Vor dem Hintergrund der allseits fortschreitenden Digitalisierung wird die elektronische Signatur zurzeit rechtlich kontrovers diskutiert. Aktuell ist deren Einsatz noch mit erheblichen Risiken behaftet. Dies wurde durch die Entscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.09.2021 verdeutlicht, die kürzlich vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt wurde. Das Gericht beschäftigte sich mit der Frage, ob der streitgegenständliche Arbeitsvertrag wirksam befristet worden war.
Die Klägerin war über einen längeren Zeitraum für ein Leiharbeitsunternehmen tätig, welches mit ihr mehr als 20 befristete Arbeitsverträge abgeschlossen hatte. Diese waren jeweils auf nur wenige Tage befristet und mittels eingescannter Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten „unterzeichnet“. Die Klägerin erhob schließlich Klage mit dem Ziel, die Befristung des zuletzt abgeschlossenen Vertrags wegen fehlender Einhaltung des Schriftformerfordernisses für unwirksam erklären zu lassen. Nachdem sich das Arbeitsgericht Berlin der Argumentation der Klägerin angeschlossen und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses auf unbestimmte Zeit festgestellt hatte, rief der Beklagte die Berufungsinstanz an, das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG). Doch auch hier unterlag der Beklagte: Die Entscheidung des LAG vom 16.03.2022, die bisher nur als Pressemitteilung vorliegt, fiel zugunsten der Klägerin aus.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
Das LAG verweist darauf, dass die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung aufgrund der eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten gegen das Schriftformerfordernis aus § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) verstoße. Zur Wahrung der gem. § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlichen Schriftform (§ 126 BGB) sei eine eigenhändige Unterschrift oder zumindest eine qualifizierte elektronische Signatur beider Vertragsparteien erforderlich. Letzteres ist allerdings in der Literatur nicht unumstritten. Teilweise wird unter Bezug auf die Entstehungsgeschichte des Gesetzes und auf die Gesetzesbegründung die Auffassung vertreten, die elektronische Form sei unzulässig.
Der Scan einer Unterschrift, wie er im entschiedenen Fall vorlag, erfüllte jedoch unstreitig weder die die Voraussetzungen der Schriftform noch die Voraussetzungen einer qualifizierten elektronischen Signatur. Bei einer mechanischen Vervielfältigung der Unterschrift, auch durch datenmäßige Vervielfältigung durch Computereinblendung in Form eines Scans, liege keine Eigenhändigkeit vor. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur genüge ein Scan ebenfalls nicht, so das LAG.
III. Die elektronische Signatur
Die Ausführungen des LAG legen nahe, dass die digitale Unterschrift im entschiedenen Fall zwar unwirksam war, aber dass grundsätzlich die Möglichkeit einer digitalen Unterzeichnung besteht. Wie also können Arbeitsverträge wirksam und dennoch digital, bzw. elektronisch unterzeichnet werden?
Zunächst ist zwischen der (einfachen) elektronischen Signatur, der fortgeschrittenen elektronischen Signatur und der qualifizierten elektronischen Signatur zu unterscheiden. Alle drei Formen der elektronischen Signatur sind samt ihren Voraussetzungen in der am 23. 04. 2014 in Kraft getretenen europäischen eIDAS-Verordnung Nr. 910/2014 (eIDAS-VO) geregelt. „eIDAS“ steht dabei für „electronic IDentification, Authentication and trust Services“.
1. Die (einfache) elektronische Signatur
Hierunter sind Daten in elektronischer Form zu verstehen, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet (Art. 3 Nr. 10 eIDAS-VO). Es handelt sich hierbei um die unkomplizierteste Form einer elektronischen Signatur. Von der Regelung umfasst sind beispielsweise die eingescannte Unterschrift oder der Namenszug unter einer E-Mail.
2. Die fortgeschrittene elektronische Signatur
Die fortgeschrittene elektronische Signatur ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass sie eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet werden kann und dessen Identifizierung ermöglicht. Das bedeutet, dass sie gemäß Art. 3 Nr. 11 eIDAS-VO den Anforderungen des Artikels 26 der eIDAS-VO entsprechen muss. Anders als bei der einfachen elektronischen Signatur ist eine zusätzliche Authentifizierung erforderlich, die beispielsweise durch Eingabe eines zuvor an den Unterzeichner per SMS versandten PIN-Codes erfolgen kann.
3. Die qualifizierte elektronische Signatur
Den höchsten Sicherheitsstandard bietet die qualifizierte elektronische Signatur. Nur bei dieser Form der elektronischen Signatur wird die Identität des Unterzeichners, der sich aus dem unterzeichneten Dokument ergibt, überprüft. Gemäß Art. 3 Nr. 12, 15 und 23 eIDAS-VO liegt eine qualifizierte elektronische Signatur dann vor, wenn eine fortgeschrittene elektronische Signatur zusätzlich von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde, welche auf einem qualifizierten Zertifikat für elektronische Signaturen beruht. Art. 25 Abs. 2 eIDAS-VO legt fest, dass der qualifizierten elektronischen Signatur die gleiche Rechtswirkung zukommt wie einer handschriftlichen Unterschrift.
IV. Bedeutung für das Arbeitsrecht
Prinzipiell kommen elektronische Signaturen im Arbeitsrecht an verschiedenen Stellen in Betracht.
1. Arbeitsvertrag
Arbeitsverträge sind zwar grundsätzlich formfrei möglich und könnten folglich theoretisch durch Unterzeichnung mittels einfacher, fortgeschrittener oder qualifizierter elektronischer Signatur geschlossen werden. Dennoch kommt letztlich, wenn überhaupt, nur die Unterzeichnung durch qualifizierte elektronische Signatur in Betracht. § 2 Nachweisgesetz (NachwG) erfordert nämlich die schriftliche Niederlegung, Unterzeichnung und Aushändigung der wesentlichen Vertragsbedingungen. Zwar kommt der Arbeitsvertrag zum Schutz des Arbeitnehmers auch dann zustande, wenn die Regelungen des NachwG nicht beachtet werden. Aus Arbeitgebersicht drohen aber für den Fall eines Rechtsstreits erhebliche Nachteile bei der Beweisführung.
Wie oben bereits erwähnt wurde, ist bei befristeten Verträgen derzeit noch umstritten, ob eine qualifizierte elektronische Signatur für eine wirksame Befristungsabrede genügt. Eine höchstrichterliche Entscheidung steht noch aus, so dass aus Vorsichtsgründen jedenfalls befristete Verträge auf alle Fälle handschriftlich unterzeichnet werden sollten.
2. Kündigung und Zeugnis
Sowohl für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mittels Kündigung oder Auflösungsvertrags, als auch für das Arbeitszeugnis ist die elektronische Form ausdrücklich ausgeschlossen. Notwendig ist eine physische Urkunde, die handschriftlich unterzeichnet ist.
Die entsprechende Regelung für die Kündigung findet sich in § 623 BGB. Dort heißt es wörtlich:
Achtung: Soweit für die Kündigung eine Vollmacht erforderlich ist, ist eine ausdrückliche Kündigungsvollmacht notwendig, die ebenfalls im Original und handschriftlich unterzeichnet vorzulegen ist.
Auch das Arbeitszeugnis muss gem. § 630 BGB schriftlich auf Papier ausgefertigt und eigenhändig unterschrieben werden. Durch ein mit qualifizierter elektronischer Signatur versehenes Arbeitszeugnis wird der Anspruch des Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung also nicht erfüllt.
V. Fazit und Praxisempfehlung
Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung zeichnen sich auch im Arbeitsrecht immer mehr Veränderungen ab. Dabei wird insbesondere die elektronische Signatur – egal in welcher Form – wohl noch lange ein umstrittenes Thema bleiben. Die zahlreichen Fragen rund um dieses Thema werden die Rechtsprechung auf absehbare Zeit beschäftigen und herausfordern, bis letztinstanzliche Urteile getroffen werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt sollte aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten trotz des nachvollziehbaren Bedürfnisses nach Vereinfachung und Digitalisierung in den meisten Fällen des arbeitsrechtlichen Alltags die Schriftform gewählt werden. Es empfiehlt sich daher für Arbeitgeber, ihre digitalen Abläufe im Hinblick auf die dargestellten Formerfordernisse genauestens zu überprüfen und, wenn notwendig, zu verändern.