraum abermals eingeführt. Hierbei sollen Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden. Der Abschreibungssatz darf höchstens das 2-fache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes ergeben, allenfalls aber 20 %. Dieser Abschreibungssatz ist unveränderlich. 2. Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG Unternehmen, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen abnutzbaren Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, sollen für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter eine Sonderabschreibung von bis zu 40 % der Investitionskosten im Jahr der Anschaffung/Herstellung und in den vier folgenden Jahren geltend machen können. 3. Degressive Afa für Wohngebäude Für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird oder deren Anschaffung mittels geschlossenem Vertrag in diesem Zeitraum erfolgt ist, kann eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Der degressive Abschreibungssatz beträgt 5 % vom jeweiligen Buchwert. 4. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau Die Inanspruchnahme dieser Sonderabschreibung soll für solche Baumaßnahmen gelten, mit denen aufgrund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags/Bauanzeige bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten dürfen in diesen Fällen 5.200 Euro/qm Wohnfläche nicht übersteigen. Bemessungsgrundlage sind max. 4.000 Euro/qm Wohnfläche. Diese Regelung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gelten. II. Unternehmenssteuerrechtliche Maßnahmen 1. Verlustvortrag Grundsätzlich ist der Verlustvortrag bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR (bei Ehegatten) für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den darüberhinausgehenden Teil ist der Verlustvortrag grundsätzlich auf 60% des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Dieser wird nun für die VZ 2024 bis 2027 auf 70% erhöht. 2. Option zur Körperschaftsteuer Bisher konnten nur Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren. Mit dem neuen Gesetz sollen nunmehr alle Personengesellschaften die Option haben. Die Anträge hierfür sollen bei einer Neugründung einer Personengesellschaft bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gestellt werden können. 3. Zinsschranke Bereits mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz wurden die Vorgaben der Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) in die Zinsabzugsbeschränkung mit aufgenommen. Die bisherige Konzernbezogenheit der Zinsschranke bei der Stand-alone-Klausel und bei dem Eigenkapital-Escape wurde aufgegeben. Die neuen Regelungen gelten bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2024. 4. Thesaurierungsbegünstigung Nach § 34a EStG kann auf Antrag eine Besteuerung für nicht entnommene Gewinne einer Personengesellschaft aus Gewerbetrieb, Landwirtschaft oder selbständiger Tätigkeit vorgenommen werden. Der Steuersatz beläuft sich auf 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Der begünstigungsfähige Gewinn soll nunmehr um die gezahlte Gewerbesteuer, die zur Zahlung der Einkommensteuer auf thesaurierte Gewinne entnommen wird, erhöht werden. Die Regelung soll erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 gelten. 5. Obligatorische eRechnung Ab 2028 soll die Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich an ein bundeseinheitliches Meldesystem bestehen. Die Meldung soll über eine sogenannte e-Rechnung erfolgen, die der Richtlinie 2014/55/EU entspricht und in einem strukturierten elektronischen Format verarbeitet werden kann. Ab 2025 soll mit der Einführung dieser eRechnung durch folgende Übergangsvorschriften begonnen werden: Zwischen dem 01.01.2025 und dem 31.12.2026 können bei nach dem 31.12.2023 ausgeführten Umsätzen neben den eRechnungen auch noch sonstige Rechnungen (Papierrechnungen oder Rechnungen in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden. Bis zum 31.12.2027 für einen nach dem 31.12.2026 und vor dem 01.01.2028 ausgeführten Umsatz ist die eRechnung auch obligatorisch für Rechnungsaussteller, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr (2026) der Gesamtumsatz nicht mehr als 800.000 Euro betrug. Ausgenommen von eRechnungen sind Kleinbetragsrechnungen sowie Fahrausweise. Hierzu finden Sie bereits einen Beitrag von Herrn Wu bei den Pelka Insights . III. Steuervereinfachende Maßnahmen 1. Befreiung von Kleinunternehmern von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten Bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung soll künftig die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung entfallen. Ausnahmen gelten für innergemeinschaftliche Erwerbe, Fahrzeuglieferer oder in den Fällen, wo der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Die Regelung soll erstmals für den Besteuerungszeitraum 2024 gelten. 2. Erhöhung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen Die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen soll zukünftig entfallen, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) beträgt. Diese Regelung soll ab dem Besteuerungszeitraum 2025 gelten. 3. Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht nach § 141 AO Gewerbliche Unternehmer und Land- und Forstwirte sind künftig ab einem Gesamtumsatz von 800.000 Euro (bisher 600.000 Euro) oder einem Gewinn von 80.000 Euro (bisher 60.000 Euro) im Kalenderjahr zur Buchführung verpflichtet. IV. Gestrichene Regelungen Im Vermittlungsausschuss sind jedoch einige ursprünglich geplante Maßnahmen weggefallen: Zunächst ist hier die sogenannte Klimaschutz-Investitionsprämie zu nennen, welche eine gewinnunabhängige steuerliche Förderung bestimmter klimafreundlicher Investitionen ermöglichen und so die Wirtschaft zu einem Umdenken bewegen sollte. Diese fällt nun ersatzlos weg. Ebenfalls wurde die Anhebung der Betragsgrenze von 800 EUR auf 1000 EUR bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) sowie die Erhöhung der Betragsgrenze und die Verkürzung der Auflösungsdauer von Sammelposten gestrichen. Zudem war die Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung vorgesehen, welche Mieteinnahmen steuerfrei stellte, wenn diese im Veranlagungszeitraum weniger als 1000 EUR betragen. Auch diese Maßnahme ist im Vermittlungsausschuss weggefallen. Schließlich wurde im Vermittlungsausschuss auch die Beibehaltung des Höchstbetrags für 2024 und 2025 sowie die zeitliche Erweiterung des Verlustrücktrages auf drei Jahre entfernt. Es gelten hier weiterhin die ursprünglichen Betragsgrenzen von 1 Mio. bzw. 2 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung. V. Fazit Aufgrund der umfangreichen steuerrechtlichen Änderungen kann das Wachstumschancengesetz mit einem Jahressteuergesetz verglichen werden. Mit der Zustimmung des Bundesrates steht das Wachstumschancengesetz nun unmittelbar vor Verkündung und Inkrafttreten. Es bleibt abzuwarten, ob die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen ausreichen, um die damit verbundenen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Das Entlastungsvolumen reduzierte sich von geplanten 7 Milliarden EUR auf etwa 3,2 Milliarden EUR. Dies ist insbesondere auf den Wegfall der Klimaschutz-Investitionsprämie zurückzuführen. Dennoch stellt das Wachstumschancengesetz einen ersten Schritt zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen dar. Sollten Sie zu den geplanten Maßnahmen weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie unser Kontaktformular aus.
von Di Wu 20 März, 2024
In Deutschland wird zukünftig im B2B-Bereich die Verwendung sogenannter elektronischer Rechnungen (im Folgenden auch „E-Rechnung“ genannt) obligatorisch sein. Ein im Inland ansässiger Unternehmer wird verpflichtet, für im Inland steuerbare Leistungen (die nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreit sind) eine E-Rechnung auszustellen, wenn auch der Rechnungsempfänger im Inland ansässig ist (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die geplanten Änderungen. I. Hintergrund und aktueller Stand Im Rahmen der ViDA-Initiative der EU-Kommission (ViDA steht für „VAT in the Digital Age“) ist die Einführung eines elektronischen Meldesystems geplant, das unter anderem die bisherigen Zusammenfassenden Meldungen (ZM) ersetzen soll. Ursprünglich sollten die Änderungen bereits in 2028 in Kraft treten, jedoch wird nun über eine Verschiebung auf 2030 bzw. 2032 diskutiert. Es gibt bereits eine geänderte Definition des Begriffs "Elektronische Rechnung" (Art. 217 MwStSystRL) in Vorbereitung auf diese Neuerungen. Unabhängig von der ViDA-Initiative auf europäischer Ebene hat Deutschland bereits im Sommer 2023 mit Durchführungsbeschluss des EU-Rates die Erlaubnis erhalten, abweichende Regelungen von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Bezug auf E-Rechnungen einzuführen. Diese neuen nationalen Regelungen zur E-Rechnung sind im Wachstumschancengesetz enthalten, das vom Bundestag am 17.11.2023 verabschiedet wurde. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens lief ein Vermittlungsverfahren, welches keine inhaltlichen Änderungen hinsichtlich der elektronischen Rechnungsregelungen zur Folge hatte und dessen Ergebnis seit dem 21.2.2024 vorliegt. Das geänderte Wachstumschancengesetz muss jedoch erneut vom Bundestag und (voraussichtlich am 22.3.2024) vom Bundesrat verabschiedet werden (dessen Zustimmung noch nicht gesichert ist), um in Kraft treten zu können. Dass aber die E-Rechnungspflicht in Deutschland eingeführt wird, ist nur eine Frage der Zeit. II. Was wird sich ändern? Ab dem 1. Januar 2025 müssen sich Unternehmen auf neue Begriffsdefinitionen einstellen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ff. UStG-E). Es wird zwischen elektronischen Rechnungen und sonstigen Rechnungen unterschieden. Eine elektronische Rechnung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG-E) ist demnach eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Dieses strukturierte elektronische Format muss den europäischen Normen für die elektronische Rechnungsstellung und den entsprechenden Syntaxen gemäß RL 2014/55/EU entsprechen (und somit auch der CEN-Norm EN 16931). Es ist zu beachten, dass das strukturierte elektronische Format der E-Rechnung auch zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger vereinbart werden kann (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStG-E). Jedoch müssen aus der E-Rechnung im vereinbarten Format die gesetzlich erforderlichen Rechnungsangaben richtig und vollständig extrahiert werden können, in ein Format, das der genannten europäischen Norm entspricht oder damit interoperabel ist. So sind beispielsweise auch über EDI-Verfahren ausgestellte Rechnungen unter Umständen weiterhin zulässig. Formate wie die XRechnung, die bereits im öffentlichen Auftragswesen verwendet wird, oder das hybride ZUGFeRD-Format (eine Kombination aus PDF-Dokument und XML-Datei), erfüllen diese Formatanforderungen (für ZUGFeRD ab Version 2.0.1). Auch andere Rechnungsformate, die nicht ausdrücklich genannt wurden, können grundsätzlich die Anforderungen erfüllen. Mit sonstigen Rechnungen sind dann bspw. Papierrechnung oder auch eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gemeint. III. Wer wird davon betroffen sein? Auch schon heute ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet eine Rechnung auszustellen, wenn er eine Lieferung oder eine sonstige Leistung an einen anderen Unternehmer erbringt (es sei denn, der Umsatz ist nach § 4 Nr. 8 – 29 UStG steuerbefreit). Diese Verpflichtung bleibt durch die Gesetzesänderung unverändert. Neu ist die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Die E-Rechnungspflicht betrifft zunächst nur Umsätze zwischen Unternehmen (B2B). Außerdem müssen sowohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger im Inland ansässig sein. Eine umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland ohne gleichzeitige Ansässigkeit löst per se noch keine Verpflichtung zur E-Rechnungsstellung aus. Ausnahmen von der Verpflichtung gibt es z.B. für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV), die weiterhin als "sonstige Rechnungen" übermittelt werden dürfen, also z.B. in Papierform. IV. Ab wann gilt die E-Rechnungspflicht? Grundsätzlich gilt ab dem 1. Januar 2025 die E-Rechnungspflicht. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Umsetzungsaufwands hat der Gesetzgeber mehrere gestaffelte Übergangsregelungen (§ 27 Abs. 38 UStG-E) eingeführt. Bis zum Ende des Jahres 2026 dürfen für B2B-Umsätze, die in den Jahren 2025 und 2026 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen verwendet werden. Auch sonstige Rechnungen, die nicht dem neuen Format entsprechen (also z.B. eine PDF Rechnung per Email), sind in diesem Zeitraum zulässig, jedoch ist wie bisher die Zustimmung des Rechnungsempfängers erforderlich (§ 27 Abs. 38 Nr. 1 UStG-E). Bis zum Ende des Jahres 2027 dürfen für B2B-Umsätze, die in 2027 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen oder sonstige Rechnungen verwendet werden (ggf. mit Zustimmung des Rechnungsempfängers; vgl. auch oben). Eine zusätzliche Voraussetzung ist jedoch, dass der Rechnungsaussteller einen Vorjahresumsatz (Gesamtumsatz im Sinnes des § 19 Abs. 3 UStG) von maximal 800.000 EUR hat (§ 27 Abs. 38 Nr. 2 UStG-E). Im Ergebnis müssen ab dem Jahr 2028 die neuen Anforderungen an E-Rechnungen und ihre Übermittlung dann zwingend eingehalten werden. V. Welche Auswirkungen hat das für Rechnungsempfänger? Wie bereits oben beschrieben gilt die neue E-Rechnungspflicht ab dem 1. Januar 2025. Ab diesem Zeitpunkt wird der inländische Unternehmer zwar zunächst aufgrund der Übergangsregelungen nicht zwingend zur E-Rechnungstellung verpflichtet. Dieser ist aber auch ohne Zustimmung des Rechnungsempfängers zur E-Rechnungstellung berechtigt. Insofern müssen inländische Unternehmer als Rechnungsempfänger ggf. schon ab dem 1. Januar 2025 in der Lage sein, E-Rechnungen nach den neuen Vorgaben zu empfangen und zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmer, die zwar selbst nur steuerfreie Leistungen erbringen (z.B. Wohnungsvermieter, Ärzte), mittelbar von der E-Rechnung betroffen. Denn auch diese müssen künftig in der Lage sein, elektronische Rechnungen im strukturierten Format zu empfangen und zu archivieren. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abrechnung per Gutschrift (also im umsatzsteuerlichen Sinne eine Rechnung, die vom Leistungsempfänger erstellt wird) durchzuführen, bleibt von der Gesetzesänderung unberührt. Allerdings werden zukünftig die E-Rechnungsregelungen im Hinblick auf das Gutschriftsverfahren wohl entsprechend Anwendung finden. VI. Zusammenfassung und Ausblick Die Einführung einer E-Rechnungspflicht in Deutschland wird mit Sicherheit kommen. Auch in einigen anderen EU-Ländern gibt es unabhängig von der ViDA-Initiative Bestrebungen, eigene nationale Regelungen und E-Rechnungssysteme einzuführen (Italien hat bspw. schon seit Längerem ein eigenes E-Rechnungssystem eingeführt). Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen, vor allem für solche, die grenzüberschreitend Warenlieferungen oder Dienstleistungen erbringen, mitunter herausfordernd, die Übersicht über die verschiedenen Regelungssysteme zu behalten. Mit der beabsichtigten Einführung der E-Rechnungsregelungen ergeben sich aber gleichzeitig neue Fragen, die noch zu klären sind. Offen ist unter anderem, welche Sanktionen dem Unternehmer drohen, wenn eine E-Rechnung nicht empfangen werden kann, oder welche rechtliche Folge es hat, wenn trotz Pflicht zur Erteilung einer E-Rechnung dies nicht erfolgt, etc. Insofern ist das Ergehen eines BMF-Schreibens zu den Detailfragen vor Inkrafttreten wünschenswert. Unabhängig von den gesetzlichen Entwicklungen erwarten immer mehr Unternehmen von ihren Geschäftspartnern, dass sie in der Lage sind, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu versenden. Zudem müssen Unternehmer ab dem 1. Januar 2025 ohnehin die technischen Voraussetzungen zur Entgegennahme einer E-Rechnung im Grundsatz sicherstellen. Daher wächst der Druck zur Umstellung, unabhängig von den Zeitplänen der nationalen oder EU-Gesetzgebung. Da Zeit- und Kostenaufwand für die Umstellung je nach Unternehmensgröße erheblich sein können, ist es ratsam, entsprechende Projektstrukturen zeitnah zu implementieren, sofern dies noch nicht geschehen ist. Gerne sind wir Ihnen behilflich bei der rechtlichen und technischen Umsetzung. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
20 März, 2024
Pelka berät einen Unternehmer nach dem erfolgreichem Verkauf seines ersten Start-Ups bei dem Aufbau eines international agierenden Franchise-Unternehmens der Gastronomie-Branche. In einem ersten Schritt wurde ein branchenerfahrener Geschäftsführer mit einer Minderheit am Unternehmen beteiligt. Pelka hat diesen Einstieg sowohl rechtlich als auch steuerlich begleitet, indem u.a. die notwendigen Verträge rechtlich sicher und steuerlich optimiert gestaltet wurden. Außerdem wurden bereits jetzt Optionsvereinbarungen für einen möglichen späteren Exit ausgearbeitet. Daran anschließend führte ein Investor dem Unternehmen weiteres Kapital zu. Pelka begleitet das Unternehmen auch bei diesem Schritt. Bei der Aufnahme von Investoren sind die Interessenlagen der Gründer sowie der Investoren zu berücksichtigen. Dabei gilt es, einerseits die aktuelle Situation des Unternehmens in den Blick zu nehmen und andererseits schon im Zeitpunkt des Einstiegs die prognostizierte Unternehmenssituation im Zeitpunkt des Exits bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Unsere Beratung ist darauf gerichtet, faire und praktikable Vereinbarungen zu gestalten, damit sich die handelnden Personen nach Vertragsschluss ganz auf das operative Geschäft und den Aufbau des Unternehmens konzentrieren können. Zeit- und energieraubender Unfriede zwischen den Gesellschaftern wird so vermieden. Das Mandat wurde betreut von Dr. Marc von Kopp (M&A, Corporate), Susanne Küsters (Labour Law) sowie von Dr. Eric Hoeveler (Tax und Commercial).
von Nils Pinzke 28 Feb., 2024
Bei der Vielzahl von steuerlichen Pflichten kann nur mit erheblichen Aufwand der Überblick bewahrt und diesen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen werden. Hat man dann noch ein Sonderamt inne, etwa Vereinsvorstand oder Geschäftsführer einer kleinen vermögensverwaltenden GbR, ist das steuerliche Pflichtenchaos schnell komplett. Oftmals fallen Fehler oder Versäumnisse erst im Nachhinein, wenn die Abgabefrist schon abgelaufen oder die Erklärung im Eiltempo erstellt und abgegeben worden ist, auf. Nicht immer reagieren die Finanzbehörden bei Fehlern nachsichtig. Um die Einleitung eines Strafverfahrens zu vermeiden, kann in manchem Fall eine Selbstanzeige geboten sein. I. Wichtige Straftatbestände im Steuerstrafrecht Das Steuerstrafrecht kennt eine Reihe von möglichen Delikten. Zu denken ist etwa an die Steuerhehlerei oder an den bandenmäßigen Schmuggel. Für die Steuerpflichtigen dürften allerdings die Steuerhinterziehung und die leichtfertige Steuerverkürzung die größte praktische Gefahr darstellen, wenn bei der Steuererklärung ein Fehler oder ein Versäumnis unterlaufen ist. 1. Steuerhinterziehung Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist in § 370 Abgabenordnung (AO) geregelt. Danach kann sich der Steuerpflichtige oder sein Vertreter strafbar machen, wenn er vorsätzlich den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt und hierdurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Als verkürzt im Sinne des Gesetzes gelten Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden können. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden, § 370 Abs. 4 Satz 2 AO. Die genauen steuerlichen Pflichten ergeben sich wiederum aus den einzelnen steuerlichen Spezialgesetzen. Das Gesetz sieht einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Das Strafmaß der Steuerhinterziehung erhöht sich bei einem sog. „besonders schweren Fall“ auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn die hinterzogene Steuer den Betrag von € 50.000 erreicht bzw. überschreitet. Eine Geldstrafe ist in einem besonders schweren Fall nicht möglich. 2. Leichtfertigte Steuerverkürzung Bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung handelt es sich nicht um eine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige oder sein Vertreter eine Steuerhinterziehung leichtfertig, d.h. ohne Vorsatz aber mit einem besonders großen Sorgfältigkeitsverstoß, begeht. Bei Zweifeln des Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner steuerlichen Pflichten oder seiner steuerlichen Bewertung eines Sachverhalts kann dieser angehalten sein, sich Rat bei einer fachlich qualifizierten Person einzuholen. II. Die Selbstanzeige: Schutz vor strafrechtlichen Konsequenzen Wer eine wirksame Selbstanzeige zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart abgibt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft. Sollte allenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung im Raum stehen, wird im Fall einer wirksamen Selbstanzeige kein Bußgeld festgesetzt. Sowohl bei der Steuerhinterziehung als auch bei der leichtfertigen Steuerverkürzung müssen allerdings für die Straffreiheit die hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern sowie etwaige (Hinterziehungs-)Zinsen innerhalb einer angemessen Frist entrichtet werden. Die strafbefreiende Wirkung bezieht sich dabei allein auf die Steuerstraftat und nicht auf etwaig mitverübte Straftaten wie etwa Urkundenfälschung oder Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Die Straffreiheit ist indes nicht mit der Steuerfreiheit zu verwechseln. Zwar kommt es nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen, das Steuerverfahren und mithin auch die Steuerforderungen werden nicht beseitigt, wenn die Selbstanzeige erfolgreich ist. III. Sperrgründe für eine Selbstanzeige Sollte der Weg einer Selbstanzeige beschritten werden, sollte vorab geprüft werden, ob dieser Weg noch gangbar ist. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur straf- bzw. bußgeldbefreienden Selbstanzeige in einigen Konstellationen gesperrt. Eine Selbstanzeige kann daher in den nachfolgenden Situationen zu spät sein, sie entfaltet dann keine strafbefreiende Wirkung mehr. 1. Sperrgründe bei der Steuerhinterziehung Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftat dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Dies betrifft Fälle der sog. Außenprüfung bzw. Betriebsprüfung. Die Sperrung der Selbstanzeige erstreckt sich in diesen Fällen auf den zeitlichen und sachlichen Umfang der Außenprüfung. Dies gilt auch, wenn dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (wirksam) bekannt gegeben worden ist. Entsprechend greift die Wirkung der Selbstanzeige ebenfalls nicht ein, wenn ein Amtsträger (der Finanzbehörde) zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit persönlich vorstellig wird bzw. im Sprachstil des Gesetzgebers „erschienen“ ist. Für den Sonderfall einer Umsatzsteuer-Nachschau, einer Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften gilt das zuvor ausgeführte entsprechend, wobei der Amtsträger sich bei Erscheinen auch ausweisen können muss. Einen weiteren Sperrgrund stellt es dar, wenn eine Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Steuerpflichtige dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Wann eine Tat als entdeckt gilt, ist anhand des Einzelfalls zu prüfen. Mitunter kann auch schon die Entdeckung einer Tat im Ausland durch ausländische Behörden ausreichen. Zudem entfaltet die Selbstanzeige grundsätzlich auch dann keine strafbefreiende Wirkung, wenn die hinterzogene Steuer oder der erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil je Tat einen Betrag von € 25.000 übersteigt. Dasselbe gilt, unabhängig vom jeweils hinterzogenen Betrag, sofern ein in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO genannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt. Dies ist etwa der Fall, wenn bei der Steuerhinterziehung nachgemachte oder verfälschte Belege verwendet worden und fortgesetzt Steuern verkürzt worden sind. In diesen Fällen kann jedoch von der Strafverfolgung abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige oder ein sonstiger an der Tat Beteiligter die verkürzten Steuern (inkl. Zinsen) entrichtet und zusätzlich einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse in Höhe von 10% bis 20% des Hinterziehungsbetrags zahlt. 2. Sperrgrund bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung Da es bei der leichtfertigen Steuerverkürzung kein „Wissen“ um eine etwaige Steuerverkürzung gibt, gibt es hier nur einen Sperrgrund, der die Wirksamkeit der Selbstanzeige hindert: Dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter darf die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der gegenständlichen Tat nicht bekannt gegeben worden sein. Die Bekanntgabe richtet sich dabei nach den allgemeinen Vorschriften. IV. Fazit Sollte sich im Nachhinein zeigen, dass bei der Abgabe einer Erklärung ein Fehler unterlaufen oder eine Abgabefrist versäumt worden ist, ist eine Korrektur durch den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter vorzunehmen. Frei nach dem Motto „better safe than sorry“ sollte dann auch immer daran gedacht werden, ob die Nacherklärung im Zweifel auch den Anforderungen einer Selbstanzeige genügt. Die Reaktionen der verschiedenen Finanzämter unterscheiden sich stark und lassen sich im Vorfeld nicht immer abschätzen. Sollte die Korrektur letztlich auf eine Selbstanzeige hinauslaufen, sollte der Steuerpflichtige oder sein Vertreter stets bedenken, dass die Selbstanzeige ihre Wirkung nur entfalten kann, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen gänzlich entspricht. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
21 Feb., 2024
Pelka führte für eine Mandantin ein erfolgreiches finanzgerichtliches Klageverfahren mit dem Ziel der Auszahlung des Kindergeldes während der gesamten Ausbildungszeit. Im Kern wurde um die Frage gestritten, ob die Familienkasse eine sog. mehraktige Ausbildung zwischen Ausbildungsabschluss und Studium beim Berufsziel Steuerberater anerkennen muss. Das Kind der Mandantin hatte zunächst die Ausbildung zur Steuerfachangestellten absolviert und danach in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. Nach dem Ende der Ausbildung strebte das Kind ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Steuern an. Zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Studienbeginn lagen einige Monate, währenddessen das Kind im Ausbildungsbetrieb zur Überbrückung arbeitete. Die Familienkasse stellte die Kindergeldzahlungen ein und blieb bis zur Klageerhebung der Ansicht, dass jede Ausübung einer Berufstätigkeit für den Kindergeldanspruch schädlich sei und jede folgende Ausbildungsmaßnahme eine nebenberufliche Weiterbildung des Kindes darstelle. Nach Klageerhebung beschied die Familienkasse innerhalb kurzer Zeit, dass vorliegend Kindergeld für den gesamten Ausbildungszeitraum auszuzahlen sei. Durch die Klage konnte die Familienkasse dazu bewegt werden, eine mehraktige Berufsausbildung zwischen der Absolvierung der Ausbildung des Steuerfachangestellten und dem nachfolgenden Studium anzuerkennen. Vorliegend war auch entscheidend, dass eine etwaig ausgeübte Nebentätigkeit neben der Ausbildung und dem Studium in den Hintergrund tritt, anderenfalls hätte dies den Kindergeldanspruch gefährden können. Das Verfahren führten die Rechtsanwälte Nils Pinzke und Julia Weber (beide Asscociate). Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Edgar Hommelsheim 21 Feb., 2024
I. Sachverhalt Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt in einem Grundsatzurteil geklärt, welche baulichen Veränderungen Wohnungseigentümer verlangen können, um einen barrierefreien Zugang zu ihren Wohnungen zu erhalten. Im Streitfall geht es um ein in den Jahren 1911 und 1912 errichtetes mehrgeschossiges Wohngebäude, bestehend aus einem Vorderhaus und einem Hinterhaus. Letzteres war früher ein sog. Gesindehaus, in dem ursprünglich die Bediensteten wohnten, mit einem sehr engen, weniger als einem Meter breiten Treppenhaus, das den Einbau eines Treppenlifts nicht zulässt. Zwei ältere Wohnungseigentümer, deren Wohnungen sich im dritten und vierten Obergeschoss des Hinterhauses befinden, wollen dort auf eigene Kosten einen Außenaufzug anbringen lassen, um einen einfacheren Zugang zu ihren Wohnungen zu erhalten. Auf einer Eigentümerversammlung lehnte die Mehrheit der Wohnungseigentümer die Errichtung eines Außenaufzugs jedoch u. a. mit der Begründung ab, ein Außenaufzug stelle eine große bauliche Maßnahme dar, in deren Folge der Innenhof noch enger und der Platz für Fahrräder und Mülltonnen unnötig eingeschränkt würde. Die beiden Wohnungseigentümer haben ihre Ansprüche gerichtlich geltend gemacht und mit ihrer Klage beantragt, einen zustimmenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Errichtung des Außenaufzugs für das Hinterhaus gerichtlich zu ersetzen. Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht (LG) München I entschieden, dass auf Verlangen der Kläger durch die Wohnungseigentümergemeinschaft beschlossen ist, dass am Hinterhaus ein Personenaufzug zu errichten ist. Die hiergegen gerichtete Revision der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hat der BGH mit Urteil vom 09.02.2024 – V ZR 244/22 – zurückgewiesen und die Entscheidung des LG München I bestätigt. II. Rechtslage Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Neufassung der Bestimmungen des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) kann jeder Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG angemessene bauliche Veränderungen verlangen, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dienen. III. Entscheidung des BGH Mit seiner Entscheidung hat der BGH insbesondere geklärt, dass bauliche Veränderungen im Sinne des § 20 Abs. 2 WEG auch dann zulässig sind, wenn sie eine Sondernutzungsbefugnis zur Folge haben (siehe unten 1.), und was unter „angemessenen baulichen Veränderungen“ im Sinne des § 20 Abs. 2 WEG zu verstehen ist (siehe unten 2.). 1. Nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Gesetzeslage hätten die Kläger keinen Anspruch auf die Errichtung des Außenaufzugs gehabt, weil dieser nur ihnen im Wege eines Sondernutzungsrechts zur Verfügung steht und die übrigen Wohnungseigentümer entgegen § 13 Abs. 2 Satz 1 WEG aF (jetzt § 16 Abs. 1 Satz 3 WEG) vom Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums ausgeschlossen werden. Eine solche bauliche Veränderung hätte daher nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Gesetzeslage einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedurft und nicht Gegenstand einer den Beschluss ersetzenden gerichtlichen Entscheidung sein können. Nach der seit dem 01.12.2020 geltenden Gesetzeslage können Wohnungseigentümer eine bauliche Veränderung grundsätzlich auch dann beschließen, wenn die Beschlussfassung die Zuweisung einer ausschließlichen Nutzungsbefugnis an dem dafür vorgesehenen Gemeinschaftseigentum zur Folge hat; einer Vereinbarung der Wohnungseigentümer bedarf es hierfür nicht mehr. Dies ergibt sich aus § 21 WEG und den in dieser Vorschrift enthaltenen Regelungen über die Kosten und Nutzen bei baulichen Veränderungen: Wird auf Verlangen eines Wohnungseigentümers eine bauliche Veränderung durchgeführt, so hat er gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG die Kosten allein zu tragen und nur ihm gebühren gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 WEG die Nutzungen, sofern ein ausschließlicher Gebrauch des baulich veränderten Gemeinschaftseigentums möglich ist. Nach Auffassung des BGH kommt in diesen Regelungen zum Ausdruck, dass mit der Reform des Wohnungseigentumsrechts eine Beschlussfassung über bauliche Veränderungen gerade auch dann ermöglicht werden sollte, wenn dies eine ausschließliche Nutzungsbefugnis zur Folge hat; hierin bestand ein erklärtes Ziel der Reform des Wohnungseigentumsrechts. 2. Die Errichtung eines Außenaufzugs stellt auch eine angemessene bauliche Veränderung gem. § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG dar, weil sie dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen dient. Das Kriterium der Angemessenheit einer baulichen Veränderung im Sinne dieser Vorschrift dient nach dem Willen des Gesetzgebers dazu, im konkreten Einzelfall unangemessene Forderungen eines Wohnungseigentümers zurückweisen zu können. Eine bauliche Veränderung, die einem der in § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WEG aufgeführten Zwecke dient, ist nach Auffassung des BGH regelmäßig angemessen und die Angemessenheit ist nur ausnahmsweise, z. B. aufgrund außergewöhnlicher baulicher Gegebenheiten, zu verneinen, wenn die bauliche Veränderung bei der Gesamtheit der davon betroffenen Wohnungseigentümer zu Nachteilen führt, die bei wertender Betrachtung außer Verhältnis zu ihrem Zweck stehen. Nachteile, die typischerweise aufgrund einer privilegierten baulichen Veränderung eintreten, begründen regelmäßig nicht deren Unangemessenheit. a) Typischerweise eintretende Nachteile, wie etwa erforderliche Eingriffe in die Bausubstanz, übliche Nutzungsbeschränkungen des Gemeinschaftseigentums und optische Veränderungen des Gebäudes aufgrund von Anbauten, können die Unangemessenheit daher regelmäßig nicht begründen. Insoweit hat bereits das LG München I nach Auffassung des BGH zutreffend darauf hingewiesen, dass Nutzungseinschränkungen im Bereich des Innenhofs aus Rechtsgründen nicht als ausreichend angesehen werden können, um die verlangte Errichtung eines Außenaufzugs als unangemessen anzusehen. b) Bei der Abwägung, ob eine bauliche Veränderung angemessen ist, sind regelmäßig nur solche Folgen relevant, die sich für die Gesamtheit der Wohnungseigentümer negativ auswirken. Dies beruht darauf, dass das Gesetz Beeinträchtigungen einzelner Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 4, Halbsatz 1, Alt. 2 WEG (unbillige Benachteiligung eines Wohnungseigentümers) berücksichtigt; solche individuellen Nachteile können daher nicht zugleich die Angemessenheit einer privilegierten baulichen Veränderung per se beseitigen. Es muss sich zudem um Nachteile handeln, die unabhängig von der Art und Weise der Bauausführung, einschließlich der konkreten baulichen Details, eintreten und nicht durch bestimmte Bedingungen und Auflagen gemäß § 20 Abs. 2 WEG beseitigt bzw. abgemildert werden können. c) Die Kosten der baulichen Veränderung sind grundsätzlich ohne Bedeutung für das Bestehen eines Anspruchs nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 WEG; sie sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 WEG von dem die bauliche Veränderung verlangenden Wohnungseigentümer zu tragen. Der Begriff der Kosten in § 21 WEG ist weit auszulegen und umfasst auch Folgekosten des Gebrauchs und der Erhaltung des baulich veränderten Gemeinschaftseigentums, die etwa durch erhöhte Versicherungsprämien, die Wahrnehmung von Kontroll- und Überwachungspflichten oder durch Wartung und Reparatur entstehen. IV. Bedeutung der Entscheidung des Landgerichts München Nach Auffassung des BGH hat der Gesetzgeber ein gesamtgesellschaftliches Interesse an den gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 WEG privilegierten baulichen Veränderungen zugrunde gelegt, deren ggf. negative Folgen dem objektiven Nutzen der Maßnahmen für die Erreichung der gesetzlich verfolgten Zwecke gegenüberzustellen sind, was nur ausnahmsweise zu einer Unangemessenheit einer baulichen Veränderung führen kann. V. Fazit Wie schon im Mietrecht, wo der Mieter gemäß § 554 Abs. 1 BGB vom Vermieter die Vornahme baulicher Veränderungen verlangen kann, die u. a. den barrierefreien Gebrauch der Mietsache durch Menschen mit Behinderungen ermöglichen, hat der Gesetzgeber mit der Novellierung des Wohnungseigentumsrechts in § 20 Abs. 2 WEG auch entsprechende Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer normiert. Wenn Sie als Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 2 WEG Ansprüche auf Gestattung baulicher Veränderungen des Gemeinschaftseigentums geltend machen wollen, dann beraten wir Sie gerne. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
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