Das neue Unternehmensbasisregister im Zusammenspiel mit dem Transparenzregister und dem Handelsregister. Neue Pflichten oder Risiken? 

I. Einleitung

Das Handelsregister ist aus dem Alltag von Einzelkaufleuten sowie kleiner, mittelständischer und großer Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Um alle Eintragungen auf dem neuesten Stand zu halten, braucht man regelmäßig einen Notar.

Die sich ständig erweiternden Pflichten aus dem Transparenzregister kann man mittlerweile als Unternehmer nicht mehr ignorieren. Wer diese dennoch ignoriert, bekommt möglicherweise unerwünschte Post vom Bundesverwaltungsamt in Form eines Anhörungsbogens für ein Bußgeldverfahren. Um alle Eintragungen auf den neuesten Stand zu halten, braucht man regelmäßig einen Rechtsberater.

Kurzfristig soll es ein weiteres Register geben, das Register über Unternehmensbasisdaten (Basisregister). Um dort mögliche Pflichten oder Risiken zu identifizieren, braucht man erst mal ein Grundverständnis worum es sich handelt und worauf es abzielt. Dabei möchten wir mit diesem Beitrag behilflich sein.  
Zur Erklärung heißt es in der Pressemitteilung auf der Homepage des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie:

„Das Basisregister und eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer für Unternehmen werden zukünftig für erheblich weniger Bürokratie bei den Unternehmen und eine Entlastung der Verwaltung sorgen. Unternehmen sollen künftig ihre Daten nur noch einmal nennen müssen – alle Behörden können dann darauf zugreifen.“

Drei Register, aber nur eine einmalige Nennung von Daten? Nach einer solchen Ankündigung lohnt sich ein vergleichender Blick:

II. Das Handelsregister

1. Adressaten und Registerstelle

Adressat des Handelsregisters sind juristische Personen und Personenvereinigungen, aber auch eingetragene Einzelkaufleute.

„Das“ Handelsregister ist kein einheitliches Register, sondern wird von den Amtsgerichten für ihren jeweiligen Bezirk geführt und verwaltet, es gibt mithin eine Vielzahl von Registerstellen mit regelmäßig voneinander abweichender Verwaltungspraxis.

2. Inhalt und Zweck

Das Handelsregister enthält verschiedene Daten von Unternehmen, die im unternehmerischen Verkehr gebraucht werden: Firmenname, Sitz, Handelsregisternummer, Gesellschaftszweck, (Mindest-) Kapital, Vertretungsregelungen, Geschäftsführer, Prokuristen, weitere Eintragungen wie zum Beispiel erfolgte Rechtsnachfolgen durch Verschmelzungen sowie die jeweiligen Zeitpunkte der Eintragungen und Austragungen.

Der Zweck des Registers ist es den Rechts- und Geschäftsverkehr zu erleichtern, indem Vertragspartner sich auf gewisse Eintragungen im Handelsregister verlassen können. Die Eintragungen schaffen insbesondere im zivilrechtlichen Rechtsverkehr Sicherheit und Vertrauen.

Wenn die Eintragungen nicht vollständig oder nicht richtig sind, drohen z.B. durch Vertragspartner die Zurückweisung von Vertragsabschlüssen mit gesetzlichen Vertretern wie Geschäftsführern oder Prokuristen, die nicht eingetragen sind, Legitimationsprobleme zum Beispiel bei Finanzierungsgesprächen mit Banken und für GmbHs im schlimmsten Fall sogar ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, wenn keine korrekte und aktuelle Gesellschafterliste hinterlegt ist.

In den typischen Fällen kann sich der Vertragspartner auf eine Eintragung im Handelsregister berufen, auch wenn sich nachträglich herausstellt, dass diese objektiv falsch war. Im Wesentlichen erfolgen die Eintragungen mithin im Eigeninteresse des Unternehmers.

3. Handlungsbedarf für Unternehmer

Die Unternehmen sind regelmäßig selbst dafür verantwortlich, Richtigkeit und Aktualität des Registers zu pflegen. Die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Prokuristen z.B. muss eingetragen werden, ist aber auch ohne Eintragung bereits wirksam. Dasselbe gilt für die Abberufung. Ist eine Eintragung falsch, oder nicht mehr richtig, oder ist eine Gesellschafterliste nicht aktuell, treffen die negativen Folgen primär das Unternehmen selbst. Eintragungen zum Handelsregister müssen regelmäßig notariell beglaubigt werden, sodass die Notare zwar die Handelsregisteranmeldungen einreichen, dies aber in den meisten Fällen nur auf Veranlassung des Unternehmers selbst. Nur in einzelnen Bereichen sind Notare ermächtigt, oder auch verpflichtet, gewisse Eintragungen oder Einreichungen an das Handelsregister eigenständig zu veranlassen, soweit sie an einer entsprechenden Urkunde mitgewirkt haben.

Die Verhängung von Bußgeldern ist möglich, aber eher selten, weil nicht eingetragene Änderungen von den Behörden schwer zu prüfen sind, aber wohl auch weil die Eintragungen primär im Eigeninteresse des Unternehmers erfolgen. Ganz anders ist dies beim Transparenzregister, bei dem die Eintragungen im staatlichen Interesse erfolgen und der Mangel von Eintragungen in vielen Fällen eindeutig zu erkennen ist.

III. Das Transparenzregister

1. Adressaten und Registerstelle

Das Transparenzregister hat einen ganz anderen Ansatzpunkt: Es werden keine Unternehmen gelistet, sondern natürliche Personen und auch nicht alle, sondern nur solche, die die wesentlichen wirtschaftlichen Vorteile aus einem Unternehmen treffen und/oder die wesentlichen Einfluss auf die Geschicke eines Unternehmens haben. Eingetragen wird mithin der sogenannte Wirtschaftlich Berechtigte, dessen Bestimmung in Konzernfällen durchaus schwierig sein kann. Das Transparenzregister listet mithin natürliche Personen, ordnet diese aber bestehenden juristischen Personen und Personenvereinigungen als Wirtschaftlich Berechtigte zu. Wer Informationen über eine im Handelsregister eingetragene Personenvereinigung sucht, kann im Transparenzregister den zugehörigen Wirtschaftlich Berechtigten ermitteln, wobei derzeit noch gesetzliche Fiktionen gelten, was dazu führt, dass bei manchen Unternehmen richtigerweise kein Eintrag erfolgt. Der Leser braucht mithin Rechtskenntnisse. Für eine umfassende Information muss der Anwender mithin in zwei Register schauen.

Das Transparenzregister wird vom Bundesanzeiger Verlag als registerführende Stelle in der Rechtsform der GmbH geführt und ist ein bundeseinheitliches Register.

2. Inhalt und Zweck

Zweck der Führung des Transparenzregisters ist die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung. Wer von diesen schweren Vorwürfen betroffen ist, wird eine Eintragung lieber vermeiden wollen. Die Eintragung erfolgt mithin nicht im Eigeninteresse, sondern im rechtsstaatlichen Interesse. Da der Zweck die Vermeidung und Verfolgung schwerer Straftaten ist, werden fehlende oder falsche Eintragungen behördlich nachhaltig mit Bußgeldern geahndet. Bei dem Bußgeld geht es nicht um die Ahndung schwerer Straftaten an sich, sondern Anknüpfungspunkte von Bußgeldverfahren sind falsche oder fehlende Angaben im Transparenzregister und treffen mithin auch rechtschaffende Bürger.

3. Handlungsbedarf für Unternehmer

Für die Pflege der Aktualität seiner Eintragungen im Transparenzregister ist allein der Unternehmer selbst, bzw. dessen gesetzlicher Vertreter verantwortlich. 

Für das Transparenzregister ist erneut eine Gesetzesänderung geplant, aber noch nicht vollzogen. Der Bundesrat hat am 25. Juni 2021 den Bundestagsbeschluss zum Transparenzregister- und Finanzinformationsgesetz vom 10. Juni 2021 - mit einer Privilegierung für eingetragene Vereine - gebilligt. Ein Inkrafttreten des Gesetzes wird zum 1. August 2021 erwartet. Das bisherige Auffangregister soll zum Vollregister werden. Bisher bestehen gesetzliche Ausnahmen durch Verweise auf andere Register, insbesondere das Handels- bzw. Vereinsregister. Soweit gewisse Daten aus anderen öffentlichen, elektronisch abrufbaren Registern einsehbar sind, entfällt eine Meldepflicht zum Transparenzregister. Diese Ausnahmen sollen wegfallen, jegliche Wirtschaftlich Berechtigten, auch Vertretungsorgane als sogenannte fiktive Wirtschaftlich Berechtigte müssen zukünftig aktiv gemeldet werden. Sofern für ein Unternehmen danach gar keine Eintragung gemacht ist, ist der Verstoß zukünftig offensichtlich. Insoweit gilt bereits jetzt dringender Handlungsbedarf und zwar nicht nur für eine Erstmeldung, sondern auch für notwendige Aktualisierungen.

Unanfechtbare Bußgeldentscheidungen über mindestens 200,00 Euro werden im Internet veröffentlicht, unter Nennung der Namen der Sünder. Die veröffentlichte Liste ist Stand Mitte Mai 2021 bei Nummer 314. Die Summe der 200,00 Euro sollte jedoch nicht täuschen; typische Bußgelder liegen schnell im fünfstelligen Bereich.

IV. Basisregister

1. Adressaten und Registerstelle

Das Gesetz sieht noch einmal einen anderen Adressatenkreis als das Handelsregister einerseits und das Transparenzregister andererseits vor. Es sollen alle „wirtschaftlich aktiven Einheiten“ in Deutschland er-fasst werden. Dazu zählen juristische Personen, Personenvereinigungen, aber auch „natürliche Personen, die wirtschaftlich tätig“ sind (Wirtschaftlich Tätige). Bei letzteren dürfte es sich auch um Personen handeln, die derzeit weder im Handelsregister noch im Transparenzregister eingetragen werden müssen.

Das Register wird beim Statistischen Bundesamt als Registerbehörde geführt.

Allerdings hat das Basisregister einen ganz anderen Ansatzpunkt, denn es vermittelt keine Pflichten für die zu registrierenden Personen. Zu diesem Punkt gibt es derzeit wohl noch einige Irritationen. Vielmehr wird das Basisregister aus bereits in anderen Registern oder sonstigen Datenbeständen vorhandenen Daten der öffentlichen Stellen erstellt. Zum Zwecke des Aufbaus und zur Führung des Basisregisters werden der Registerbehörde Bestandsdaten von öffentlichen Stellen übermittelt.

Anders als beim Handelsregister und beim Transparenzregister wird nach dem bisherigen Gesetzesentwurf weder die Allgemeinheit, noch ein bestimmter Kreis von Unternehmern Zugang zum Basisregister bekommen. Das Basisregister ist mithin nur für Behörden einsehbar! Für das Informationsinteresse des betroffenen Unternehmers selbst gilt folgendes: Nach dem Gesetz können Unternehmen, die keine natürlichen Personen sind, Auskünfte über die sie betreffenden Protokolldaten verlangen. Dies dürfte wohl umgekehrt bedeuten, dass natürliche Personen Auskünfte über die sie betreffenden Protokolldaten nicht verlangen können. Nach dem Gesetzesentwurf und dessen Begründung handelt es sich bei Protokolldaten um „protokollierte Datenübermittlungen durch die Registerbehörde“. Nach dem so gefassten Wortlaut scheint dies dagegen nicht die Datenübermittlung an die Registerbehörde zu umfassen. D.h. der Unternehmer, der keine natürliche Person ist, kann auf Antrag erfahren an wen die Registerbehörde seine Daten übermittelt hat, jedoch nicht, welche Daten über ihn ursprünglich an die Registerbehörde gegangen sind. Ob dieser Umstand so umgesetzt wird, oder auf Ablehnung stößt, bleibt abzuwarten.

2. Inhalt und Zweck 

Das Register soll alle Stammdaten, wie Namen, Sitz, Geschäftsanschrift, Rechts-form und Wirtschaftszweig erfassen. Diese Daten sind im Wesentlichen bereits im Handelsregister erfasst, wobei dort nicht der Wirtschaftszweig, sondern der Gesellschaftszweck veröffentlicht ist; zwei Begriffe die sich zwar meist auseinander ableiten lassen, aber nicht identisch sind. 

Das Handelsregister hat insoweit einen anderen Adressatenkreis, als natürliche Personen nur eingetragen sind, wenn und soweit sie (eingetragene) Kaufleute sind. Das soll sich im Basisregister ändern, wo auch wirtschaftlich tätige natürliche Personen registriert werden.

Deutschland arbeitet derzeit mit rund 120 öffentlichen Registern mit Unternehmensbezug ganz unterschiedlicher Art, z.B. in den Bereichen Gewerberecht, Strafrecht, Finanzverwaltung etc. Bisher erfolgt ein Austausch von Informationen zwischen den Registern üblicherweise nicht. Es ist geplant, dass das Basisregister sowohl Redundanzen vermeiden soll, als auch ermöglichen soll, dass alle (oder wohl die meisten) Behörden darauf zugreifen. Dadurch soll Bürokratie abgebaut und er-höhte Sicherheit bei der Identifikation von Unternehmen geschaffen werden. Eine Nutzung soll bis 2024 möglich werden.

3. Bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer 

Jeder Unternehmer erhält im Basisregister eine bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer. Die gesetzliche Grundlage dafür ist in § 139c der Abgabenordnung längst vorhanden, wenn diese Vorschrift auch kaum bekannt sein dürfte. Die bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer soll eine register- und verwaltungsübergreifende Identifikation der Unternehmen ermöglichen. Das Gesetz sieht vor, dass jedes Register seine bisherigen Nummern weiterführt. Die bundes-einheitliche Wirtschaftsnummer wird mithin zusätzlich vergeben. Im Basisregister sollen dann auch alle anderen Registernummern, wie etwa die Handelsregisternummer aufgelistet werden.

Da jede bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nur einmal vergeben werden darf, dürfte diese deutlich länger ausfallen als die bisherige Handelsregisternummer. 

4. Handlungsbedarf für Unternehmer

Bisher scheint der versprochene Abbau von Bürokratie nicht nur die Arbeit der verschiedenen Behörden im Hinblick auf die verschiedenen Register zu betreffen, sondern auch die Unternehmer selbst sollen durch Reduzierung von Meldepflichten für gewisse Daten in den Genuss des Bürokratieabbaus kommen. Der Nutzen des Bürokratieabbaus für die Unternehmer liegt jedoch nicht darin, dass er bisherige Meldungen etwa an das Transparenzregister, oder das Handelsregister nicht mehr würde vornehmen müssen. Vielmehr soll der Nutzen darin liegen, dass verschiedene andere öffentliche Stellen, die bei betroffenen Personen Basisdaten anfordern müssten, stattdessen auf das Basisdatenregister zugreifen und den Unternehmer von der Meldung solcher Daten verschonen sollen. Ob dies tatsächlich so praktiziert werden wird, bleibt abzuwarten. 

Nach der bisherigen Gestaltung hat der Unternehmer mithin keine Meldepflicht gegenüber der registerführenden Stelle des Basisregisters. Dementsprechend enthält das Gesetz auch weder Regelungen zu Form und Inhalt von Registeranmeldungen, noch eigene Bußgeldvorschriften im Zusammenhang mit Anmeldung, Inhalt und Vollständigkeit der Daten. Damit korrespondiert wohl auch die Situation, dass kein Recht zu einer Meldung besteht, wobei das wohl noch nicht abschließend geklärt zu sein scheint. Das Gesetz sieht kein Meldeverfahren vor. Das bedeutet, der Unternehmer muss weiterhin den bestehenden Registern Meldung erstatten und kann sich davon nicht durch eine Meldung an das Basisregister befreien.

Im Hinblick auf die zukünftige tatsächliche Umsetzung befinden wir uns heute allerdings noch im Bereich freier Spekulation. Insoweit ist im Rahmen der Umsetzung auch noch mit möglichen Gesetzesänderungen zu rechnen. 

Der Anwender muss mithin weiterhin selbst entscheiden, welche Daten er bei welchem Registern anmeldet und er wird die korrekte und jeweils aktualisierte Pflege aller Register selbst überwachen müssen, so dass sich die Bürokratie zunächst nicht reduziert.

Ungeklärt ist jedoch die Frage, ob und inwieweit der Unternehmer davon befreit wird, Daten, die im Basisregister vorhanden sind, an andere Register melden zu müssen. Das Grundkonzept des Basisregisters für Betroffene ist das „Once-Only“-Prinzip, dass der Unternehmer mithin Basisdaten nur einmalig melden muss, zwar nicht zum Basisregister, aber zum Beispiel zum Handelsregister und danach an kein anderes öffentliches Register mehr. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit eine Meldung zum Beispiel an das Transparenzregister solche Daten, die im Basisregister verfügbar sind, nicht mehr enthalten muss. Zu dem Themenkreis schweigt das Gesetz. Realistisch betrachtet kann ein Unternehmer bis auf anderslautende Verwaltungsanweisungen nicht damit rechnen, dass er seine Meldepflichten an andere Registern reduzieren kann, ohne das Risiko eines Bußgeldes einerseits, oder andererseits der fehlenden Eintragung z.B. im Handelsregister einzugehen.

Auch stellt sich die Frage, ob und inwieweit der Unternehmer überhaupt erfährt, welche Daten im Basisregister über ihn gespeichert sind. Sofern er den aktuellen jeweiligen Stand nicht kennt, kann er Meldungen an andere Register jedenfalls nicht um gewisse Daten reduzieren, oder gar auslassen. Die Vereinfachung dürfte wohl eher umgekehrt darin zu sehen sein, dass Behörden die normalerweise Basisdaten von einem Unternehmer anfordern würden, diese nun nicht anfordern, weil sie die Daten aus dem Basisregister entnehmen können. Ob die Behörden dies dann tatsächlich auch machen (müssen) und ob solche Pflichten kontrollier- und/ oder durchsetzbar sind, wird eher eine praktische Frage sein.

Die Ankündigung, „alle“ Behörden sollten zukünftig auf die Basisdaten zugreifen können, wird wohl in dieser Allgemeinheit nicht zutreffen. § 5 des Gesetzes enthält einen langen enumerativen Katalog, an welche Behörden Daten von der Registerbehörde übermittelt werden dürfen.

Zu klären wären auch neue Begrifflichkeiten:

Während im Basisregister „Wirtschaftlich Tätige“ eingetragen werden, arbeitet das Transparenzregister mit „Wirtschaftlich Berechtigten“. Wer für eine „wirtschaftlich aktive Einheit“ als „Wirtschaftlich Berechtigter“ im Transparenzregister gemeldet ist, könnte gleichzeitig auch eine „wirtschaftlich tätige natürliche Person“ im Sinne des Basisregisters sein. Wäre dies so, müsste jede im Transparenzregister gemeldete natürliche Person gleichzeitig als Unternehmen im Sinne des Basisregisters gelten und dort separat registriert werden. 

Umgekehrt könnte eine „wirtschaftlich tätige natürliche Person“ möglicherweise auch dann anzunehmen sein, wenn sie im Transparenzregister nicht als Wirtschaftlich Berechtigte gemeldet werden muss, z.B., weil sie weniger als 25 % einer Unternehmensbeteiligung hält. Auch mit 24 % ist man aber vermutlich „Wirtschaftlich Tätiger“, nicht aber „Wirtschaftlich Berechtigter“. Diese Begriffe werden Rechtslehre und Rechtsprechung mit Leben füllen müssen.

Die Adressaten, die im Basisregister eingetragen werden, sind mithin nicht deckungsgleich mit den Adressaten des Handelsregisters und des Transparenzregisters. Da keine Meldepflicht besteht, hat das Einfluss auf die Betroffenen nur insoweit, als über die Betroffenen Daten gespeichert werden, die andere Anknüpfungspunkte haben als die Daten im Handelsregister und im Transparenzregister. 

Im Hinblick auf Datenschutz dürfte dies insoweit unkritisch sein, als es generell um Basisdaten geht, die an öffentliche Register zwingend gemeldet werden müssen und nicht um Daten, an denen das Unternehmen selbst ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse hat. Allerdings werden diese Daten nun frei zwischen den Behörden getauscht. Da es aber nur um Basiseckdaten geht, sind ein Geheimhaltungsinteresse oder andere datenschutzrechtliche Aspekte, die kritisch sein könnten, bisher nicht zu erkennen. Jedenfalls wird die Registerbehörde ab dem Zeitpunkt der Datenübermittlung Verantwortliche im Sinne der DSGVO, woraus sich die weitere Frage ableitet, ob der Betroffene bei Datenabrufen von der jeweiligen Behörde ordnungsgemäß informiert werden muss.

V. Fazit

Die Idee einer einheitlichen Meldung von Basisdaten kann durchaus positiv zu bewerten sein, wenn sie in der Praxis gut und rechtlich ordnungsgemäß unter Wahrung der Betroffenenrechte funktioniert. 

Für ein funktionierendes Zusammenspiel der einzelnen Register besteht dringender und rechtlich eindeutiger Klärungsbedarf, auch im Hinblick auf die Verwaltungspraxis, bevor das Register bundesweit eingesetzt wird. Auch werden sämtliche beteiligten Registerstellen, mithin sämtliche Amtsgerichte, der Bundesanzeiger Verlag sowie das Statistische Bundesamt klare und einheitliche Handlungsanweisungen erhalten müssen und sowohl das rechtliche Verständnis als auch die Kapazitäten und die digitale Infrastruktur haben müssen, um miteinander schnell und effizient zu arbeiten. 

Für Unternehmer, Mitglieder von Personenvereinigungen aller Art, Gesellschafter, und Vertretungsorgane gilt es daher umso dringender, den Überblick über Vollständigkeit und Aktualität der Eintragungen zum Handelsregister und zum Transparenzregister zu behalten, zumal Letzteres in naher Zukunft wohl noch einmal grundlegend umgestaltet wird. 

Da der Unternehmer im Hinblick auf die Daten zum Basisregister keine Meldepflicht hat, ist er im Hinblick auf Richtigkeit und Vollständigkeit der dort gespeicherten Daten zwar nicht direkt verantwortlich. Im Falle von im Basisregister hinterlegten falschen oder unvollständigen Daten, dürften jedoch ggfs. Rückschlüsse und Prüfungen auch bei anderen Registern durchgeführt werden können. Soweit auf dieser Grundlage Fehler oder Fehlbestände in anderen Registern erkannt werden, kann sich eine Verantwortlichkeit des Unternehmers im Hinblick auf das andere Register jedoch sehr wohl ergeben. Das Risiko von Bußgeldern und/oder anderen Problemen könnte sich somit erhöhen, da zukünftig nahezu sämtliche Behörden auf die Daten aus dem Basisregister zugreifen und diese somit zumindest auf Plausibilität  prüfen können. Der Unternehmer wird transparenter, Fehler fallen schneller auf. Der Unternehmer selbst hat aber wohl keine Möglichkeit, selbst Einsicht in das Basisregister zu nehmen. Sofern der Unternehmer keine natürliche Person ist, kann er zumindest auf Antrag protokollierte Datenabrufe anderer Behörden aus dem Basisregister abfragen.

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von Julia Weber 08 Mai, 2024
I. Einleitung Als Nachfolgeinstrument genießt das sog. Berliner Testament besondere Beliebtheit. Bei diesem gemeinschaftlichen Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen nach dem Tod des Letztversterbenden als gemeinsamen Schlusserben zumeist deren Kinder. Die Verfügungen der Ehegatten hängen voneinander ab und sind daher nach dem Tod eines Ehegatten bindend. In diesem Beitrag werden insbesondere die erbrechtlichen und erbschaftsteuerlichen Nachteile im Zusammenhang mit der Geltendmachung des Pflichtteilanspruchs der Kinder und die erbschaftsteuerlichen Konsequenzen dargestellt. Das sog. Supervermächtnis wird als alternatives Gestaltungsinstrument skizziert. II. Nachteile des Berliner Testaments und Optimierungsansätze 1. Verlust der Verfügungsmacht Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten kann der überlebende Ehegatte das gemeinschaftliche Testament nicht mehr widerrufen und nicht mehr allein über den Nachlass verfügen. Zudem können wegen der Bindungswirkung so gut wie keine Gestaltungsmöglichkeiten nach dem ersten Erbfall mehr durchgeführt werden. Diese Folge ist zwar meistens bei Erstellung des Testaments gewünscht, allerdings kann häufig eine nachträgliche Anpassung an veränderte Umstände erforderlich werden. Dieser Problematik kann etwa dadurch begegnet werden, dass schon bei der Erstellung des gemeinschaftlichen Testaments Änderungsvorbehalte vereinbart werden oder genauestens bestimmt wird, welche Anordnungen wechselbezüglich sind und welche nicht. In letzterem Fall wäre der überlebende Ehepartner nicht an diese Anordnungen gebunden. 2. Pflichtteil der Kinder Durch die Einsetzung des Ehegatten als Alleinerben werden die Kinder für diesen ersten Erbfall enterbt, sodass diese berechtigt wären, ihren Pflichtteilanspruch geltend zu machen. Bei der Nachfolgegestaltung ist die Frage aus erbrechtlicher Sicht zentral, wie die Motivation zur Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche durch die enterbten Kinder verringert werden kann. Hierzu haben sich in der Praxis vielfältige Lösungsmöglichkeiten entwickelt. Ergänzend zur klassischen Pflichtteilsstrafklausel, die Abkömmlinge von der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Tod des Erstversterbenden abhalten soll, kann im Berliner Testament die sog. Jastrowsche Klausel ergänzt werden. Durch Einfügen der Klausel wird denjenigen Kindern, die beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil nicht fordern, ein betagtes Vermächtnis gewährt. Hierunter versteht man, dass das Vermächtnis zwar von Todes wegen entsteht, aber erst zu einem bestimmten Termin fällig wird und damit zu erfüllen ist. Sinn und Zweck ist dabei, die Kinder dafür zu belohnen, dass sie ihren Pflichtteilsanspruch nicht geltend machen, sodass der überlebende Ehegatte durch das gemeinsame Vermögen finanziell abgesichert ist. So stellt dieses Instrument zwar eine mögliche Lösung für die Pflichtteilsproblematik dar, jedoch ergeben sich für die Erben steuerliche Nachteile, wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 11.10.2023 – Az. II R 34/20 entschied: So kann der überlebende Ehegatte die Vermächtnisverbindlichkeit nicht als Nachlassverbindlichkeit in Abzug bringen, da das Vermächtnis noch nicht fällig ist. Daher wird der Nachlass des Erstversterbenden in voller Höhe versteuert. Das durch das Vermächtnis begünstigte Kind hat dann grundsätzlich den Erwerb des betagten Vermächtnisses als vom länger lebenden Ehegatten stammend zu versteuern und kann es auch unter Umständen als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Eine weitere mögliche und praxisnahe Lösung der Pflichtteilsproblematik könnte etwa die Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts zu Lebzeiten beider Eheleute durch notariell beglaubigten Vertrag sein. Häufig dürften sich die Kinder dazu allerdings nur durch Abfindungszahlungen bewegen lassen. 3. Erbschaftsteuer Bei größeren Nachlässen, die die erbschaftsteuerlichen Freibeträge überschreiten, ergeben sich bei der Gestaltung durch das Berliner Testament regelmäßig steuerliche Nachteile. Denn bei dem Nachlass der Ehegatten fällt bei der Grundform des Berliner Testaments zweimal Erbschaftsteuer an: beim ersten Erbfall zulasten des länger lebenden Ehegatten und beim zweiten Erbfall zulasten der Kinder als Schlusserben. Dabei entfallen die Freibeträge der Kinder im Verhältnis zum Erstverstorbenen Ehegatten. Diese Nachteile versucht zwar die Regelung des § 15 Abs. 3 ErbStG abzumildern; eine Ausnutzung der Freibeträge ersetzt dies jedoch nicht. Dies führt auch zu dem Progressionsnachteil des Erbschaftsteuersatzes nach § 19 ErbStG, da bei jedem Erbfall der gesamte Nachlass der Ehegatten versteuert wird. Allerdings gibt es vielfältige Lösungsmöglichkeiten, die die Vorteile des Berliner Testamentes zu bewahren versuchen. So kann das Berliner Testament um Vermächtnisse zugunsten der Schlusserben ergänzt werden. Dabei sollte versucht werden, einen Kompromiss zwischen der Liquidität so-wie Versorgung des anderen Ehegatten auf der einen Seite und der Ausnutzung der steuerlichen Freibeträge auf der anderen Seite zu finden. Wichtig ist jedoch auch hier, die Pflichtteilsproblematik nicht unberücksichtigt zu lassen (s.o.). Eine andere Möglichkeit können lebzeitige Schenkungen unter Vorbehalt eines Nießbrauchrechts sein. Dies hat neben der Ausnutzung der Freibeträge sogar noch die steuerlich vorteilhafte Folge, dass der Wert des Nießbrauchs bei der Wertermittlung der Schenkung abgezogen wird. III. Supervermächtnis als Gestaltungsalternative Das Supervermächtnis als Gestaltungsinstrument ermöglicht es, den Eheleuten in der gemeinsamen Nachfolgeplanung eine Entscheidung darüber welche Vermögenswerte der überlebende Ehegatte benötigt und welche Zuwendung die Kinder – abhängig von deren persönlichen Verhältnissen und der Vermögenssituation – erhalten sollen, auf einen späteren Zeitpunkt zu verlagern. Bei dem sogenannten Supervermächtnis werden verschiedene Vermächtnisarten der § 2151 BGB (Auswahl zwischen mehreren Bedachten), § 2153 BGB (Bestimmung der Anteile mehrerer Bedachter) einerseits und § 2156 BGB (Zweckvermächtnis) andererseits kombiniert. Der Vermächtnisanspruch ist daher als eine Art äußerer Rahmen nur auf die Vornahme einer Auswahlentscheidung des Personenkreises potentieller Vermächtnisnehmer und dem Zweck des Vermächtnisses gerichtet. Die übrigen Entscheidungen werden dem überlebenden Ehegatten überlassen, der sodann darüber bestimmt (a) wer der Empfänger des Vermächtnisses aus dem Personenkreis wird, (b) die Art und Höhe der zugewendeten Gegenstände und (c) den Zeitpunkt der Erfüllung des Vermächtnisses. Ziel der Gestaltung ist es, als Vermächtnis die an die Kinder vom länger lebenden Ehegatten weitergereichten Nachlassgegenstände als vom Erblasser getätigten Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anzusehen. Daher entsteht die Steuerlast erst mit der Bestimmung des Vermächtnisses durch den überlebenden Ehegatten nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG. Die größten Vorteile des Supervermächtnisses sind einerseits die Möglichkeit der Ausnutzung der persönlichen Freibeträge der Kinder nach § 16 ErbStG und andererseits die Möglichkeit des Abzugs des unbedingten Vermächtnisses zugunsten der Kinder vom Gesamtnachlass nach § 10 Abs. 5 ErbStG. Aus steuerlicher Sicht ist bei der Gestaltung genau darauf zu achten, dass das Supervermächtnis nach § 6 Abs. 4 ErbStG im Vergleich zu einer Nacherbschaft gerade nicht beim Tod des Beschwerten fällig wird. Entscheidend für die zivilrechtliche Zulässigkeit ist, dass sich aus dem Zweck des Vermächtnisses nach § 2156 BGB die – im Vermächtnis zu nennenden - Anhaltspunkte für die Ermessensausübung hinreichend konkret ableiten lassen. Daneben ist als gestalterischer Zweck auch die Nutzung der persönlichen Freibeträge zur optimalen erbschaftsteuerlich Vermögensverteilung in Anbetracht der Steuerprogression des ErbStG anerkannt. IV. Fazit Nach wie vor ist das Berliner Testament für viele Eheleute besonders attraktiv. Insbesondere der Wunsch der Absicherung des länger lebenden Ehegatten trägt dazu bei. Es zeigt sich aber, dass die Errichtung eines Berliner Testaments gut durchdacht sein muss und die vielfältigen Rechtsfolgen bedacht werden müssen. Unter Berücksichtigung der individuellen familiären Verhältnisse bietet es sich an, im Vorfeld der Testamentserrichtung eine umfassende Beratung in Anspruch zu nehmen. So können sowohl zivil- als auch steuerrechtlichen Nachteilen im Vorfeld begegnet werden. Vor allem ist auf eine möglichst interessengerechte Aufteilung des Vermögens bereits im ersten Erbgang hinzuwirken. So kann eine steuerlich nachteilige Überversorgung des überlebenden Ehegatten zugunsten der Erbschafsteuerbelastung der Kinder vermieden werden. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Barbara Anzellotti 02 Mai, 2024
Vermieter müssen sich bei der Nebenkostenabrechnung auf Neuerungen bei der CO2-Abgabe einstellen: Das CO2-Kostenaufteilungsgesetz stellt auf den Verbrauch an fossilen Brennstoffen ab. Bis zum Jahr 2022 hatte der Mieter diese CO2-Abgabe allein zu tragen. Ab dem Jahr 2023 werden diese Kosten zwischen Mieter und Vermieter aufgeteilt, weshalb das Gesetz auch als Entlastungspaket für Mieter bezeichnet wird. Die Verteilung dieser Kosten richtet sich nach der energetischen Gebäudequalität. In diesem Beitrag geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die künftige Verteilung der CO2-Abgabe. I. Grundlagen zur CO2-Abgabe Die „CO2-Steuer“ ist eine Abgabe, die zu einer Verteuerung klimaschädlicher Brennstoffe führen soll. Hierdurch soll ein Anreiz geschaffen werden, den Verbrauch zu verringern bzw. auf klimafreundlichere Energieversorgung umzusteigen. Die „CO2-Steuer“ gibt es bereits seit 2021 auf fossile Brennstoffe wie Erdgas, Heizöl, Benzin oder Diesel. Für das Mietrecht greift diese CO2-Steuer auf jeden Verbrauch, der auf fossile Brennstoffe gründet. Gleiches gilt für Fernwärme, wenn sie mit Gas oder Erdöl erzeugt wird. Diese „Energiesteuer“ wird indes nicht auf Pellets oder Wärmepumpen erhoben. Letztere sind aus der Sicht des Gesetzgebers klimaneutral. Seit dem Jahr 2023 wird die CO2-Steuer zwischen Mieter und Vermieter aufgeteilt. II. Kohlendioxidkostenaufteilungsgesetz (CO2KostAuftG) Das CO2KostAuftG ist seit dem 01.01.2023 in Kraft und gilt für alle Abrechnungszeiträume ab dem 01.01.2023. Berechnungsgrundlage ist die Heizkostenabrechnung. Dieser kann der Gesamtverbrauch des Objekts entnommen werden, die dann ins Verhältnis zur Gesamtnutzfläche gesetzt wird. Daraus ergibt sich der CO2-Ausstoß in kg/qm, aus dem sich wiederum die Einstufung des Objekts in das sog. 10-Stufenmodell – eine auf die CO2-Abgabe zugeschnittene energetische Klassifizierung des Gebäudes – ergibt. Im Bereich Wohnen wird je nach Einordnung die Faustregel: bei besserer Energieeffizienz trägt eher der Mieter, bei schlechterer Effizienz eher der Vermieter die CO2-Abgabe. Im Bereich Gewerbe gilt derzeit die 50/50 Regel. Bis Ende 2025 soll auch hier ein Stufenmodell eingeführt werden. III. Wie sieht das 10-Stufenmodell aus? Je nach spezifischem CO2-Ausstoß des Gebäudes trägt der Mieter 100% der CO2 Abgabe, wobei dann das Gebäude an sich klimaneutral ist. Typischerweise liegen die Verbräuche im Mittelfeld, die zu einer Verteilung 40/60 zwischen Mieter und Vermieter führt. In dem für den Vermieter ungünstigsten Szenario trägt er 95% der CO2-Abgabe.
von Stephan Hettler 24 Apr., 2024
Seit der Vorlage des Bundesfinanzhofs im Jahr 2013 befasste sich das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG und dessen Verfassungsmäßigkeit. Fraglich war insbesondere der Ausschluss der steuerneutralen Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften. Mit Beschluss vom 28.11.2023 hat das BVerfG nunmehr entschieden, dass dieser Ausschluss gegen den in Art. 3 des Grundgesetzes verankerten Gleichheitssatz verstößt. I. Ausgangslage Überträgt eine Personengesellschaft eines ihrer Wirtschaftsgüter auf eine andere Personengesellschaft, führt dies grundsätzlich zu einem einkommensteuerpflichtigen Veräußerungsvorgang. Die übertragende Gesellschaft hat in diesem Fall den Gewinn (oder Verlust), der aus der Veräußerung resultiert, zu versteuern. Wird das Wirtschaftsgut gegen Zahlung eines Entgelts (Kaufpreis) übertragen, ermittelt sich der zu besteuernde Veräußerungsgewinn anhand des Kaufpreises für das Wirtschaftsgut abzüglich der für dieses einst angefallenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Erwirbt die übertragende Gesellschaft also beispielsweise eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 € und veräußert diese ein Jahr später für einen Preis von 300.000 €, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 100.000 €. Wird ein Wirtschaftsgut hingegen unentgeltlich übertragen, existiert kein Kaufpreis, sodass zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns auf einen anderen Wert ausgewichen werden muss. Dies ist im Grundsatz der sogenannte Teilwert. Hierunter ist derjenige Wert zu verstehen, den ein Dritter für den Erwerb des Wirtschaftsguts aufwenden würde (Verkehrswert). Erwirbt die übertragende Gesellschaft somit eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, die aufgrund von Wertsteigerungen ein Jahr später einen objektiven Verkehrswert von 250.000 € aufweist, und überträgt diese dann unentgeltlich auf eine andere Gesellschaft, beträgt der zu versteuernde Veräußerungsgewinn 50.000 €. Die unentgeltliche Übertragung führt damit grundsätzlich auch zur Aufdeckung der in dem Wirtschaftsgut befindlichen stillen Reserven. II. Ausnahme: Buchwertfortführung gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG trägt dem Gedanken Rechnung, dass gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen grundsätzlich keine steuerwürdigen Tatbestände darstellen sollen. Die Regelung eröffnet deshalb verschiedene Möglichkeiten, die es bei einer unentgeltlichen Übertragung von Wirtschaftsgütern erlauben, anstelle des Teilwerts den Buchwert anzusetzen, der sich regelmäßig auf die Höhe der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Wirtschaftsguts beläuft. Erwirbt die übertragende Gesellschaft daher eine Immobilie zu einem Kaufpreis von 200.000 €, beträgt der Buchwert ebenfalls 200.000 €. Durch die Buchwertfortführung wird somit erreicht, dass sich der Veräußerungsgewinn aus der Übertragung immer auf 0 beläuft; die Aufdeckung stiller Reserven sowie die Belastung mit Einkommensteuer wird vermieden. Eine Personengesellschaft verfügt neben ihrem eigenen Vermögen (Gesellschaftsvermögen) über sogenanntes Sonderbetriebsvermögen. Hierbei handelt es sich in erster Linie um solche Wirtschaftsgüter, die einem der Gesellschafter gehören und die dieser zur Führung des Betriebs der Gesellschaft zur Nutzung überlässt (beispielsweise überlassene Maschinen oder Grundstücke). Das Gesellschaftsvermögen sowie das Sonderbetriebsvermögen stellen gemeinsam das Betriebsvermögen der Personengesellschaft dar. Die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens werden damit für einkommensteuerliche Zwecke der Personengesellschaft zugeordnet, verbleiben zivilrechtlich jedoch individuelles Eigentum des Gesellschafters. Wird ein Wirtschaftsgut zwischen den verschiedenen Betriebsvermögenssphären des Gesellschafters verschoben, ermöglicht § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG – sofern die Übertragung unentgeltlich oder gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten erfolgt – grundsätzlich den Ansatz des Buchwerts und damit die Vermeidung der Aufdeckung stiller Reserven. So erfolgt beispielsweise die Übertragung eines Wirtschaftsguts aus dem Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen (das Gesetz spricht trotz dessen Wegfalls durch das „MoPeG“ von Gesamthandsvermögen) derselben Personengesellschaft (und umgekehrt) unter Fortführung des Buchwerts. Nicht vom Wortlaut der Norm umfasst ist hingegen die direkte Übertragung aus dem Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer Personengesellschaft in das Gesellschafts-vermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen, beteiligungsidentischen Personengesellschaft. Die Praxis behalf sich in diesen Fällen oftmals mit Ausweichgestaltungen, wie beispielsweise einer zweistufigen, zeitraubenden und aufwändigen Gestaltung über die vorherige Übertragung des Wirtschaftsguts in das Sonderbetriebsvermögen und von dort aus in das Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) der anderen Personengesellschaft. III. BVerfG zu Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften 1. Die Entscheidung des Gerichts Mit Beschluss vom 28.11.2023 (Az. 2 BvL 8/13) entschied nunmehr das BVerfG nach über 10 Jahren Verfahrensdauer[!], dass § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG in seiner aktuellen Fassung – aufgrund der Nichtberücksichtigung der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften – gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 GG verstößt und damit verfassungswidrig ist. Nach Auffassung des BVerfG werden Übertragungen zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften im Vergleich zu Übertragungen einzelner Wirtschaftsgüter zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen ungleich behandelt, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund existiert. 2. Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis Das BVerfG hat den deutschen Gesetzgeber mit seinem Beschluss verpflichtet, eine Neuregelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG zu treffen, die rückwirkend für alle betroffenen Übertragungen nach dem 31.12.2000 gelten soll. Bis dahin bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift auch für Wirtschaftsgutstransfers nach dem 31.12.2000 gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird. Die Entscheidung des BVerfG ermöglicht es Steuerpflichtigen damit, künftig Wirtschaftsgüter – ohne den Umweg über das Sonderbetriebsvermögen – direkt auf eine beteiligungsidentische (Schwester-)Personengesellschaft zu Buchwerten zu übertragen. Dies führt zu einer großen Erleichterung bei der Umstrukturierung von Gesellschaftsgruppen. IV. Offene Fragen 1. Übertragungen zwischen nicht beteiligungsidentischen Personengesellschaften Notwendigerweise stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die durch das BVerfG hinsichtlich des Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften getroffene Entscheidung auch auf nur teilweise beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften übertragen lässt. So kann beispielsweise an den folgenden Fall gedacht werden: An der KG 1 sind die Gesellschafter A und B zu jeweils 50 % beteiligt, an der KG 2 sind die Gesellschafter A und C zu jeweils 50 % beteiligt. Wird nun ein Wirtschaftsgut aus dem Gesamthandsvermögen der KG 1 in das Gesamthandsvermögen der KG 2 übertragen, dürfte dieser Fall bei strenger Auslegung des BVerfG-Beschlusses nicht zu Buchwerten möglich sein, weil keine Beteiligungsidentität zwischen den Gesellschaften besteht. Durch die Erstellung von Ergänzungsbilanzen wäre in diesem Fall allerdings auch eine teilweise Übertragung zu Buchwerten – nämlich in Höhe der identischen Gesellschaftsbeteiligung des A von 50 % – möglich. Hier könnte dem Gedanken der leistungsgerechten Besteuerung folgend eine gesellschafterbezogene Betrachtung vorzunehmen sein, sodass (nur) eine anteilsmäßige Aufdeckung stiller Reserven verfassungsgemäß wäre. Bei einem weniger strengen Verständnis des BVerfG-Beschlusses läge in Höhe gleicher Beteiligung gerade keine Erhöhung der steuerlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen vor. 2. Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten Offen ist zudem, ob die Übertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften lediglich bei unentgeltlichen Übertragungen zu Buchwerten möglich ist oder ob die Beurteilung des BVerfG auch bei der Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten Anwendung findet. Der dem Beschluss des BVerfG zugrundeliegende Sachverhalt umfasste lediglich eine unentgeltliche Übertragung, eine Aussage zur Übertragung gegen Gewährung oder Minderung von Gesellschaftsrechten enthält die Entscheidung allerdings nicht. Wie letztere Fälle zu behandeln sein werden, wird voraussichtlich erst geklärt werden, wenn der Gesetzgeber eine Neuregelung zu § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG vornimmt. Gefordert wird in diesem Zusammenhang auch, die Sperrfristenregelung von § 6 Abs. 5 Satz 4 EStG insoweit für unanwendbar zu erklären, da es nicht zum einem Übergang von stillen Reserven auf anderen Personen kommt. V. Fazit Der Beschluss des BVerfG ist für die Praxis erfreulich, weil er nunmehr auch die direkte Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Vermögen einer Personengesellschaft in das Vermögen einer anderen Personengesellschaft bei Beteiligungsidentität zu Buchwerten ermöglicht. Umstrukturierungsvorgänge innerhalb von Gesellschaftsgruppen werden damit massiv vereinfacht. Dennoch wirft die Entscheidung auch eine Reihe von Folgefragen auf, die in naher Zukunft wohl keine Klärung erfahren werden. Es darf daher mit Spannung abgewartet werden, in welcher Weise der Gesetzgeber die Vorgaben des BVerfG in einer neuen Fassung des § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG umsetzen wird. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
23 Apr., 2024
Pelka vertrat die BUND NRW Naturschutzstiftung in einem Finanzgerichtsverfahren und konnte dabei eine unrechtmäßig hohe Festsetzung von Grunderwerbsteuer abwehren. In dem Verfahren ging es um den Erwerb eines Grundstückes durch die BUND NRW Naturschutzstiftung zu Zwecken des Naturschutzes. Der Zweck des Naturschutzes wurde dabei durch grundbuchrechtliche Maßnahmen abgesichert. Bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer ging das beklagte Finanzamt davon aus, dass diese grundbuchrechtlichen Maßnahmen für die Bestimmung der maßgeblichen Gegenleistung nach § 9 GrEStG als weitere sonstige Leistungen und Teil des Kaufpreises zu berücksichtigen seien. Entsprechend setzte es die Grunderwerbsteuer deutlich höher fest, als dies bei der Bemessung nach dem Kaufpreis der Fall gewesen wäre. Auch im Einspruchsverfahren ließ sich das Finanzamt von dieser Auffassung nicht abbringen. Erst im Klageverfahren lenkte das Finanzamt ein und setzte die Grunderwerbsteuer richtigerweise nach dem reinen Kaufpreis fest. Das Verfahren führten Dr. Fabian Riegler (Partner) und Nils Pinzke (Associate).
von Nils Pinzke 10 Apr., 2024
Das Steuerstrafrecht hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. So haben insbesondere in jüngerer Zeit verschiedene prominente Fälle wieder den Fokus auf den Tatbestand der Steuerhinterziehung gelenkt. Steuerstraftaten stellen nach dem Verständnis des Gesetzgebers schon lange keine Kavaliersdelikte mehr dar. Mit der Selbstanzeige hat der Gesetzgeber jedoch ein Instrument geschaffen, um die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu belohnen. Bei einer wirksamen Selbstanzeige wird der Täter bzw. dessen Gehilfe, typischerweise der Steuerpflichtige oder seine Vertreter, wegen der offenbarten Steuerstraftat(en) grundsätzlich nicht bestraft. Allerdings gibt es Fälle, in denen eine Selbstanzeige allein nicht ausreicht, um etwaige strafrechtliche Konsequenzen einer Steuerstraftat zu vermeiden. In solchen Fällen muss für die Straffreiheit zusätzlich zu einer wirksamen Selbstanzeige noch eine Geldzahlung geleistet werden. I. Besondere Sperrgründe für die Selbstanzeige Die in § 371 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) vorgesehene Straffreiheit infolge einer Selbstanzeige tritt nur dann ein, wenn die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. in ihr in vollem Umfang unrichtige Angaben berichtigt, unvollständige Angaben ergänzt oder unterlassene Angaben nachgeholt worden sind, und keiner der Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 AO vorliegt. Wenn etwa die vorsätzlich verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag in Höhe von € 25.000 je Tat übersteigt, ist nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige gesperrt. Diese Betragsschwelle gilt unabhängig von den Umständen des Einzelfalls. Daher kann bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Grenze von € 25.000 die Selbstanzeige für sich allein nicht täter- oder teilnehmerbegünstigend berücksichtigt werden. Ein weiterer Sperrgrund ist in § 370 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO normiert. Die Selbstanzeige ist danach auch dann ausgeschlossen, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO vorliegt. Dazu zählen der Missbrauch der Befugnisse oder der Stellung eines Amtsträgers, die Mithilfe eines Amtsträgers, die fortgesetzte Begehung der Steuerhinterziehung unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege, die bandenmäßige Umsatz- oder Verbrauchsteuerhinterziehung sowie die Steuerhinterziehung unter Verwendung von Drittstaatengesellschaften. Die Sperrgründe nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 AO beziehen sich dagegen vornehmlich auf solche Fallkonstellationen, in denen der Täter davon ausgehen muss, dass seine Tat durch eine baldige Prüfung entdeckt wird oder bereits entdeckt ist und der Täter hiervon Kenntnis hat oder bei verständiger Würdigung der Sachlage von der Entdeckung ausgehen muss. II. Zusätzliche Anforderungen für Straffreiheit nach Selbstanzeige Das Gesetz sieht vor, dass in den genannten Fällen die Straffreiheit auch bei Abgabe einer korrekten Selbstanzeige nicht eintreten soll. Trotzdem kann bei Vorliegen bestimmter Fallkonstellationen im Ergebnis Straffreiheit erreicht werden. Denn unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen kann nach § 398a AO von der Strafverfolgung auch bei einem Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 AO abgesehen werden. 1. Kernaussagen des § 398a AO – Absehen von Verfolgung in besonderen Fällen Kann eine Selbstanzeige nur deshalb keine strafbefreiende Wirkung entfalten, weil der verkürzte Steuerbetrag € 25.000 je Tat übersteigt (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz Nr. 3 AO) oder weil ein Fall der besonders schweren Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO (Sperrgrund aus § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AO) vorliegt, so wird von der Verfolgung der Steuerstraftat abgesehen, wenn der an der Tat Beteiligte erstens innerhalb einer ihm angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen, die übrigen Zinsen, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen angerechnet werden, sowie etwaige Verzugszinsen nach dem Zollkodex der Europäischen Union entrichtet (§ 398a Abs. 1 Nr. 1 AO) und zweitens einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse zahlt (§ 398a Abs. 1 Nr. 2 AO). Die Vermeidung eines Strafverfahrens kann also durch Zahlung eines „Zuschlags“ neben den hinterzogenen Steuern und Zinsen vermieden werden, sofern eine vollständige Selbstanzeige eingereicht wurde, deren strafbefreiende Wirkung aber wegen des Vorliegens einer der genannten Sperrgründe gesetzlich ausgeschlossen ist. Dieser „Zuschlag“ richtet sich nicht nach der individuell vorwerfbaren Schuld oder der etwaigen kriminellen Energie, die der Steuerhinterziehung zugrunde liegt, sondern allein nach der Höhe des verkürzten Steuerbetrags. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag € 100.000 nicht, so wird ein zusätzlicher Geldbetrag von 10% der hinterzogenen Steuer fällig. Liegt der Hinterziehungsbetrag zwischen € 100.001 und € 1.000.000, so gilt es einen Geldbetrag in Höhe von 15% des Hinterziehungsbetrags zu zahlen. Sobald der Hinterziehungsbetrag € 1.000.000 übersteigt, muss ein Geldbetrag in Höhe von 20% der verkürzten Steuer entrichtet werden. Bei dem Zuschlag handelt es sich als „freiwillige Zahlung“ lediglich um eine nichtstrafrechtliche Sanktion und damit gerade nicht um eine Strafe im eigentlichen Sinne: So kommt es grundsätzlich nach Erfüllung der in § 398a AO genannten Zahlungen nicht zu einer Eintragung im Bundeszentralregister. 2. Die Zahlung allein garantiert keine Straffreiheit Dennoch gibt § 398a AO keine endgültige Sicherheit: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, von der Verfolgung der Steuerhinterziehung wegen § 398a AO abzusehen, löst keinen Strafklageverbrauch aus. Sollte die Finanzbehörde im Nachhinein feststellen, dass die Angaben im Rahmen der Selbstanzeige unvollständig oder unrichtig waren oder ein anderer Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder 2 AO vorliegt, kann ein aufgrund der Selbstanzeige und der gezahlten Geldauflage eingestelltes Strafverfahren wiederaufgenommen werden. Dies ist typischerweise der Fall, wenn im Nachhinein festgestellt wird, dass die hinterzogenen Steuern deutlich höher ausfallen als in der Selbstanzeige angegeben oder die Tat bereits entdeckt war. In diesem Fall wird der gezahlte Geldbetrag nicht erstattet, wenn es in der Folge zur Verurteilung wegen Steuerhinterziehung kommt. Der Betrag kann allenfalls nach § 398a Abs. 4 Satz 2 AO durch das Gericht auf eine zu verhängende Geldstrafe angerechnet werden. III. Fazit Wenn der Betrag der hinterzogenen Steuer ein so hohes Ausmaß annimmt, dass die Selbstanzeige zunächst gesperrt ist, kann durch die zusätzliche Zahlung eines Geldbetrags zugunsten der Staatskasse gleichwohl Straffreiheit erreicht werden. Dass auch die hinterzogene Steuer sowie die Zinsen gezahlt werden müssen, versteht sich von selbst. Es ist in diesem Zusammenhang zu betonen, dass zuerst die strengen Voraussetzungen der Selbstanzeige erfüllt sein müssen. Scheitert es schon an einer korrekten Selbstanzeige, ist eine etwaige Geldzahlung vergeblich und wird im schlimmsten Fall nicht erstattet. Daher ist bei der Korrektur von steuerlichen Fehlern und einer im Raum stehenden Steuerhinterziehung sorgsam zu prüfen, ob die Selbstanzeige wirksam ist, d.h. vollständig alle steuerlichen Sachverhalte aufführt bzw. Angaben nachholt, und die Liquidität für verkürzte Steuern und Zinsen sowie die zusätzliche Geldzahlung zeitnah beschafft werden kann. Hauptaugenmerk sollten dabei die genaue Ermittlung des steuerlich relevanten Sachverhalts und die korrekte steuerrechtliche Würdigung der einzelnen Sachverhalte haben. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
von Dr. Barbara Anzellotti 02 Apr., 2024
Wer einen Anspruch hat – etwa den Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises bei einem Kaufvertrag – muss diesen innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen. Ist diese Frist abgelaufen und somit Verjährung eingetreten, gibt es keine Möglichkeit mehr, den Anspruch gegen den Vertragspartner durchzusetzen. Dies kann verheerende Auswirkungen haben, insbesondere im Immobilienkaufrecht, wenn es um hohe Beträge und nicht selten auch um die persönliche Zukunft und Lebensumstände geht. Die im Einzelfall anzuwendende Verjährungsfrist ist jedoch häufig schwer zu ermitteln und beschäftigt regelmäßig die Gerichte. So hatte etwa der BGH im Dezember 2023 zu entscheiden, welcher Verjährungsfrist die Gegenleistung beim Bauträgervertrag unterliegt – hierzu mehr unter II. In diesem Beitrag wollen wir daher kurz in die komplexen Verjährungsregeln des Immobilienkaufrechts einführen, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs auf Kaufpreiszahlung und der gewährleistungsrechtlichen Ansprüche. I. Grundlagen der Verjährungseinrede Die Verjährung ist ihrer Natur nach das Recht des Schuldners, die eigentlich geschuldete Leistung an den Gläubiger zu verweigern. Sie vernichtet somit nicht den ursprünglichen Anspruch als solchen, sondern verhindert nur seine Durchsetzbarkeit. Daher kann die Rechtsfolge der verhinderten Durchsetzbarkeit nur dann eintreten, wenn der Schuldner die Einrede der Verjährung auch erhebt, etwa in einem gerichtlichen Verfahren. Tut er dies nicht, verliert er den Prozess, auch wenn der Anspruch eigentlich verjährt ist. Ihrem Zweck nach ist die Verjährungseinrede ein Instrument, welches dem Rechtsfrieden und der Sicherheit im Rechtsverkehr dient. Hier wird der Tatsache Rechnung getragen, dass man sich nach einigen Jahren grundsätzlich darauf verlassen können sollte, nicht plötzlich mit alten Forderungen konfrontiert zu werden. Die regelmäßige Verjährungsfrist im deutschen Zivilrecht beträgt gemäß § 195 BGB drei Jahre. Sie findet immer dann Anwendung, wenn nicht die Voraussetzungen einer spezielleren Verjährungsnorm erfüllt sind. Nennenswert sind hier im Kontext des Immobilienkaufrechts die zehnjährige Verjährungsfrist bei Rechten an Grundstücken gemäß § 196 BGB sowie die dreißig-, fünf- und zweijährigen Fristen gemäß § 438 BGB aus dem Kaufrecht. Neben der Dauer der Verjährungsfrist, bereitet auch ihr Beginn häufig Probleme. Zwar beginnt die Frist gem. § 199 Abs. 1 BGB regelmäßig mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den notwendigen Informationen Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen, doch besonders im Immobilienkaufrecht wird hiervon häufig durch spezialgesetzliche Regelungen abgewichen, sodass eine Generalisierung kaum möglich ist. II. Kaufpreis Die Zahlung des Kaufpreises stellt einen zentralen Bestandteil des Immobilienkaufvertrags dar: Während sich der Käufer zur Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, verpflichtet sich der Verkäufer im Gegenzug dazu, das Eigentum an dem Grundstück an den Käufer zu übertragen. Gemäß § 196 BGB verjähren Ansprüche auf Übertragung des Eigentums an einem Grundstück sowie auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück oder auf Änderung des Inhalts eines solchen Rechts sowie die Ansprüche auf die Gegenleistung in zehn Jahren. Dabei ist zu beachten, dass es sich nur dann um eine Gegenleistung im Sinne des § 196 BGB handelt, wenn diese wechselbezüglich ist, sich also auf die dingliche Leistung des Vertragspartners bezieht. Die Zahlung eines Kaufpreises stellt somit die wechselbezügliche Gegenleistung des Käufers dar und unterliegt der Regelung des § 196 BGB: Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung verjährt nach zehn Jahren. Diese Frist beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB zu laufen, wenn der Anspruch entsteht. Der BGH tendiert zu einer eher weitreichenden Anwendung des § 196 BGB. So entschied er am 07.12.2023 (Az.: VII ZR 231/22) zum Vergütungsanspruch des Bauträgers beim Bauträgervertrag, dass auch dieser Anspruch der zehnjährigen Verjährung des § 196 BGB unterliegt, obwohl er sich neben dem Eigentumserwerb auch auf die Bauleistung bezieht. Die geforderte Wechselbezüglichkeit ist zudem nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt, sondern kann nach der Rechtsprechung des BGH auch bei gesetzlichen Ansprüchen vorliegen, etwa bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung gescheiterter Grundstücksverträge (BGH, Urteil vom 07.12.2023 – VII ZR 231/22). III. Gewährleistung Wie auch für andere Kaufverträge gelten für Immobilienkaufverträge die Vorschriften der §§ 433 ff. BGB. Ansprüche aufgrund von Mängeln der Kaufsache richten sich somit nach § 438 BGB: Besteht der Mangel in einem dinglichen Recht eines Dritten, aufgrund dessen dieser Herausgabe der Kaufsache verlangen kann, so verjähren entsprechende Gewährleistungsrechte gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 1 BGB in 30 Jahren. Liegen dagegen Mängel an einem Bauwerk vor, insbesondere an der Bausubstanz, so verjähren diese gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB nach fünf Jahren. Unter einem Bauwerk im Sinne dieser Vorschrift ist eine unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und Material in Verbindung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehen, etwa ein Haus, aber auch eine Freiland-Photovoltaikanlage oder Golfanlage. Ebenso von § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB umfasst sind Sachen, die entsprechend ihrer üblichen Verwendungsweise für ein Bauwerk verwendet worden sind und dessen Mangelhaftigkeit verursacht haben. Entsprechend verjähren daher auch Ansprüche wegen mangelhaften Baumaterials nach fünf Jahren. Liegt keiner dieser Sonderfälle vor, so verjähren Gewährleistungsansprüche gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nach zwei Jahren. Dies gilt für den Immobilienkauf also dann, wenn kein Mangel am Bauwerk oder den Baumaterialien vorliegt, also insbesondere beim Kauf eines unbebauten Grundstücks oder wenn bei Verkauf eines bebauten Grundstücks der Mangel am Grundstück und nicht am Bauwerk auftritt (OLG Hamm, Urteil vom 14.1.2016 – I-22 U 136/11). Auch der Verjährungsbeginn ergibt sich aus § 438 BGB: Bei Grundstückskäufen beginnt die Frist gemäß § 438 Abs. 2 BGB mit der Übergabe, d.h. mit der einverständlichen Einräumung des unmittelbaren Besitzes. Ausschlaggebend ist, dass der Käufer Grundstück und Gebäude effektiv untersuchen kann, auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses kommt es somit nicht an. Diese Regelung ist jedoch nicht zwingend, es steht den Parteien offen einen anderen Zeitpunkt zu vereinbaren. Ein Sonderfall liegt dagegen vor, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen hat. In diesem Fall gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB, deren Beginn nach § 199 Abs. 1 BGB voraussetzt, dass der Anspruch entstanden ist und der Käufer von dem Mangel Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangt haben müsste. Allerdings kann die so zu ermittelnde Verjährung nicht vor Ablauf von fünf Jahren eintreten, wenn es sich um ein Bauwerk oder Baumaterial im Sinne des § 438 Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt. IV. Was Sie jetzt tun sollten - Unser Tipp Die Verjährung von Ansprüchen ist ein komplexes Thema mit nicht zu unterschätzenden praktischen Auswirkungen, insbesondere im Immobilienkaufrecht. Umso wichtiger ist es daher die maßgeblichen Verjährungsfristen im Blick zu haben. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Verjährung eigener Ansprüche als auch hinsichtlich der Verjährung von Ansprüchen anderer, wenn möglicherweise die Verjährungsreinrede erhoben werden kann. Selbstverständlich sind wir Ihnen bei der Abwicklung von Immobilienkaufverträgen gerne behilflich und stehen Ihnen jederzeit für eine individuelle Beratung und Einschätzung möglicherweise abgelaufener Verjährungsfristen zur Verfügung. Sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie hierzu unser Kontaktformular aus.
von Anika Brunk und Katja Wamper 27 März, 2024
Mit der Zustimmung des Bundesrates am 22.03.2024 steht dem Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) nichts mehr im Weg. Ziel des Gesetzesvorhabens ist es, den Wirtschaftsstandort Deutschland und dessen Wettbewerbsfähigkeit zu sichern und zu stärken sowie das Steuerrecht zu vereinfachen. Im Vermittlungsausschuss haben sich jedoch weitere Änderungen des Gesetzes im Vergleich zu der am 17.11.2023 vom Bundestag beschlossenen Fassung ergeben. Zudem sind einige ursprünglich geplante Maßnahmen ersatzlos entfallen. Zuvor waren allerdings einige Regelungen des Wachstumschancengesetzes schon durch das Kreditzweitmarktförderungsgesetz in Kraft getreten. Dieser Beitrag stellt eine Auswahl der nun finalen Maßnahmen überblicksartig dar. I. Bilanzsteuerrechtliche Maßnahmen 1. Degressive Afa für bewegliche Wirtschaftsgüter Die degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter wird für einen befristeten Zeitraum abermals eingeführt. Hierbei sollen Wirtschaftsgüter begünstigt werden, die nach dem 31.03.2024 und vor dem 01.01.2025 angeschafft oder hergestellt werden. Der Abschreibungssatz darf höchstens das 2-fache des bei der linearen Abschreibung in Betracht kommenden Prozentsatzes ergeben, allenfalls aber 20 %. Dieser Abschreibungssatz ist unveränderlich. 2. Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 5 EStG Unternehmen, die die Gewinngrenze von 200.000 Euro im Jahr vor der Anschaffung oder Herstellung eines beweglichen abnutzbaren Wirtschaftsgutes nicht überschreiten, sollen für nach dem 31.12.2023 angeschaffte oder hergestellte bewegliche Wirtschaftsgüter eine Sonderabschreibung von bis zu 40 % der Investitionskosten im Jahr der Anschaffung/Herstellung und in den vier folgenden Jahren geltend machen können. 3. Degressive Afa für Wohngebäude Für Wohngebäude, mit deren Herstellung nach dem 30.09.2023 und vor dem 01.10.2029 begonnen wird oder deren Anschaffung mittels geschlossenem Vertrag in diesem Zeitraum erfolgt ist, kann eine degressive Abschreibung vorgenommen werden. Der degressive Abschreibungssatz beträgt 5 % vom jeweiligen Buchwert. 4. Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau Die Inanspruchnahme dieser Sonderabschreibung soll für solche Baumaßnahmen gelten, mit denen aufgrund eines nach dem 31.08.2018 und vor dem 01.01.2022 oder nach dem 31.12.2022 und vor dem 01.10.2029 gestellten Bauantrags/Bauanzeige bisher nicht vorhandene Wohnungen hergestellt werden. Die Anschaffungs-/Herstellungskosten dürfen in diesen Fällen 5.200 Euro/qm Wohnfläche nicht übersteigen. Bemessungsgrundlage sind max. 4.000 Euro/qm Wohnfläche. Diese Regelung soll ab dem Veranlagungszeitraum 2023 gelten. II. Unternehmenssteuerrechtliche Maßnahmen 1. Verlustvortrag Grundsätzlich ist der Verlustvortrag bis zu einem Sockelbetrag von 1 Mio. EUR bzw. 2 Mio. EUR (bei Ehegatten) für jedes Verlustvortragsjahr unbeschränkt möglich. Für den darüberhinausgehenden Teil ist der Verlustvortrag grundsätzlich auf 60% des Gesamtbetrags der Einkünfte des Verlustvortragsjahres beschränkt. Dieser wird nun für die VZ 2024 bis 2027 auf 70% erhöht. 2. Option zur Körperschaftsteuer Bisher konnten nur Personenhandels- oder Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren. Mit dem neuen Gesetz sollen nunmehr alle Personengesellschaften die Option haben. Die Anträge hierfür sollen bei einer Neugründung einer Personengesellschaft bis zum Ablauf eines Monats nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages gestellt werden können. 3. Zinsschranke Bereits mit dem Kreditzweitmarktförderungsgesetz wurden die Vorgaben der Anti-Tax-Avoidance-Directive (ATAD) in die Zinsabzugsbeschränkung mit aufgenommen. Die bisherige Konzernbezogenheit der Zinsschranke bei der Stand-alone-Klausel und bei dem Eigenkapital-Escape wurde aufgegeben. Die neuen Regelungen gelten bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2024. 4. Thesaurierungsbegünstigung Nach § 34a EStG kann auf Antrag eine Besteuerung für nicht entnommene Gewinne einer Personengesellschaft aus Gewerbetrieb, Landwirtschaft oder selbständiger Tätigkeit vorgenommen werden. Der Steuersatz beläuft sich auf 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag. Der begünstigungsfähige Gewinn soll nunmehr um die gezahlte Gewerbesteuer, die zur Zahlung der Einkommensteuer auf thesaurierte Gewinne entnommen wird, erhöht werden. Die Regelung soll erstmals für den Veranlagungszeitraum 2024 gelten. 5. Obligatorische eRechnung Ab 2028 soll die Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich an ein bundeseinheitliches Meldesystem bestehen. Die Meldung soll über eine sogenannte e-Rechnung erfolgen, die der Richtlinie 2014/55/EU entspricht und in einem strukturierten elektronischen Format verarbeitet werden kann. Ab 2025 soll mit der Einführung dieser eRechnung durch folgende Übergangsvorschriften begonnen werden: Zwischen dem 01.01.2025 und dem 31.12.2026 können bei nach dem 31.12.2023 ausgeführten Umsätzen neben den eRechnungen auch noch sonstige Rechnungen (Papierrechnungen oder Rechnungen in einem anderen elektronischen Format) ausgestellt werden. Bis zum 31.12.2027 für einen nach dem 31.12.2026 und vor dem 01.01.2028 ausgeführten Umsatz ist die eRechnung auch obligatorisch für Rechnungsaussteller, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr (2026) der Gesamtumsatz nicht mehr als 800.000 Euro betrug. Ausgenommen von eRechnungen sind Kleinbetragsrechnungen sowie Fahrausweise. Hierzu finden Sie bereits einen Beitrag von Herrn Wu bei den Pelka Insights . III. Steuervereinfachende Maßnahmen 1. Befreiung von Kleinunternehmern von umsatzsteuerlichen Erklärungspflichten Bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung soll künftig die Abgabe einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung entfallen. Ausnahmen gelten für innergemeinschaftliche Erwerbe, Fahrzeuglieferer oder in den Fällen, wo der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist. Die Regelung soll erstmals für den Besteuerungszeitraum 2024 gelten. 2. Erhöhung des Schwellenwerts zur Befreiung von der Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen Die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen soll zukünftig entfallen, wenn die Steuer für das vorangegangene Kalenderjahr nicht mehr als 2.000 Euro (bisher 1.000 Euro) beträgt. Diese Regelung soll ab dem Besteuerungszeitraum 2025 gelten. 3. Anhebung der Grenzen für die Buchführungspflicht nach § 141 AO Gewerbliche Unternehmer und Land- und Forstwirte sind künftig ab einem Gesamtumsatz von 800.000 Euro (bisher 600.000 Euro) oder einem Gewinn von 80.000 Euro (bisher 60.000 Euro) im Kalenderjahr zur Buchführung verpflichtet. IV. Gestrichene Regelungen Im Vermittlungsausschuss sind jedoch einige ursprünglich geplante Maßnahmen weggefallen: Zunächst ist hier die sogenannte Klimaschutz-Investitionsprämie zu nennen, welche eine gewinnunabhängige steuerliche Förderung bestimmter klimafreundlicher Investitionen ermöglichen und so die Wirtschaft zu einem Umdenken bewegen sollte. Diese fällt nun ersatzlos weg. Ebenfalls wurde die Anhebung der Betragsgrenze von 800 EUR auf 1000 EUR bei geringwertigen Wirtschaftsgütern (GWG) sowie die Erhöhung der Betragsgrenze und die Verkürzung der Auflösungsdauer von Sammelposten gestrichen. Zudem war die Einführung einer Freigrenze für Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung vorgesehen, welche Mieteinnahmen steuerfrei stellte, wenn diese im Veranlagungszeitraum weniger als 1000 EUR betragen. Auch diese Maßnahme ist im Vermittlungsausschuss weggefallen. Schließlich wurde im Vermittlungsausschuss auch die Beibehaltung des Höchstbetrags für 2024 und 2025 sowie die zeitliche Erweiterung des Verlustrücktrages auf drei Jahre entfernt. Es gelten hier weiterhin die ursprünglichen Betragsgrenzen von 1 Mio. bzw. 2 Mio. EUR bei Zusammenveranlagung. V. Fazit Aufgrund der umfangreichen steuerrechtlichen Änderungen kann das Wachstumschancengesetz mit einem Jahressteuergesetz verglichen werden. Mit der Zustimmung des Bundesrates steht das Wachstumschancengesetz nun unmittelbar vor Verkündung und Inkrafttreten. Es bleibt abzuwarten, ob die im Gesetz enthaltenen Maßnahmen ausreichen, um die damit verbundenen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Das Entlastungsvolumen reduzierte sich von geplanten 7 Milliarden EUR auf etwa 3,2 Milliarden EUR. Dies ist insbesondere auf den Wegfall der Klimaschutz-Investitionsprämie zurückzuführen. Dennoch stellt das Wachstumschancengesetz einen ersten Schritt zur Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen dar. Sollten Sie zu den geplanten Maßnahmen weitere Informationen benötigen, sprechen Sie uns gerne an oder füllen Sie unser Kontaktformular aus.
von Di Wu 20 März, 2024
In Deutschland wird zukünftig im B2B-Bereich die Verwendung sogenannter elektronischer Rechnungen (im Folgenden auch „E-Rechnung“ genannt) obligatorisch sein. Ein im Inland ansässiger Unternehmer wird verpflichtet, für im Inland steuerbare Leistungen (die nicht nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreit sind) eine E-Rechnung auszustellen, wenn auch der Rechnungsempfänger im Inland ansässig ist (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Der folgende Beitrag gibt Ihnen einen Überblick über die geplanten Änderungen. I. Hintergrund und aktueller Stand Im Rahmen der ViDA-Initiative der EU-Kommission (ViDA steht für „VAT in the Digital Age“) ist die Einführung eines elektronischen Meldesystems geplant, das unter anderem die bisherigen Zusammenfassenden Meldungen (ZM) ersetzen soll. Ursprünglich sollten die Änderungen bereits in 2028 in Kraft treten, jedoch wird nun über eine Verschiebung auf 2030 bzw. 2032 diskutiert. Es gibt bereits eine geänderte Definition des Begriffs "Elektronische Rechnung" (Art. 217 MwStSystRL) in Vorbereitung auf diese Neuerungen. Unabhängig von der ViDA-Initiative auf europäischer Ebene hat Deutschland bereits im Sommer 2023 mit Durchführungsbeschluss des EU-Rates die Erlaubnis erhalten, abweichende Regelungen von der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Bezug auf E-Rechnungen einzuführen. Diese neuen nationalen Regelungen zur E-Rechnung sind im Wachstumschancengesetz enthalten, das vom Bundestag am 17.11.2023 verabschiedet wurde. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens lief ein Vermittlungsverfahren, welches keine inhaltlichen Änderungen hinsichtlich der elektronischen Rechnungsregelungen zur Folge hatte und dessen Ergebnis seit dem 21.2.2024 vorliegt. Das geänderte Wachstumschancengesetz muss jedoch erneut vom Bundestag und (voraussichtlich am 22.3.2024) vom Bundesrat verabschiedet werden (dessen Zustimmung noch nicht gesichert ist), um in Kraft treten zu können. Dass aber die E-Rechnungspflicht in Deutschland eingeführt wird, ist nur eine Frage der Zeit. II. Was wird sich ändern? Ab dem 1. Januar 2025 müssen sich Unternehmen auf neue Begriffsdefinitionen einstellen (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ff. UStG-E). Es wird zwischen elektronischen Rechnungen und sonstigen Rechnungen unterschieden. Eine elektronische Rechnung (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG-E) ist demnach eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Dieses strukturierte elektronische Format muss den europäischen Normen für die elektronische Rechnungsstellung und den entsprechenden Syntaxen gemäß RL 2014/55/EU entsprechen (und somit auch der CEN-Norm EN 16931). Es ist zu beachten, dass das strukturierte elektronische Format der E-Rechnung auch zwischen Rechnungsaussteller und -empfänger vereinbart werden kann (§ 14 Abs. 1 Satz 6 Nr. 2 UStG-E). Jedoch müssen aus der E-Rechnung im vereinbarten Format die gesetzlich erforderlichen Rechnungsangaben richtig und vollständig extrahiert werden können, in ein Format, das der genannten europäischen Norm entspricht oder damit interoperabel ist. So sind beispielsweise auch über EDI-Verfahren ausgestellte Rechnungen unter Umständen weiterhin zulässig. Formate wie die XRechnung, die bereits im öffentlichen Auftragswesen verwendet wird, oder das hybride ZUGFeRD-Format (eine Kombination aus PDF-Dokument und XML-Datei), erfüllen diese Formatanforderungen (für ZUGFeRD ab Version 2.0.1). Auch andere Rechnungsformate, die nicht ausdrücklich genannt wurden, können grundsätzlich die Anforderungen erfüllen. Mit sonstigen Rechnungen sind dann bspw. Papierrechnung oder auch eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gemeint. III. Wer wird davon betroffen sein? Auch schon heute ist der Unternehmer grundsätzlich verpflichtet eine Rechnung auszustellen, wenn er eine Lieferung oder eine sonstige Leistung an einen anderen Unternehmer erbringt (es sei denn, der Umsatz ist nach § 4 Nr. 8 – 29 UStG steuerbefreit). Diese Verpflichtung bleibt durch die Gesetzesänderung unverändert. Neu ist die Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Die E-Rechnungspflicht betrifft zunächst nur Umsätze zwischen Unternehmen (B2B). Außerdem müssen sowohl der leistende Unternehmer als auch der Leistungsempfänger im Inland ansässig sein. Eine umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland ohne gleichzeitige Ansässigkeit löst per se noch keine Verpflichtung zur E-Rechnungsstellung aus. Ausnahmen von der Verpflichtung gibt es z.B. für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV), die weiterhin als "sonstige Rechnungen" übermittelt werden dürfen, also z.B. in Papierform. IV. Ab wann gilt die E-Rechnungspflicht? Grundsätzlich gilt ab dem 1. Januar 2025 die E-Rechnungspflicht. Unter Berücksichtigung des zu erwartenden Umsetzungsaufwands hat der Gesetzgeber mehrere gestaffelte Übergangsregelungen (§ 27 Abs. 38 UStG-E) eingeführt. Bis zum Ende des Jahres 2026 dürfen für B2B-Umsätze, die in den Jahren 2025 und 2026 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen verwendet werden. Auch sonstige Rechnungen, die nicht dem neuen Format entsprechen (also z.B. eine PDF Rechnung per Email), sind in diesem Zeitraum zulässig, jedoch ist wie bisher die Zustimmung des Rechnungsempfängers erforderlich (§ 27 Abs. 38 Nr. 1 UStG-E). Bis zum Ende des Jahres 2027 dürfen für B2B-Umsätze, die in 2027 ausgeführt werden, weiterhin Papierrechnungen oder sonstige Rechnungen verwendet werden (ggf. mit Zustimmung des Rechnungsempfängers; vgl. auch oben). Eine zusätzliche Voraussetzung ist jedoch, dass der Rechnungsaussteller einen Vorjahresumsatz (Gesamtumsatz im Sinnes des § 19 Abs. 3 UStG) von maximal 800.000 EUR hat (§ 27 Abs. 38 Nr. 2 UStG-E). Im Ergebnis müssen ab dem Jahr 2028 die neuen Anforderungen an E-Rechnungen und ihre Übermittlung dann zwingend eingehalten werden. V. Welche Auswirkungen hat das für Rechnungsempfänger? Wie bereits oben beschrieben gilt die neue E-Rechnungspflicht ab dem 1. Januar 2025. Ab diesem Zeitpunkt wird der inländische Unternehmer zwar zunächst aufgrund der Übergangsregelungen nicht zwingend zur E-Rechnungstellung verpflichtet. Dieser ist aber auch ohne Zustimmung des Rechnungsempfängers zur E-Rechnungstellung berechtigt. Insofern müssen inländische Unternehmer als Rechnungsempfänger ggf. schon ab dem 1. Januar 2025 in der Lage sein, E-Rechnungen nach den neuen Vorgaben zu empfangen und zu verarbeiten. Vor diesem Hintergrund sind Unternehmer, die zwar selbst nur steuerfreie Leistungen erbringen (z.B. Wohnungsvermieter, Ärzte), mittelbar von der E-Rechnung betroffen. Denn auch diese müssen künftig in der Lage sein, elektronische Rechnungen im strukturierten Format zu empfangen und zu archivieren. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine Abrechnung per Gutschrift (also im umsatzsteuerlichen Sinne eine Rechnung, die vom Leistungsempfänger erstellt wird) durchzuführen, bleibt von der Gesetzesänderung unberührt. Allerdings werden zukünftig die E-Rechnungsregelungen im Hinblick auf das Gutschriftsverfahren wohl entsprechend Anwendung finden. VI. Zusammenfassung und Ausblick Die Einführung einer E-Rechnungspflicht in Deutschland wird mit Sicherheit kommen. Auch in einigen anderen EU-Ländern gibt es unabhängig von der ViDA-Initiative Bestrebungen, eigene nationale Regelungen und E-Rechnungssysteme einzuführen (Italien hat bspw. schon seit Längerem ein eigenes E-Rechnungssystem eingeführt). Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen, vor allem für solche, die grenzüberschreitend Warenlieferungen oder Dienstleistungen erbringen, mitunter herausfordernd, die Übersicht über die verschiedenen Regelungssysteme zu behalten. Mit der beabsichtigten Einführung der E-Rechnungsregelungen ergeben sich aber gleichzeitig neue Fragen, die noch zu klären sind. Offen ist unter anderem, welche Sanktionen dem Unternehmer drohen, wenn eine E-Rechnung nicht empfangen werden kann, oder welche rechtliche Folge es hat, wenn trotz Pflicht zur Erteilung einer E-Rechnung dies nicht erfolgt, etc. Insofern ist das Ergehen eines BMF-Schreibens zu den Detailfragen vor Inkrafttreten wünschenswert. Unabhängig von den gesetzlichen Entwicklungen erwarten immer mehr Unternehmen von ihren Geschäftspartnern, dass sie in der Lage sind, elektronische Rechnungen zu empfangen und zu versenden. Zudem müssen Unternehmer ab dem 1. Januar 2025 ohnehin die technischen Voraussetzungen zur Entgegennahme einer E-Rechnung im Grundsatz sicherstellen. Daher wächst der Druck zur Umstellung, unabhängig von den Zeitplänen der nationalen oder EU-Gesetzgebung. Da Zeit- und Kostenaufwand für die Umstellung je nach Unternehmensgröße erheblich sein können, ist es ratsam, entsprechende Projektstrukturen zeitnah zu implementieren, sofern dies noch nicht geschehen ist. Gerne sind wir Ihnen behilflich bei der rechtlichen und technischen Umsetzung. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
20 März, 2024
Pelka berät einen Unternehmer nach dem erfolgreichem Verkauf seines ersten Start-Ups bei dem Aufbau eines international agierenden Franchise-Unternehmens der Gastronomie-Branche. In einem ersten Schritt wurde ein branchenerfahrener Geschäftsführer mit einer Minderheit am Unternehmen beteiligt. Pelka hat diesen Einstieg sowohl rechtlich als auch steuerlich begleitet, indem u.a. die notwendigen Verträge rechtlich sicher und steuerlich optimiert gestaltet wurden. Außerdem wurden bereits jetzt Optionsvereinbarungen für einen möglichen späteren Exit ausgearbeitet. Daran anschließend führte ein Investor dem Unternehmen weiteres Kapital zu. Pelka begleitet das Unternehmen auch bei diesem Schritt. Bei der Aufnahme von Investoren sind die Interessenlagen der Gründer sowie der Investoren zu berücksichtigen. Dabei gilt es, einerseits die aktuelle Situation des Unternehmens in den Blick zu nehmen und andererseits schon im Zeitpunkt des Einstiegs die prognostizierte Unternehmenssituation im Zeitpunkt des Exits bei der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Unsere Beratung ist darauf gerichtet, faire und praktikable Vereinbarungen zu gestalten, damit sich die handelnden Personen nach Vertragsschluss ganz auf das operative Geschäft und den Aufbau des Unternehmens konzentrieren können. Zeit- und energieraubender Unfriede zwischen den Gesellschaftern wird so vermieden. Das Mandat wurde betreut von Dr. Marc von Kopp (M&A, Corporate), Susanne Küsters (Labour Law) sowie von Dr. Eric Hoeveler (Tax und Commercial).
von Nils Pinzke 28 Feb., 2024
Bei der Vielzahl von steuerlichen Pflichten kann nur mit erheblichen Aufwand der Überblick bewahrt und diesen Pflichten ordnungsgemäß nachgekommen werden. Hat man dann noch ein Sonderamt inne, etwa Vereinsvorstand oder Geschäftsführer einer kleinen vermögensverwaltenden GbR, ist das steuerliche Pflichtenchaos schnell komplett. Oftmals fallen Fehler oder Versäumnisse erst im Nachhinein, wenn die Abgabefrist schon abgelaufen oder die Erklärung im Eiltempo erstellt und abgegeben worden ist, auf. Nicht immer reagieren die Finanzbehörden bei Fehlern nachsichtig. Um die Einleitung eines Strafverfahrens zu vermeiden, kann in manchem Fall eine Selbstanzeige geboten sein. I. Wichtige Straftatbestände im Steuerstrafrecht Das Steuerstrafrecht kennt eine Reihe von möglichen Delikten. Zu denken ist etwa an die Steuerhehlerei oder an den bandenmäßigen Schmuggel. Für die Steuerpflichtigen dürften allerdings die Steuerhinterziehung und die leichtfertige Steuerverkürzung die größte praktische Gefahr darstellen, wenn bei der Steuererklärung ein Fehler oder ein Versäumnis unterlaufen ist. 1. Steuerhinterziehung Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung ist in § 370 Abgabenordnung (AO) geregelt. Danach kann sich der Steuerpflichtige oder sein Vertreter strafbar machen, wenn er vorsätzlich den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstempeln unterlässt und hierdurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Als verkürzt im Sinne des Gesetzes gelten Steuern, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden können. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden, § 370 Abs. 4 Satz 2 AO. Die genauen steuerlichen Pflichten ergeben sich wiederum aus den einzelnen steuerlichen Spezialgesetzen. Das Gesetz sieht einen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vor. Das Strafmaß der Steuerhinterziehung erhöht sich bei einem sog. „besonders schweren Fall“ auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein solcher Fall kann etwa vorliegen, wenn die hinterzogene Steuer den Betrag von € 50.000 erreicht bzw. überschreitet. Eine Geldstrafe ist in einem besonders schweren Fall nicht möglich. 2. Leichtfertigte Steuerverkürzung Bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung handelt es sich nicht um eine Straftat, sondern eine Ordnungswidrigkeit. Der Tatbestand der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO ist erfüllt, wenn der Steuerpflichtige oder sein Vertreter eine Steuerhinterziehung leichtfertig, d.h. ohne Vorsatz aber mit einem besonders großen Sorgfältigkeitsverstoß, begeht. Bei Zweifeln des Steuerpflichtigen hinsichtlich seiner steuerlichen Pflichten oder seiner steuerlichen Bewertung eines Sachverhalts kann dieser angehalten sein, sich Rat bei einer fachlich qualifizierten Person einzuholen. II. Die Selbstanzeige: Schutz vor strafrechtlichen Konsequenzen Wer eine wirksame Selbstanzeige zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart abgibt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft. Sollte allenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung im Raum stehen, wird im Fall einer wirksamen Selbstanzeige kein Bußgeld festgesetzt. Sowohl bei der Steuerhinterziehung als auch bei der leichtfertigen Steuerverkürzung müssen allerdings für die Straffreiheit die hinterzogenen bzw. verkürzten Steuern sowie etwaige (Hinterziehungs-)Zinsen innerhalb einer angemessen Frist entrichtet werden. Die strafbefreiende Wirkung bezieht sich dabei allein auf die Steuerstraftat und nicht auf etwaig mitverübte Straftaten wie etwa Urkundenfälschung oder Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt. Die Straffreiheit ist indes nicht mit der Steuerfreiheit zu verwechseln. Zwar kommt es nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen, das Steuerverfahren und mithin auch die Steuerforderungen werden nicht beseitigt, wenn die Selbstanzeige erfolgreich ist. III. Sperrgründe für eine Selbstanzeige Sollte der Weg einer Selbstanzeige beschritten werden, sollte vorab geprüft werden, ob dieser Weg noch gangbar ist. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit zur straf- bzw. bußgeldbefreienden Selbstanzeige in einigen Konstellationen gesperrt. Eine Selbstanzeige kann daher in den nachfolgenden Situationen zu spät sein, sie entfaltet dann keine strafbefreiende Wirkung mehr. 1. Sperrgründe bei der Steuerhinterziehung Eine wirksame Selbstanzeige ist nicht mehr möglich, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftat dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter eine Prüfungsanordnung nach § 196 AO bekannt gegeben worden ist. Dies betrifft Fälle der sog. Außenprüfung bzw. Betriebsprüfung. Die Sperrung der Selbstanzeige erstreckt sich in diesen Fällen auf den zeitlichen und sachlichen Umfang der Außenprüfung. Dies gilt auch, wenn dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens (wirksam) bekannt gegeben worden ist. Entsprechend greift die Wirkung der Selbstanzeige ebenfalls nicht ein, wenn ein Amtsträger (der Finanzbehörde) zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit persönlich vorstellig wird bzw. im Sprachstil des Gesetzgebers „erschienen“ ist. Für den Sonderfall einer Umsatzsteuer-Nachschau, einer Lohnsteuer-Nachschau oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften gilt das zuvor ausgeführte entsprechend, wobei der Amtsträger sich bei Erscheinen auch ausweisen können muss. Einen weiteren Sperrgrund stellt es dar, wenn eine Steuerstraftat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Steuerpflichtige dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. Wann eine Tat als entdeckt gilt, ist anhand des Einzelfalls zu prüfen. Mitunter kann auch schon die Entdeckung einer Tat im Ausland durch ausländische Behörden ausreichen. Zudem entfaltet die Selbstanzeige grundsätzlich auch dann keine strafbefreiende Wirkung, wenn die hinterzogene Steuer oder der erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil je Tat einen Betrag von € 25.000 übersteigt. Dasselbe gilt, unabhängig vom jeweils hinterzogenen Betrag, sofern ein in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 6 AO genannter besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt. Dies ist etwa der Fall, wenn bei der Steuerhinterziehung nachgemachte oder verfälschte Belege verwendet worden und fortgesetzt Steuern verkürzt worden sind. In diesen Fällen kann jedoch von der Strafverfolgung abgesehen werden, wenn der Steuerpflichtige oder ein sonstiger an der Tat Beteiligter die verkürzten Steuern (inkl. Zinsen) entrichtet und zusätzlich einen Geldbetrag zugunsten der Staatskasse in Höhe von 10% bis 20% des Hinterziehungsbetrags zahlt. 2. Sperrgrund bei der leichtfertigen Steuerhinterziehung Da es bei der leichtfertigen Steuerverkürzung kein „Wissen“ um eine etwaige Steuerverkürzung gibt, gibt es hier nur einen Sperrgrund, der die Wirksamkeit der Selbstanzeige hindert: Dem Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter darf die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der gegenständlichen Tat nicht bekannt gegeben worden sein. Die Bekanntgabe richtet sich dabei nach den allgemeinen Vorschriften. IV. Fazit Sollte sich im Nachhinein zeigen, dass bei der Abgabe einer Erklärung ein Fehler unterlaufen oder eine Abgabefrist versäumt worden ist, ist eine Korrektur durch den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter vorzunehmen. Frei nach dem Motto „better safe than sorry“ sollte dann auch immer daran gedacht werden, ob die Nacherklärung im Zweifel auch den Anforderungen einer Selbstanzeige genügt. Die Reaktionen der verschiedenen Finanzämter unterscheiden sich stark und lassen sich im Vorfeld nicht immer abschätzen. Sollte die Korrektur letztlich auf eine Selbstanzeige hinauslaufen, sollte der Steuerpflichtige oder sein Vertreter stets bedenken, dass die Selbstanzeige ihre Wirkung nur entfalten kann, wenn sie den gesetzlichen Anforderungen gänzlich entspricht. Sie möchten mehr dazu erfahren und sich mit uns in Verbindung setzen? Dann füllen Sie gerne unser Kontaktformular aus.
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